Suchfunktion
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung
Einführung
Vorwort
Unser Ziel ist es, sonderpädagogische Bildungsangebote im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung so zu gestalten, dass sie die Entwicklung und das Lernen der Schülerinnen und Schüler mit ihren jeweiligen Bedarfen möglichst passgenau unterstützen. Lehrkräfte stehen dabei vor der Herausforderung, Bildungsangebote so zu entwickeln und auszugestalten, dass die Schülerinnen und Schüler sie möglichst gut erschließen und nutzen können, damit sie Selbstwirksamkeit erfahren und motiviert und erfolgreichen lernen.
Lernen wird dann besonders bedeutsam und relevant, wenn es an die Lebenssituation der jungen Menschen anknüpft. Deshalb spielt die Suche nach dem individuellen Lern- und Entwicklungspotential in der jeweiligen Lebenssituation bei der Entwicklung der Bildungsangebote eine wichtige Rolle. Im vorliegenden Bildungsplan sind solche relevanten Lernanlässe als Verflechtung von Lebensfeldern und Fächern dargestellt. Für die Gestaltung der Bildungsangebote ist der Bildungsplan mit seiner kompetenzorientierten Ausrichtung und der Fokussierung auf Aktivität und Teilhabe eine wichtige Arbeitsgrundlage.
Der Bildungsplan ist unabhängig vom Lernort formuliert. Dies unterstreicht die Gleichrangigkeit der Lernorte, wie sie in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen und im Schulgesetzes des Landes verankert ist. Der Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot kann sowohl am Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum als auch in inklusiven Bildungsangeboten eingelöst werden. Diese sind Aufgabe aller Schularten.
Ein weiteres wichtiges Merkmal des Bildungsplans ist seine Anschlussfähigkeit, um den vielfältigen Bildungsbiographien der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. So ist der Bildungsplan unter anderem an den Leitperspektiven der Bildungspläne der allgemeinen Schule ausgerichtet und übernimmt auch weitgehend deren Fächerbezeichnungen. Zudem weist er erstmals eine gemeinsame Struktur in den sonderpädagogischen Bildungsgängen sowie Förderschwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung auf. Dadurch wird die gemeinsame Arbeit von Lehrkräften unterstützt und die Gestaltung der Übergänge, wie beispielsweise zwischen Schulen, Bildungsgängen und in das System der beruflichen Bildung hinein, erleichtert. Gemeinsam mit dem „Referenzrahmen Schulqualität“ ist der Bildungsplan darüber hinaus auch ein wichtiges Instrument der Schul- und Unterrichtsentwicklung.
Ich danke allen, die bei der Erarbeitung dieses Bildungsplans mitgewirkt und ihre Stimme bei den umfangreichen Prozessen der Beteiligung eingebracht haben. Den Lehrkräften, die mit diesem Bildungsplan arbeiten, wünsche ich, dass sie immer wieder neue Impulse und Anregungen daraus ziehen können. Ich bin überzeugt, dass Sie damit eine hervorragende Arbeitsgrundlage haben, um die Bildungsangebote im Sinne der jungen Menschen weiterzuentwickeln.
Theresa Schopper
Ministerin für Kultus, Jugend und Sport
Juli 2022
1 Bildung und Erziehung von Schülerinnen und Schülern mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
1.1 Der Bildungs- und Erziehungsauftrag
Dieser Bildungsplan konkretisiert den Bildungs- und Erziehungsauftrag für Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und die daraus resultierenden Aufgaben der Schule, Bildungsinhalte bereitzustellen, Kompetenzerwerb zu ermöglichen, Zugangsmöglichkeiten zu eröffnen und zu vermitteln sowie passende Rahmenbedingungen zu gestalten. Der Bildungsplan beschreibt die Ausgestaltung der sonderpädagogischen Bildungsangebote im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung und trägt damit zur Verwirklichung des Rechts auf Bildung und damit auch des Rechts auf individuell passgenaue Bildungsangebote bei. Bildung ist hierbei in einem umfassenden und grundsätzlich uneingeschränkten Sinn zu verstehen. Die Herausbildung von Identität und das Verständnis der eigenen Person, eingebunden in soziale Bezüge, stehen gleichrangig neben Bildungsinhalten fachlicher und methodischer Art. Die Schülerinnen und Schüler sind konsequent als Akteure ihrer eigenen Entwicklung und Bildung zu verstehen. Für alle Aspekte von Bildung sind Aktivität und Teilhabe unabdingbar zugleich Voraussetzung und Zielsetzung.
Das Bildungsangebot baut auf den Erziehungs- und Bildungsleistungen in den Familien, den Einrichtungen zur frühkindlichen Bildung und gegebenenfalls der zuvor besuchten Schulen auf und reicht in seiner Wirkung über die Schulzeit hinaus in die berufliche Eingliederung und die Lebensgestaltung als Erwachsene hinein.
Schulische Bildung und Erziehung verändern das Verhältnis der Schülerinnen und Schüler zu sich selbst, zur Welt und zu anderen. Die Kinder und Jugendlichen bilden sich in der Interaktion mit anderen und in der Auseinandersetzung mit Bildungsinhalten und mit ihrer sächlichen Umgebung. Sie erweitern in der Schule ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und ihre Kenntnisse sowie ihre motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften zum Lernen (vgl. Weinert, 2001, zitiert nach Pant: Einführung in den Bildungsplan 2016, S. 10). Dabei stellen Demokratieerziehung, Friedensbildung, kulturelle Bildung sowie die Leitperspektiven aller Bildungspläne wichtige Bereiche dar, die unterschiedliche Zugänge zu mehr Aktivität, Partizipation und Chancengleichheit bieten und ein verantwortungsvolles und -bewusstes Leben in unserer Gesellschaft ermöglichen. Dies umfasst Werte, Rechte und Pflichten, kulturelle und geschichtliche Traditionen und eine religiöse Dimension. Der Bildungsplan orientiert sich an der Lebenswelt der jungen Menschen, was mit Kompetenzbeschreibungen in verschiedenen Lebensfeldern (Teil B) zum Ausdruck kommt, wie auch am Fächerkanon der allgemeinen Schulen (Teil C). Die fachlichen und überfachlichen Kompetenzen aus den Lebensfeldern und Fächern ergänzen sich und beziehen sich aufeinander. In der Auseinandersetzung mit diesen konkreten lebensweltbezogenen Themen und Inhalten wird es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, ihre Persönlichkeit zu entwickeln sowie sich Kompetenzen anzueignen, die sie für eine aktive Lebensbewältigung benötigen. Die Schule achtet die Würde jeder Schülerin und jedes Schülers unabhängig von den individuellen Fähigkeiten, dem Alter, der geschlechtlichen Identität sowie der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit. Die Aufgabe der Schule ist es daher, allen Schülerinnen und Schülern den Zugang zu grundsätzlich allen Bildungsinhalten zu ermöglichen und dafür passende Bedingungen zu schaffen.
