Fachbezogene Vorbemerkungen
1. Fachspezifischer Bildungsauftrag (Bildungswert des Faches)
Wirtschaftliche Zusammenhänge begegnen uns alltäglich in den unterschiedlichen Lebenswelten, sowohl im privaten Umfeld, im Arbeitsleben, auf Ebene politischer Entscheidungen und hinsichtlich globaler Entwicklungen – oftmals verknüpft mit entsprechenden rechtlichen Grundlagen. Wir erleben einen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandel, der durch die Digitalisierung stetig beschleunigt wird und neue Herausforderungen mit sich bringt. Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, gehört eine wirtschaftliche Grundbildung zur Allgemeinbildung, insbesondere im Beruflichen Gymnasium, das mit der Allgemeinen Hochschulreife abschließt.
Der vorliegende Bildungsplan für Wirtschaftslehre zielt darauf ab, den verschiedenen Richtungen und Profilen in Beruflichen Gymnasien gerecht zu werden, weshalb bewusst eine thematische Auswahl getroffen wurde. Die Themen umfassen wesentliche wirtschaftliche Sach- und Problemverhalte anhand derer sowohl Grundprinzipien und Strukturen ökonomischen Denkens und Handelns erworben als auch allgemeinbildende Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden. Die Schülerinnen und Schüler werden als mündige Bürgerinnen und Bürger in diesem Kontext dazu befähigt, Zeitungstexte zu verstehen sowie Schaubilder, Karikaturen, Tabellen und Statistiken mit wirtschaftswissenschaftlichen Inhalten systematisch zu analysieren und zu bewerten. Darauf aufbauend führen die Jahrgangsstufen 1 und 2 dann mit komplexeren Inhalten zum Abitur.
Die Eingangsklasse beginnt in diesem Sinne mit den Grundlagen ökonomischen Handelns. Die Schülerinnen und Schüler erkennen in der Modellbetrachtung des Wirtschaftskreislaufes die Zusammenhänge ökonomischen Handelns in einer Volkswirtschaft. Insbesondere die Rollen des Einzelnen (private Haushalte) sowie die der Unternehmen und die des Staates werden hier als Teilnehmer im Zusammenwirken begriffen. Ausgehend von der Rolle als Verbraucherin und Verbraucher oder Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer erwerben die Schülerinnen und Schüler unter der Anwendung von Gesetzestexten rechtliche Grundkompetenzen und setzen sich mit Finanzen und Steuern auseinander.
In der Jahrgangsstufe 1 nehmen die Schülerinnen und Schüler die Perspektive einer Unternehmerin oder eines Unternehmers bzw. einer Führungskraft ein. Sie simulieren eine Unternehmensgründung und agieren in ausgewählten Unternehmensbereichen (Finanzierung und Personalwirtschaft), welche gezielte Verknüpfungspunkte zur Verbrauchersicht aus der Eingangsklasse aufgreifen und ergänzen.
In der Rolle als Bürgerin oder Bürger analysieren die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 2 das System der Sozialen Marktwirtschaft und begreifen, ausgehend von rechtlichen Grundlagen, wirtschaftspolitische Entscheidungen und aktuelle Handlungsfelder. Je nach Interessenslage der Schülerinnen und Schüler sowie der Berücksichtigung des Profils wird in diesem Kontext ein Wahlthema behandelt.
2. Fachliche Aussagen zum Kompetenzerwerb, prozessbezogene Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler werden in der Auseinandersetzung mit den Themen der ökonomischen Grundbildung aus unterschiedlichen Perspektiven dazu befähigt, ökonomische Handlungssituation angemessen zu bewältigen. Das heißt, sie entscheiden und übernehmen Verantwortung für ihr Handeln. Zur Erreichung dieser Zielsetzungen sollen die Schülerinnen und Schüler sowohl fachliche Kompetenzen wie auch prozessbezogene Kompetenzen erwerben, beispielsweise der rechtswirksame Abschluss eines Kaufvertrages mit dessen Folgen im Sinne der daraus resultierenden Rechte und Pflichten.