Der Bildungsplan folgt hierbei dem in der UN-Behindertenrechtskonvention verankerten Leitgedanken, dass Bildung zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe in größtmöglicher Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung befähigt. Er ist somit verbindliche Orientierungsgrundlage für die Bildung und Erziehung von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung sowohl an den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) einschließlich kooperativer Organisationsformen als auch in inklusiven Bildungsangeboten sowie im Bildungsgang geistige Entwicklung eines weiteren sonderpädagogischen Förderschwerpunkts. Die Lehrkräfte des SBBZ geistige Entwicklung arbeiten dabei eng mit Lehrkräften anderer Schulen und Schularten zusammen, um den Bildungs- und Erziehungsauftrag unabhängig vom Lernort gemeinsam umzusetzen. Der Bildungsplan ist hierzu Grundlage sowohl für die konkrete Unterrichtsgestaltung als auch für die Erstellung eines eigenen Schulcurriculums. Dabei lässt er Gestaltungsspielraum für Profilbildung und Leitbildentwicklung und unterstützt die Lehrkräfte und Schulen in der Qualitätsentwicklung. Die Schulen konkretisieren die Aussagen des Bildungsplans in ihrer Schulkonzeption und treffen dazu Vereinbarungen mit ihren unterschiedlichen Netzwerkpartnern.
1.2 Dem Bildungsplan zugrundeliegendes Verständnis von Behinderung
Dem Bildungsplan liegt ein Blick auf Behinderung zugrunde, der diese nicht statisch und individuumszentriert sieht. Bedingungsfaktoren können biologischer, sozialer oder psychischer Natur oder durch die Umwelt gegeben sein. Zudem werden diese Faktoren in einer individuellen Konstellation gesehen, die sich in Abhängigkeit von der jeweils gegebenen konkreten Lebens- und Lernsituation unterschiedlich auswirken.
Behinderung wird in dieser bio-psycho-sozialen Sicht, wie sie beispielsweise auch der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen (ICF-CY) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zugrunde liegt, immer in Abhängigkeit von spezifischen Kontextfaktoren, Körperstrukturen und Körperfunktionen dargestellt. Eine Behinderung ist somit das Ergebnis und die Bewertung spezifischer Situationen, in denen es für den Menschen erschwert ist, zu einer möglichst weitgehenden Aktivität und Teilhabe und somit zu Bildung zu gelangen. Alle Faktoren beeinflussen die individuellen Handlungsmöglichkeiten und können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.
Die Schülerinnen und Schüler sind mit Anforderungen und Erwartungen in Bereichen der Alltagsbewältigung, der Wissensaneignung sowie in der Bewältigung vielfältiger Lebenssituationen konfrontiert. Dabei können Strukturen, Systeme, Normen und Haltungen, auf die sie dabei treffen, das Handeln der Schülerinnen und Schüler und ihre Teilhabe an Bildungsprozessen und am Leben in der Gesellschaft erleichtern oder erschweren. Die Aufgabe von Schule ist es, jene Umstände zu identifizieren, die die Entwicklung und die schulische Bildung der jungen Menschen unterstützen oder auch behindern, um mögliche Ressourcen zu berücksichtigen und eventuelle Barrieren abzubauen. In der Folge ist es Aufgabe von Schule und Lehrkräften, kontinuierlich eine Passung herzustellen zwischen Lernvoraussetzungen und Lernangeboten sowie zwischen situativen individuellen Möglichkeiten und normativen, curricularen Erfordernissen. Dieser Bildungsprozess ist individuell unterschiedlich und bedarf eines spezifischen (Bildungs-)Angebots. Folglich stellen sowohl die Lebensumstände (familiäres und soziales Umfeld) als auch das Schulleben, der Unterricht, das konkrete Handeln der Lehrkräfte sowie deren Einstellungen und Haltungen Umweltfaktoren dar. Diese sind auf je individuelle Weise wirksam. Die sonderpädagogische Diagnostik und die individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung (ILEB) müssen folgerichtig diese Faktoren und ihre Wechselwirkungen systemisch erfassen, beschreiben, bewerten und kontextualisieren.
1.3 Aktivität und Teilhabe als Ausgangspunkt und Ziel sonderpädagogischer Bildungsangebote
Die Schule gestaltet Bildungsangebote so, dass jede einzelne Schülerin und jeder einzelne Schüler zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe in größtmöglicher Selbstständigkeit, Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung gelangen kann. Sie legt Wert darauf, dass vor dem Hintergrund sich möglicherweise wiederholender Situationen von erschwerter Aktivität und Teilhabe und somit Bildung eine stabile Identität und das notwendige Selbstwertgefühl aufgebaut sowie Schutzfaktoren zur Stärkung der Resilienz entwickelt und genutzt werden können. Hierzu gehören auch die individuelle Leistungsbereitschaft und -fähigkeit.
Das schulische Bildungsangebot beschränkt sich nicht allein auf überprüfbare unterrichtsfachliche Inhalte und Fertigkeiten. Die Lebensfelder wie auch die Unterrichtsfächer zielen gleichermaßen auf breit angelegte Situationen mit exemplarischem und subjektiv bedeutsamem Gehalt, in denen Bildungsprozesse und der Abbau von Barrieren bezüglich Aktivität und Teilhabe möglich werden. Dabei stellt der Einbezug außerschulischer Partner beziehungsweise außerschulischer Lernorte nicht nur den Lebensweltbezug her, sondern kann zusätzlich Berührungsängste abbauen.
Aktivität und Teilhabe sowie selbstbestimmte Lebensführung werden immer vor dem jeweiligen individuellen Hintergrund in einer kurz-, mittel- und langfristigen Zukunftsplanung (zum Beispiel Gestaltung von Übergängen, Anschlüssen und Abschlüssen; mögliche schulische, persönliche, soziale und berufliche Perspektiven) reflektiert. Diese definiert sich immer vom einzelnen jungen Menschen her und benötigt je neue und individuelle Konkretion, an der sich das Bildungsangebot ausrichtet. Gleichzeitig behalten die Lehrkräfte, auch im Sinn der individuellen Teilhabe, Bildungsangebote im Blick, die für die Anschlüsse und Abschlüsse der Schülerinnen und Schüler bedeutsam sind.
Unter der Maßgabe, ein individuell möglichst hohes Maß an Aktivität und Teilhabe zu ermöglichen, wird deutlich, dass die Bedürfnisse und Potenziale der Schülerinnen und Schüler jeweils den Inhalt und den Lernfortgang bestimmen. Gleichzeitig wird das voraussetzungslose Recht auf Bildung gesichert, ohne den Schülerinnen und Schülern Bildungsinhalte vorzuenthalten. Damit wird sonderpädagogische Arbeit im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung von individuellen Anforderungen her bestimmt.
1.4 Individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung (ILEB)
Ein Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung geht immer von der einzelnen Schülerin oder dem einzelnen Schüler aus und bezieht deren oder dessen Stärken und Interessen ein. Ausgehend von den Ergebnissen und Erkenntnissen der kooperativen Bildungsplanung werden konkrete schulische Situationen von den Lehrkräften so vorbereitet und realisiert, dass für jede Schülerin und jeden Schüler geeignete Zugänge zum Lernen ermöglicht und eventuelle Barrieren abgebaut werden können. Gleichzeitig findet Lernen in Gruppen und weiteren sozialen Bezügen und möglichst an einem gemeinsamen Gegenstand statt. Innere und äußere Differenzierung sind daher unabhängig vom Lernort Merkmale des Bildungsangebots.
Das Fachkonzept der individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung (vgl. Handreichung Individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung (ILEB), Landesinstitut für Schulentwicklung 2013) ist bei der Gestaltung des individuellen Bildungsangebots zentrales und verbindliches Planungs- und Steuerungsinstrument. Dies gilt sowohl auf strukturell-organisatorischer Ebene – ILEB als Aufgabe der Schulentwicklung – als auch inhaltlich-fachlich. Hier ist die individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung handlungsleitend und klärt, wie die Schule und die Lehrkraft den Bedürfnissen der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers entsprechen. Dies gilt für alle Ebenen der Ausgestaltung der Bildungsangebote, von strukturellen Überlegungen bis hin zur konkreten Unterrichtssituation. Der Bildungsanspruch und die Entwicklung der Schülerinnen und Schüler stehen bei der Planung und Gestaltung von Unterricht im Vordergrund und bilden zusammen mit den curricularen Vorgaben der Bildungspläne den Orientierungsrahmen für die Formulierung von Bildungszielen für das passgenaue individuelle Bildungsangebot.
Abbildung 1: Prozess der individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung (© Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg)
Auf der Basis einer prozessorientierten, dialogisch gestalteten sonderpädagogischen Diagnostik wird der individuelle Entwicklungs-, Lern- und Leistungsstand erhoben, bewertet und dokumentiert. Ausgangspunkt ist die einzelne Schülerin und der einzelne Schüler mit ihrer/seiner jeweiligen Lernausgangslage, den individuellen Kompetenzen und Bedürfnissen sowie den jeweiligen Kontextfaktoren, die sich auf ihre/seine Lebenswelt sowie die gegenwärtige, tatsächliche Lebenslage beziehen. Die hierauf aufbauende kooperative Bildungsplanung erfolgt unter Beteiligung der Schülerin oder des Schülers, der Eltern und Sorgeberechtigten (im Folgenden „Eltern“) sowie weiterer am Bildungsprozess Beteiligten. Diese Erziehungspartnerschaft beschreibt dabei einen Dialog, bei dem die Erfahrungen und Absichten des Gegenübers geachtet und ernst genommen werden, zugleich aber auch unterschiedliche Erwartungen und Auffassungen geklärt und Vereinbarungen getroffen werden. Ziel der gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsaufgabe ist es, eine größtmögliche Passung zwischen dem Bildungsanspruch der Schülerinnen und Schüler und dem Bildungsangebot herzustellen, diese aktiv als Akteure der eigenen Bildungsprozesse einzubeziehen und Aktivität und Teilhabe als entsprechende Ausgangs- und Zielpunkte der je eigenen Lebenswirklichkeit anzusehen. In diesem Prozess entwickelt sich die Lernfähigkeit der Schülerinnen und Schüler über den Erwerb von Lern- und Handlungsstrategien, Lern- und Anstrengungsbereitschaft sowie über die Entwicklung von Routinen.
Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus Diagnostik, kooperativer Bildungsplanung, individuellem Bildungsangebot und Leistungsfeststellung werden, wie es das Fachkonzept ILEB vorsieht, fortlaufend hinsichtlich Umfang und Inhalt dokumentiert und in ständigem Austausch überprüft, reflektiert und fortgeschrieben (siehe auch 3.2.1).
Die Gestaltung von Bildungsprozessen auf diese Weise sichert die Qualität von Bildung und Erziehung, verantwortet eingesetzte Zeit, beugt der Beliebigkeit von Lernangeboten vor und konkretisiert den Anspruch auf ein individuelles Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung.
2 Arbeit mit dem Bildungsplan
2.1 Der Bildungsplan im Verhältnis zu den Bildungsplänen allgemeiner Schulen
Die in diesem Bildungsplan beschriebenen Lebensfelder und Unterrichtsfächer orientieren sich an den spezifischen Bildungsbedarfen von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung sowie an den Fächern und Leitperspektiven der allgemeinen Schule. Dies wird durch die Bezeichnung der Unterrichtsfächer in Anlehnung an die Bildungspläne der allgemeinen Schulen sowie durch die Verweise auf diese Bildungspläne deutlich.
Diese Orientierung unterstützt nachhaltig die Planung und Gestaltung des Unterrichts in sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren, in inklusiven Bildungsangeboten und kooperativen Organisationsformen. Übergänge von und in Schulen mit anderen Bildungsgängen und Förderschwerpunkten werden dadurch erleichtert. Der unter 1.1 beschriebene Bildungs- und Erziehungsauftrag ist bei allen Formen der schulischen Bildung und im Dialog mit schulischen Partnern für die Nutzung und Umsetzung dieses Bildungsplans grundlegend. Die weiteren Bildungspläne der anderen Förderschwerpunkte werden dabei bedarfsorientiert ebenso miteinbezogen.
Der Bildungsplan richtet sich an die sonderpädagogischen Lehrkräfte. Er dient ebenso den Lehrkräften der allgemeinen Schulen und anderen schulischen Partnern als gemeinsame verbindliche Orientierungs- und Arbeitsgrundlage. Bildung und Erziehung für Kinder und Jugendliche im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung orientieren sich in inklusiven Bildungsangeboten an diesem Bildungsplan sowie an den Bildungsplänen der allgemeinen Schule. Für Schülerinnen und Schüler anderer Förderschwerpunkte im Bildungsgang geistige Entwicklung kommt der Bildungsplan des jeweiligen Förderschwerpunkts ergänzend hinzu.
Im vorliegenden Bildungsplan werden die angestrebten Kompetenzen als individuell zu gewichtendes und erweiterbares Kompetenzspektrum formuliert, das sich die Schülerinnen und Schüler bei Bildungsangeboten in dem jeweiligen Kompetenzfeld innerhalb der angegebenen Schulstufen aneignen. ILEB kommt im Zusammenhang mit den Bildungsplänen eine hohe Bedeutung zu. Sie wird als interdisziplinäre und von den verschiedenen Beteiligten verantwortete Aufgabe schulischer Bildung unabhängig vom Lernort wahrgenommen und umgesetzt. Gemeinsam getragene Abstimmungsprozesse und Vereinbarungen zu den jeweiligen Bildungsangeboten sind hierfür unumgänglich (siehe auch Kapitel 4).
2.2 Aufbau des Bildungsplans
2.2.1 Verhältnis der Lebensfelder und Fächer zueinander
Professionelles sonderpädagogisches Handeln zeichnet sich durch einen mehrperspektivischen Zugang zu Bildungsinhalten, Vermittlungsweisen, Subjekt- und Lebensweltorientierung aus. Der Bildungsplan unterscheidet dabei zwischen eher lebensweltbezogenen Kompetenzen, die in den Lebensfeldern in Teil B beschrieben werden, und eher fachlichen Kompetenzen in Teil C. Beide sind unabhängig vom Lernort gleichwertiger Teil des sonderpädagogischen Bildungsangebots.
Die ausgewiesenen Lebensfelder (siehe Abbildung 2) beschreiben zentrale Aspekte der Lebensgestaltung der Schülerinnen und Schüler und leisten somit einen Beitrag dazu, in aktuell und zukünftig lebensbedeutsamen Situationen Aktivität und Teilhabe zu sichern. Sie sind an der ICF-CY der WHO orientiert.