Der Bildungsplan ist geprägt vom Spannungsfeld zwischen ökonomischen und ethischen Prinzipien. Diese ergänzen und widersprechen sich zugleich. Dies erfordert, dass sich die Schülerinnen und Schüler kritisch mit den Herausforderungen auseinandersetzen und damit zugleich ihre Handlungskompetenzen erweitern mit den Dimensionen der fachlichen, methodischen, sozialen und personalen Kompetenz. Ökonomische und daraus resultierende gesellschaftliche bzw. politische Problemlagen und Zielkonflikte sind systemisch zu erkennen, zu erklären und aus unterschiedlichen Perspektiven unter Berücksichtigung der jeweiligen Interessenlagen und Wertorientierungen zu untersuchen (vgl. Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Wirtschaft der KMK i. d. F. vom 16.11.2006).
Problemlösefähigkeit, Erkenntnisfähigkeit, Kommunikations-/Argumentationsfähigkeit werden anhand konkreter wirtschaftlicher Entscheidungssituationen gefördert, wie beispielsweise die Wahl einer geeigneten Rechtsform oder die Bewertung unterschiedlicher staatlicher Eingriffsmöglichkeiten. Dabei kommen insbesondere wirtschaftliche Verfahren und Instrumente zum Einsatz – so bietet sich eine SWOT-Analyse beispielsweise bei der Beurteilung einer Geschäftsidee an. Daneben werden Zusammenhänge mit Modellbetrachtungen beim Verhalten von Markt und Preis wie auch bei den Wirtschaftsordnungen veranschaulicht und systematisch analysiert. Auch soll der Umgang mit digitalen Medien gefördert und adäquat eingesetzt werden, als Informationsquelle und/oder zur Aufbereitung von Ergebnissen. Der Einsatz von digitalen Medien und Endgeräten im Unterricht kann zudem einen Beitrag zur individuellen Förderung leisten. Im Hinblick auf die Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife soll generell die Studierfähigkeit gefördert werden, das heißt eine entsprechende Komplexität des Lehr-Lernarragements ist zu gewährleisten.
Ausgehend von der eigenen individuellen Perspektive werden die folgenden Kompetenzen angestrebt:
- Die Schülerinnen und Schüler analysieren Situationen bzw. gestalten und beurteilen Handlungsmöglichkeiten in ihrer Rolle als Verbraucherin und Verbraucher sowie als Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer in der Sozialen Marktwirtschaft. Persönliche Erlebnisse und Wahrnehmungen bilden die Grundlage und Ausgangssituation für ökonomisches Denken und Handeln.
- Als Unternehmensgründerin oder -gründer und Führungskraft bzw. Selbstständige in der Sozialen Marktwirtschaft gestalten sie Entscheidungsprozesse und Funktionen im Unternehmen bzw. beurteilen diese in ausgewählten Unternehmensbereichen.
- Die Schülerinnen und Schüler erkennen als Bürgerinnen und Bürger in der Sozialen Marktwirtschaft den Staat als regulierendes System und Ordnung einer Volkswirtschaft. Aus Sicht des Staates analysieren sie dessen Handlungsmöglichkeiten in konkreten Situationen und beurteilen die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Förderung der prozessbezogenen Kompetenzen ist vor diesem Hintergrund ab der Eingangsklasse kontinuierlich und langfristig aufbauend zu planen.
3. Ergänzende fachliche Hinweise
Der Bildungsplan für das Fach Wirtschaftslehre ist für nahezu alle Profile der Beruflichen Gymnasien gültig, daher ist zu berücksichtigen, dass die Schülerinnen und Schüler dem Fach mit unterschiedlichen Interessensschwerpunkten begegnen. Sie sind profilbezogen unterschiedlich motiviert und verfolgen verschiedene zukünftige Zielsetzungen.
Die Themenauswahl in diesem Bildungsplan stellt deshalb einen gemeinsamen Nenner dar, weshalb insbesondere der VIP-Bereich in pädagogischer Verantwortung der Lehrkraft zur profilbezogenen, handlungsorientierten Umsetzung und fachlichen Vertiefung genutzt werden sollte.
Fachdidaktische Bezugspunkte bei allen ausgewählten Themen sind für die Schülerinnen und Schüler bedeutsame authentische Situationen, die bevorzugt vollständige Handlungen ermöglichen oder diese nachvollziehbar machen. Handlungs- und fachsystematische Aspekte werden dabei verknüpft und reale komplexe Problemstellungen und multiple Perspektiven der Wirklichkeit aufgegriffen.
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalten konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.