Abbildung 2: Übersicht zu Teil B – Lebensfelder (© Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg)
Der Fächerkanon und damit einhergehend die Einteilung in Stufen (siehe Abbildung 3) orientiert sich weitgehend an dem der allgemeinen Schule (siehe Kapitel 2.1), wobei schulorganisatorische Aspekte sowie die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler und die Altersentsprechung der Unterrichtsinhalte ihre Berücksichtigung finden. Genaueres wird im jeweiligen Fach erläutert.
Grundstufe | Haupt- und Berufsschulstufe |
---|---|
Religionslehre – Evangelische Religionslehre – Katholische Religionslehre
|
Religionslehre – Evangelische Religionslehre – Katholische Religionslehre
|
Deutsch
|
Deutsch
|
Moderne Fremdsprache
|
Moderne Fremdsprache
|
Mathematik
|
Mathematik
|
Sachunterricht
|
Geschichte Geographie Gemeinschaftskunde Wirtschaft und Berufsorientierung Biologie, Naturphänomene und Technik
|
Musik
|
Musik
|
Kunst/Werken
|
Kunst/Werken
|
Bewegung, Spiel und Sport
|
Bewegung, Spiel und Sport
|
Technik
|
|
Alltagskultur, Ernährung, Soziales
|
|
Basiskurs Medienbildung
|
Abbildung 3: Übersicht zu Teil C – Fächer und Fächergruppen der jeweiligen Stufen; Anmerkung: Fächer, die in beiden Spalten identisch bezeichnet werden, werden innerhalb des Faches nicht nach Stufen unterschieden.
Bei der Planung und Durchführung der Bildungsangebote werden die Kompetenzen der Lebensfelder und der Fächer gleichermaßen berücksichtigt. Dies kann im Rahmen des Unterrichts und des Schullebens, auf Ebene des Schulcurriculums und Schulprofils (beispielsweise in Projekten, Schulfirmen und der Beteiligung an außerschulischen Veranstaltungen) sowie in individuellen Bildungsmaßnahmen erfolgen. Der Bildungsplan zeigt beide Zugangsweisen zunächst getrennt voneinander auf. Den Ausgangspunkt für Bildungsangebote können zum einen die Unterrichtsfächer mit ihren kanonisierten und curricular vereinbarten Inhalten und den spezifischen methodischen Kompetenzen, zum anderen die lebenswelt- und entwicklungsorientierten Zugänge der Lebensfelder darstellen. Erst in der Verflechtung (siehe Abbildung 4) können sonderpädagogische Bildungsangebote passgenau entwickelt werden.
Abbildung 4: Verflechtung Lebensfelder – Fächer (© Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg)
In den vielfältigen Lernsituationen, die sowohl die Kompetenzen der Lebensfelder als auch der Fächer mitberücksichtigen, entfaltet sich das sonderpädagogische Bildungsangebot, welches für die einzelne Schülerin und den einzelnen Schüler im Rahmen von ILEB erarbeitet und umgesetzt wird. Jede Lernsituation ist somit aus zwei Richtungen, aus den Lebensfeldern und den Fächern, zu denken und zu planen. Dadurch kommt es in der getrennten Darstellung der beiden Zugangsweisen zu Wiederholungen, die die Verflechtungsmöglichkeiten aufzeigen und unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Dabei sind unterrichtliche Themen und unterrichtsfachbezogene Inhalte immer kontextbezogen zu denken und mit der Fragestellung verbunden, welchen Beitrag sie zur aktuellen und zukünftigen Teilhabe, zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Lebensbewältigung und damit zur Bildung der Schülerinnen und Schüler leisten.
2.2.2 Aufbau der Lebensfelder und Fächer
Die Lebensfelder (Teil B) und Fächer (Teil C) folgen immer einem gleichen Aufbau: In den vorangestellten Leitgedanken (jeweils Kapitel 1) werden der Bildungsgehalt, die Kompetenzen sowie didaktische Hinweise des jeweiligen Lebensfeldes beziehungsweise Faches erläutert.
Daraufhin folgen die Kompetenzfelder (jeweils Kapitel 2), die jeweils einen Einführungstext und ein Spaltenraster, welches in fünf Felder unterteilt wird, enthalten (siehe Abbildung 5).
Im ersten Feld der linken Spalte werden „Denkanstöße“ formuliert, mit denen sich die Schule bei der Erstellung der Schulkonzeption und in der Schulentwicklung, aber auch die einzelne Lehrkraft mit Blick auf die jeweilige Klasse auseinandersetzen muss, um den Schülerinnen und Schülern optimale Bedingungen für ihre schulische Bildung zu bieten und über den Zugang zu Bildungsangeboten den Erwerb von Kompetenzen zu sichern. Daraus ergeben sich auch vielfältige Möglichkeiten der Selbstevaluation sowie der Passung des Unterrichtsangebots für die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler.
Die rechte Seite des Rasters greift die Perspektive der Schülerinnen und Schüler auf. Im oberen Feld wird dargestellt, welche Kompetenzen sich die Schülerinnen und Schüler innerhalb eines „Kompetenzspektrums“ beziehungsweise bei der Bearbeitung des jeweiligen Kompetenzfelds aneignen können. Auch hier gilt, dass eine vollständige Darstellung nicht möglich ist und eine Auswahl über ILEB stattfindet. Prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzen werden in gleicher Weise gemeinsam aufgeführt und nicht differenziert, da der Verlauf der Lernprozesse bezogen auf die einzelne Schülerin oder den einzelnen Schüler nicht standardisierbar ist.
Im Feld „Beispielhafte Inhalte“ werden unterschiedliche Gegenstandsbereiche zum aktuellen Kompetenzfeld inhaltlich strukturiert. Die Schule gewährleistet, dass sich jede Schülerin und jeder Schüler individuell mit dem Unterrichtsthema auseinandersetzen und sich daran bilden und entwickeln kann. Erweiterungen, Modifikationen und Schwerpunktsetzungen liegen in der Verantwortung der Lehrkräfte und sind entsprechend der Planung nach ILEB ebenso sinnvoll wie erforderlich. Dies gilt umso mehr, da aufgrund der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler keine Zuordnung von Kompetenzen und Inhalten zu einzelnen Klassenstufen erfolgt und erfolgen kann. Einer der beispielhaften Inhalte ist fettgedruckt und wird im Feld „Exemplarische Aneignungs- und Differenzierungsmöglichkeiten“ aufgegriffen.
Im Feld „Exemplarische Aneignungs- und Differenzierungsmöglichkeiten“ werden unterschiedliche Zugangsformen der Schülerinnen und Schüler zum jeweiligen Bildungsgegenstand für einen ausgewählten, fettgedruckten „beispielhaften Inhalt“ beschrieben. Dieses Feld gibt Anhaltspunkte dafür, wie unterschiedlich die Lernvoraussetzungen und Lernmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler sein können und wie diesen entsprochen werden kann.
Die Aneignungsmöglichkeiten bezeichnet der Bildungsplan als basal-perzeptiv, konkret-gegenständlich, anschaulich und abstrakt-begrifflich. Alle Schülerinnen und Schüler finden für den jeweils angebotenen Inhalt ihre eigenen Formen der Aneignung, um sich damit auseinanderzusetzen. Dabei kann nicht immer für jeden Inhalt jede Aneignungsmöglichkeit beschrieben werden. Die Lehrkräfte berücksichtigen bei der Darbietung von Bildungsinhalten diese individuell unterschiedlichen Zugänge (siehe Kapitel 3.2.5).
Des Weiteren werden in diesem Feld Differenzierungsmöglichkeiten beschrieben, die die Lehrkräfte bei der konkreten Umsetzung im Unterricht einbeziehen können.
In einem weiteren Feld werden „Bezüge und Verweise“ innerhalb des Bildungsplans oder zu den Bildungsplänen 2016 angeboten. Hiermit sollen ein Abgleich wie auch eine vertiefte Beschäftigung mit den Inhalten der Fächer und der Leitperspektiven des Bildungsplans 2016 benutzerfreundlich ermöglicht werden. Wird dabei auf eine inhalts- oder prozessbezogene Kompetenz des Bildungsplans 2016 verwiesen, werden die dort aufgeführten Verweise, insbesondere zu den Leitperspektiven, nicht wiederholt. Außerdem dienen die Verweise der Verknüpfung innerhalb des Bildungsplans zwischen Fächern und Lebensfeldern, der Verknüpfung von unterrichtlichen Themen innerhalb eines Faches sowie fächerübergreifendem Arbeiten.
Alle Verweise sind mithilfe von Symbolen gekennzeichnet und ermöglichen in der digitalen Version eine direkte Verlinkung miteinander.
Abbildung 5: Spaltenraster aus den Kompetenzfeldern (© Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg)
In der konkreten Arbeit der Schulen ist die Spaltentabelle nicht im Sinn einer Reihenfolge („von oben links nach unten rechts“) zu verstehen, sondern im Sinn einer vernetzten Struktur, deren Felder sich vielfältig aufeinander beziehen.
Ein Einstieg in die Erarbeitung des Schulcurriculums oder eines Stufenprofils ist daher ebenso wie die konkrete Unterrichtsplanung von jedem Feld aus möglich.
Damit ist es Aufgabe der Schule, der Lehrkräfte und der multiprofessionellen Teams, den Unterricht und das Schulleben so zu gestalten, dass die Kompetenzen erworben werden können, wie sie in den Kompetenzfeldern mit der Verflechtung der Lebensfelder und Fächer verdeutlicht werden. Inhaltsbezogene und prozessbezogene Kompetenzen aus unterschiedlichen Unterrichtsfächern werden in Kombination mit überfachlichen Kompetenzen, die den Lebensfeldern zugeordnet sind, handlungsorientiert und ganzheitlich angewandt, reflektiert und ausgebaut.
3 Die Schülerschaft, Schule und Unterricht im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
3.1 Die Schülerschaft im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
Die Schülerschaft im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung umfasst ein breites Spektrum: Schülerinnen und Schüler mit komplexen Behinderungen zählen ebenso dazu wie Schülerinnen und Schüler im Grenzbereich zum Förderschwerpunkt Lernen. Sie verfügen über sehr unterschiedliche Kompetenzen. Für eine gelingende Bildung und Teilhabe in ihren individuellen Lebenswelten entwickelt die Schule unterschiedliche, ihrem jeweiligen Bedarf entsprechende Unterstützungs-, Bildungs- und Begleitangebote. Dadurch rücken einerseits Barrieren in den Blick, andererseits aber auch die Hilfen und Unterstützungen, von denen es entscheidend abhängt, wie gut die jungen Menschen Aktivität und Teilhabe im Alltag weitestgehend eigenständig realisieren können.
Die Lehrkräfte beachten, dass der Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ein Verhältnis des einzelnen Menschen zu Erwartungen, Anforderungen, Normen, Unterstützungsmöglichkeiten und Ressourcen ausdrückt. Sie berücksichtigen, dass geistige Behinderung vor dem Hintergrund des oben beschriebenen bio-psycho-sozialen Modells von Behinderung auf der Basis der ICF-CY immer relativ ist und subjektiv erlebt wird. Dabei spielt die Orientierung am Lebensalter und den damit verbundenen Entwicklungsaufgaben eine stets einzubindende Rolle.
Beeinträchtigungen der Körperfunktionen zeigen sich bei der Schülerschaft im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung insbesondere im Bereich der Kognition und hinsichtlich der exekutiven Funktionen. In Verbindung damit können spezifische (mentale) Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Wahrnehmung, Verarbeitung, Steuerung von Bewegung oder Kommunikation betroffen sein. Des Weiteren können Beeinträchtigungen im Bereich des Sehens, Hörens und der Motorik vorliegen, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Eine fundierte Diagnostik in diesen Bereichen ist erforderlich, um darauf aufbauend die notwendige Unterstützung (zum Beispiel Hilfsmittel, angepasstes Material- und Lernangebot) bei der Planung von Bildungsangeboten einbeziehen zu können. Die Berücksichtigung der Bildungspläne der jeweiligen Förderschwerpunkte ist dabei von großer Bedeutung.
Bei einem Teil der Schülerschaft im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung zeigen sich zusätzlich Beeinträchtigungen der psychosozialen Funktionen und damit möglicherweise verbundene psychische Beeinträchtigungen.
Auf der Ebene von Aktivität und Teilhabe ist es Aufgabe der Schule und der Lehrkräfte, diesen oben genannten Beeinträchtigungen und den daraus resultierenden individuellen Bedarfen der Schülerinnen und Schüler in der Planung und Ausgestaltung von Bildungsangeboten und Unterrichtssituationen Rechnung zu tragen. Dies gilt
- bei der Planung und Strukturierung von Lernprozessen
- beim Durchhaltevermögen im Lernprozess
- bei der Einstellung auf wechselnde Anforderungen
- beim Aufbau von Wissen
- bei der Entwicklung von Lernstrategien
- bei der Regulation des Verhaltens und der Selbststeuerung
- bei der sozialen Interaktion
- bei der Kommunikation
- bei der Selbstbestimmung
- bei der selbstständigen Lebensführung
- …
Diagnostizierte Beeinträchtigungen der Körperfunktionen und -strukturen bestimmen die Unterstützungsmöglichkeiten mit ihren Auswirkungen auf Aktivität und Teilhabe nicht linear oder statisch. Deswegen richten sich alle Bildungsangebote am Bedarf jedes einzelnen Kindes oder Jugendlichen aus. Anforderungen und Unterstützungsmöglichkeiten werden individuell geplant, gestaltet, dokumentiert und reflektiert. Dies spiegelt sich im Bildungsplan in den Teilen B und C durch die Beschreibung von Kompetenzspektren wider, mit denen den Bedarfen der Schülerinnen und Schüler mit komplexer Behinderung bis hin zu Schülerinnen und Schüler im Grenzbereich zum Förderschwerpunkt Lernen begegnet wird. Auch die Bildungspläne anderer Förderschwerpunkte werden bei der differenzierten Betrachtung berücksichtigt und bei der Gestaltung der Bildungsangebote nach Bedarf einbezogen.
3.2 Grundsätze für die Gestaltung eines Bildungsangebots im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
3.2.1 Die individuelle Lern- und Entwicklungsbegleitung als Ausgangspunkt für das Bildungsangebot im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
Kennzeichen sonderpädagogischer Arbeit im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung ist die Orientierung an den individuellen Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerin und des einzelnen Schülers, welche die multifaktorielle Symptomatik der Behinderung und Beeinträchtigung erfasst und systematisch, zum Beispiel auf der Basis der ICF-CY, dokumentiert. Durch die Identifizierung förderlicher und hemmender Faktoren können individuelle Lern- und Entwicklungsprozesse angelegt und ein passgenaues sonderpädagogisches Bildungsangebot gestaltet werden.
Auf der Grundlage der prozesshaft und dialogisch angelegten sonderpädagogischen Diagnostik und der kooperativen Bildungsplanung (siehe Kapitel 1.4), werden unterrichtliche und außerunterrichtliche Bildungsangebote geplant, durchgeführt und reflektiert. Diese können in individualisierter Form, im Unterricht in einer Lerngruppe, aber auch innerhalb des Schullebens für die gesamte Schülerschaft umgesetzt werden.
3.2.2 Pädagogische Haltung und Beziehungsgestaltung
Die Lehrkräfte verfügen über die Kompetenz, die subjektive Bedeutsamkeit des Verhaltens ihrer Schülerinnen und Schüler professionell nachzuvollziehen, und sind bemüht, sie in ihren Ausdrucksmöglichkeiten zu verstehen. Dabei erleben die Schülerinnen und Schüler, dass sie mit ihrer jeweiligen Entwicklung als grundsätzlich kompetent anerkannt werden und den Bildungsweg aktiv mitgestalten können. Unterstützung und Hilfestellungen haben stets die Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten und zunehmende Eigen- und Mitverantwortung zum Ziel. Die Schülerinnen und Schüler können schulische Angebote dann besonders erfolgreich nutzen, wenn sie ihre Kompetenzen zur Lösung von subjektiv bedeutsamen Aufgaben und Fragestellungen einsetzen können und sich selbst als aktiv und als Teil der Gemeinschaft und Gesellschaft erleben.
Insbesondere Schülerinnen und Schüler mit besonderen Ausgangslagen im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung erhalten durch eine intensive persönliche Zuwendung die Sicherheit, sich auf das schulische Lernen einlassen zu können. Vor allem nach Misserfolgserfahrungen, die möglicherweise verinnerlicht oder generalisiert wurden, kann eine stabile, Krisen standhaltende und unabhängig von Leistung bestehende Beziehung einen neuen Zugang zu schulisch vermittelten Inhalten schaffen.
Die auch hinsichtlich der jeweiligen biografischen, sozialen und soziokulturellen Erfahrungen hohe Heterogenität der Schülerschaft im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung verlangt individuelle Zugangsweisen und Beziehungsangebote. Im Umgang mit Schülerinnen und Schülern ohne oder mit schwer verständlicher Lautsprache sind geeignete Kommunikationsformen und -mittel für einen stabilen, wertschätzenden Beziehungsaufbau und das Lernen unabdingbar. Bei Schülerinnen und Schülern mit komplexer Behinderung, die oft wenig Möglichkeiten haben, selbstständig Beziehungen anzubahnen, aufzubauen und aufrecht zu erhalten, gilt es, kleinste Verhaltensänderungen, Beziehungs- und Kommunikationsangebote und Äußerungen sensibel wahrzunehmen, zu interpretieren und adäquate Antworten zu finden.
Auch wenn dieser Beziehungsaufbau noch nicht oder erst ansatzweise gelingt, versuchen die Lehrkräfte, die Anliegen, Motive und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler zu entdecken und zu verstehen, um auf dieser Grundlage intentional handeln und antworten zu können. Dies verlangt die Kompetenz, zwischen Person und Verhalten unterscheiden und auch in herausfordernden Situationen die Beziehung zur Person aufrecht erhalten zu können. Im Vordergrund stehen eine mehrperspektivische und ganzheitliche Wahrnehmung der oder des Einzelnen sowie das Verständnis der zugrundeliegenden Sinnstruktur. Den Lehrkräften ist bewusst, dass ihre Wahrnehmungen gegebenenfalls einseitig, unvollständig, beeinflusst sein und missverstanden werden können und ihr Verstehen eines anderen Menschen stets eine Annäherung bleibt.
Ein wertschätzendes Lernklima trägt dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler eine positive Haltung zum Lernen in der Gruppe, zu Bildungsangeboten und den damit verbundenen Anforderungen unterschiedlicher Art entwickeln. Eine tragfähige Beziehungsgestaltung ist hierfür Grundlage.
Die Lehrkraft bewahrt sich die Offenheit für bisher nicht gezeigte und deshalb vielleicht auch unerwartete Fähigkeiten, Kenntnisse, Leistungen, Ausdrucksformen und Potenziale der Schülerinnen und Schüler, die mit den bisher erlebten Eindrücken und Erkenntnissen nicht immer übereinstimmen. Dies kann auch bedeuten, sich auf zunächst fremd erscheinende Kommunikationsangebote einzulassen und auf diese konstruktiv zu reagieren. Dabei können auch Zeiten vermeintlicher Stagnation auftreten. Personale Kontinuität leistet dabei einen wesentlichen Beitrag für eine vertraute, verlässliche und kontinuierliche pädagogische Beziehung im Rahmen von ILEB.
Die Qualität der Beziehungsgestaltung und das Verstehen des jungen Menschen haben eine hohe Bedeutung für die Wirksamkeit aller Bildungsangebote. Die Lehrkräfte sorgen durch eine kontinuierliche und mehrperspektivische Reflexion ihres erzieherischen Verhaltens, der eigenen Haltung und der Interaktionsprozesse für ein wertegebundenes, respektvolles und vertrauensvolles Miteinander – mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen genauso wie mit deren Eltern und weiteren Beteiligten. Sie geben diesem Prozess und sich selbst dazu den notwendigen Raum und die dafür erforderliche Zeit und nutzen nach Bedarf und Möglichkeit Angebote wie Supervision oder kollegiale Beratung.
3.2.3 Selbstbestimmung in sozialer Verantwortung
Der Unterricht im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung verfolgt das Ziel, die Schülerinnen und Schüler in ihren Möglichkeiten der Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme zu stärken und Abhängigkeiten zu verringern. Dafür werden ihnen wichtige Informationen als Entscheidungsgrundlage in für sie verständlicher Form zur Verfügung gestellt.
Die Schülerinnen und Schüler werden befähigt, sich zu informieren, für sich selbst zu entscheiden und diese Entscheidungen auf die je eigene Art und Weise zu kommunizieren. Die Schule und die Lehrkräfte schaffen daher vielfältige und dem Bedarf und den Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler entsprechende Möglichkeiten zur Kommunikation und Mitbestimmung. Es geht um eine Erweiterung der Entscheidungs-, Kommunikations- und Handlungsfähigkeit zur emanzipierten und mündigen Gestaltung des eigenen Lebens unter Berücksichtigung der sozialen Verantwortung jeder und jedes Einzelnen. Die Schule akzeptiert und unterstützt selbstbestimmt gesteuerte Handlungen und respektiert Wünsche und Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler. Hierfür finden sie im sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrum, in kooperativen Organisationsformen und in inklusiven Bildungsangeboten Freiräume und freie Zeiten.
3.2.4 Kommunikation
Im kommunikativen Austausch mit anderen erfolgt die Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Kommunikation ist von existenzieller Bedeutung für Identitätsentwicklung, sozialen Austausch, Beziehungsgestaltung, Selbstbestimmung und Kompetenzerwerb und findet daher in jedem Bildungsangebot Berücksichtigung. Dabei sind bei vielen Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung neben der Verbalsprache weitere Kommunikationsformen für die Verständigung von großer Bedeutung. Aufgabe der Lehrkräfte ist es, die kommunikativen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in den jeweils möglichen Formen zu unterstützen und zu erweitern. Dafür ist es von grundlegender Bedeutung, dass die Unterstützung der Kommunikation immanent im Unterricht und im (Schul-)Alltag eingebunden ist und in den Lebensalltag integriert wird. Eine konzeptionelle Verankerung von Kommunikation einschließlich Unterstützter Kommunikation (UK) im Schulcurriculum und eine konsequente Umsetzung im Schulhaus (zum Beispiel visuelle und akustische Orientierungshilfen) sind dafür unabdingbar. Ebenso brauchen unterstützt Kommunizierende Vorbilder für den Einsatz ihrer UK-Sprache. Die Mit-Benutzung der Kommunikationshilfe durch alle Bezugspersonen („Modelling“) ist daher eine besonders wichtige Aufgabe im Unterricht. Die didaktisch-methodische Gestaltung und der Einsatz von Methoden und Mitteln der Unterstützten Kommunikation schaffen durchgängig ergänzende beziehungsweise alternative Ausdrucksmöglichkeiten zur Verbalsprache.
Ein Schwerpunkt der konzeptionellen Verankerung von Kommunikation im Schulcurriculum ist auch die Unterstützung der dialogischen Interaktion zwischen den Schülerinnen und Schülern.
3.2.5 Elementarisierung und Aneignungsmöglichkeiten
Damit alle Schülerinnen und Schüler ihre Kompetenzen erweitern können, bieten die Lehrkräfte die Lerninhalte auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen an. Ausgangspunkt dafür ist eine fachwissenschaftliche und fachdidaktische Auseinandersetzung mit den Bildungsinhalten. Darauf aufbauend kann mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler eine Elementarisierung und Individualisierung vorgenommen werden. Der Bildungsgehalt wird auf diese Weise für deren Lernprozesse zugänglich und nutzbar gemacht und erlangt somit subjektive Bedeutung.
Die konkreten Themen des Unterrichts berücksichtigen die elementaren und fundamentalen Aspekte in der didaktischen Analyse. Am besonderen Beispiel wird ein dahinterliegendes allgemeines Prinzip verdeutlicht; grundlegende Einsichten werden auf einprägsame Weise gewonnen. Im Lernen am gemeinsamen Gegenstand findet jede Schülerin, jeder Schüler den je eigenen Ansatz, um sich mit den angebotenen Inhalten auseinanderzusetzen, und nutzt dabei bestimmte Aneignungsmöglichkeiten vorrangig, um zu lernen und sich Kompetenzen anzueignen.
Den Lehrkräften sind bei der Darbietung von Bildungsinhalten die individuell unterschiedlichen Zugänge durch verschiedene Aneignungsmöglichkeiten bewusst:
- Die „basal-perzeptive“ Aneignung beschreibt, dass Menschen die Welt – einschließlich des eigenen Körpers – und deren Form, Beschaffenheit und Gestalt erleben, erkunden, kennen lernen und sich zu eigen machen, indem sie fühlen, schmecken, sehen, riechen, hören und erfahren. Dies ist eine grundlegende, also „basale“ Möglichkeit der aktiven Aneignung, über die jeder Mensch verfügt und sie zeitlebens nutzt. Zu den basalen Aneignungsmöglichkeiten gehört auch die der (Selbst‑)Bewegung, also der Freude an bekannten und neuen Bewegungsmöglichkeiten, die auch neue Möglichkeiten der Wahrnehmung der Welt erschließen. Die Aufbereitung von Bildungsinhalten für einen basal-perzeptiven Zugang erfordert einen Prozess, in dem das Fundamentale, Elementare einer Sache als solches erlebbar und verstehbar gemacht wird – es geht auch um das „Finden“ von thematischen Repräsentanten. Dies können Gegenstände, aber auch Erlebnisformen wie das Schwingen oder das Eingebundensein in sinnliche Erzählungen sein. Gegebenenfalls ist dies bei abstrakten Themen nicht oder nur für Teilaspekte möglich und sinnvoll. Dann ist es notwendig, dass die Erlebensmomente in einen inhaltlichen Kontext (zum Beispiel über Storytelling) eingebettet werden.
- „Konkret-gegenständliche“ Aneignung beschreibt Bildung durch äußerlich sichtbare Aktionen beziehungsweise Handlungen im Umgang mit Dingen und Personen. Dazu gehören einerseits Entdecken von vielfältigen in der Welt und unserer Kultur vorhandenen Wirkungen und Effekten, die Wiederholung der entsprechenden Aktivität und das manipulierende Erkunden von Gegenständen, Pflanzen, Tieren und Menschen. Gemeint ist hier aber auch die Ausbildung und Nutzung praktischer Fertigkeiten durch die zweckmäßige, adäquate Handhabung von Gegenständen und die Orientierung an sozialen Regeln.
- Die „anschauliche“ Aneignung beschreibt, dass Menschen sich von der Welt, von Ereignissen, Personen, Gegenständen und Zusammenhängen und vom eigenen Handeln ein „Bild“ machen und dass sie anschauliche Darstellungen, Modelle oder Ähnliches in ihrem Bildungsprozess nutzen und verstehen. Sie können beispielsweise im Rollenspiel ihre Vorstellungen von Ereignissen und Personen darstellen und mithilfe der Anschauung Probleme lösen, auf dieser Grundlage Neues erproben und erkunden sowie etwas nach eigenen Ideen gestalten.
- „Abstrakt-begriffliche“ Aneignung beschreibt Bildung durch Sprache und abstraktes Denken. Sie beschreibt, dass Objekte, Informationen und Zusammenhänge nicht nur konkret und anschaulich, bildlich und spielerisch, sondern auch von der Anschauung abstrahiert und begrifflich (mithilfe von Symbolen und Zeichen) wahrgenommen, erkundet, erfasst, benannt und verstanden werden. Eine gedankliche Auseinandersetzung mit Inhalten gelingt hier auch ohne konkrete Anschauung. Erkenntnisse werden auf gedanklichem Weg gewonnen. Zudem werden die Schülerinnen und Schüler zur Reflexion über Gelerntes sowie auch zur persönlichen Positionierung zu Themen und Sachverhalten angeregt.
Die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Aneignungsmöglichkeiten schafft die Voraussetzung dafür, dass sich Schülerinnen und Schüler mit ganz unterschiedlichen Lernvoraussetzungen mit Bildungsinhalten beschäftigen und sich diese aneignen können. Die einzelnen Schülerinnen und Schüler sind nicht auf eine Aneignungsmöglichkeit festgelegt, sondern können vielmehr je nach Vorerfahrung im jeweiligen Thema von unterschiedlichen Impulsen profitieren. Unterschiedliche Wege und Möglichkeiten dienen dazu, sich Inhalte auf individuell bedeutsame Weise anzueignen.
Bei allen Methoden und Organisationsformen des Unterrichts kommen Differenzierungsmaßnahmen zum Einsatz, ob von der Lehrkraft gesetzt oder von der Schülerin oder dem Schüler gewählt. Aufgabe der Lehrkräfte ist es abzuwägen, wann gegebenenfalls unterschiedliche Lerngegenstände bearbeitet werden und wann der gemeinsame Lerngegenstand als verbindendes Element im Fokus steht. Schülerinnen und Schüler mit auch kognitiv sehr unterschiedlichen Kompetenzen und Beeinträchtigungen erhalten so die Möglichkeit, von einem kooperativ ausgerichteten Unterricht auch in heterogenen Gruppen zu profitieren und an den gleichen Bildungsinhalten teilzuhaben. Die unterrichtliche Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler am gemeinsamen Lerngegenstand verbindet somit differenzierte Lernimpulse und den Kompetenzerwerb auf unterschiedlichen Aneignungsebenen. Hierbei spielen Medien eine bedeutende Rolle, sowohl bei ihrer Auswahl als Mittel der Informationsgewinnung und Wissensaneignung als auch als Lerngegenstand selbst.
3.2.6 Lebensweltorientierung, Anwendungsbezug und Handlungsorientierung
Die Lehrkräfte berücksichtigen für die lebensweltorientierten Bildungsangebote sowohl die individuellen Lebensbedingungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler wie auch die allgemeine, soziale Situation der Gesellschaft mit ihren kulturell bedeutsamen Werten, Vorstellungen und Inhalten.
Diese individuellen Lebensbedingungen setzen sich, wenngleich nicht ausschließlich, zusammen aus der Lebensgeschichte, der gegenwärtigen Lebenssituation sowie der Lebensperspektive der einzelnen Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Jeweils konkrete Bedingungen der Schülerinnen und Schüler sind zugleich allgemeine Grundmuster menschlicher Existenz. Sie sind gesellschaftlich, historisch und kulturell bestimmt. Die Bildungsinhalte spiegeln daher Grundsituationen menschlicher Existenz wie Wohnen, Spielen, Arbeiten, Schrift und Zahl, Bewegung oder Pflege wider. Die Orientierung am Lebensalter muss bei der Wahl der thematischen Unterrichtsinhalte ein entscheidendes Kriterium sein, ohne im Widerspruch zu einem entwicklungsorientierten Vorgehen zu stehen. Die nach den Prinzipien der lebensweltorientierten Bildung ausgewählten Inhalte werden entwicklungs- und ressourcenorientiert für die einzelne Schülerin, den einzelnen Schüler aufbereitet. Dies ermöglicht im Sinne der Entwicklungsorientierung oftmals die Einbeziehung und Nutzung von Materialien und Konzepten zum Beispiel aus der allgemeinen Pädagogik.
Vor diesem Hintergrund achtet die Schule auf den Anwendungsbezug von Unterrichtsthemen und ermöglicht den Schülerinnen und Schülern die Bewältigung von authentischen Anforderungssituationen. Dabei erwerben sie Kompetenzen, um sich im alltäglichen Leben und in zukünftigen Lebenssituationen mit möglichst wenig Unterstützung zurechtfinden zu können. Projekte, Schulfirmen und Beteiligung an außerschulischen Veranstaltungen sind beispielhafte Möglichkeiten, solche Bewährungssituationen zu schaffen. Gerade hier wird die Bedeutsamkeit der Verschränkung von Lebensfeldern und Unterrichtsfächern für das Lernen von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung deutlich. Diese schulischen und außerschulischen Lehr-Lern-Arrangements kommen den Schülerinnen und Schülern insofern entgegen, da in motivierenden Situationen Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht werden. Sie werden begünstigt durch Grundformen der Selbstorganisation, einen hohen Grad an Eigenverantwortung und somit Aktivierung der Schülerinnen und Schüler. Alltagsbezogenen Problemstellungen können Schülerinnen und Schüler zumeist mit besonderer Wachheit und Aufmerksamkeit, Aktivität und gezielten Handlungsabsichten begegnen. Die Lehrkräfte erkennen dies und unterstützen die Schülerinnen und Schüler im Handlungsprozess, um jeweils bewältigbare Herausforderungen zu gestalten. Dies kann bei Schülerinnen und Schülern mit komplexer Behinderung beispielsweise bedeuten, wiederholende Handlungsmuster aufzugreifen, diese in neue Zusammenhänge einzubinden oder erste Variationen anzubieten.
Lebenswelt- und Handlungsorientierung ermöglichen es, sowohl zielgleich als auch zieldifferent im Sinn des Lernens am gemeinsamen Gegenstand zu arbeiten und sind daher in allen Unterrichtsformen von Bedeutung. Die Schülerinnen und Schüler erhalten an jedem Lernort die Möglichkeit, auch überfachliche Kompetenzen zu erwerben und in lebensbedeutsamen Situationen individuell umzusetzen. Die Lehrkräfte beachten dabei, dass der individuelle Kompetenzerwerb von „außen“ nicht immer direkt beobachtbar und Teil eines subjektiven Sinnbildungsprozesses ist. Andererseits erhalten die Lehrkräfte durch die Beobachtung der sichtbaren Handlungen Hinweise auf die Denkprozesse ihrer Schülerinnen und Schüler.
Die Lehrkräfte wissen um die hohe Bedeutung, die Handlungen für Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung haben, um Bedürfnisse, Wünsche, Willen sowie erworbenes Wissen gegebenenfalls auch ohne Verbalsprache auszudrücken. Sie unterstützen die Schülerinnen und Schüler dabei, Handlungen in ihrer gesamten Struktur (Orientierung, Planung, Durchführung, Kontrolle) zu bewältigen und dabei erforderlichenfalls selbstbestimmt auf Assistenz zurückzugreifen. Teilweise kann dabei zu Beginn eines Lernprozesses eine Einleitung und Unterstützung der Handlung durch die Lehrkraft nötig sein.
3.2.7 Ressourcenorientierung
Die Lehrkräfte wissen aufgrund diagnostischer Erkenntnisse, über welche Ressourcen zum Lernen die einzelnen Schülerinnen und Schüler verfügen. Ressourcenorientierung bedeutet daher die Abstimmung zwischen den Lernarrangements einerseits und den Möglichkeiten der Schülerinnen und Schüler andererseits. Dabei werden Schwächen, ein Nicht-Können, ein Nicht-mehr-Können oder ein Noch-nicht-Können nicht geleugnet. Im Zentrum stehen jedoch die vorhandenen Kompetenzen und Stärken und der Auftrag, hieran anzuknüpfen. Weitere Ressourcen der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers (zum Beispiel besondere Interessen oder Fähigkeiten und damit Zugänge zu interessanten Lernfeldern) wie auch Ressourcen in seinem Umfeld (etwa Familie, Netzwerk, kommunale Projekte und Einrichtungen, Kontakte zu Firmen oder Vereinen) können insbesondere für die Gestaltung der Lernarrangements eine hohe Bedeutsamkeit haben.
Die Lehrkräfte greifen im Unterricht auf Prinzipien zurück, die es ermöglichen, die vorhandenen Ressourcen der einzelnen Schülerinnen und Schüler möglichst effektiv für das Lernen zu nutzen. Beispielsweise achten die Lehrkräfte auf eine Entlastung des Arbeitsgedächtnisses durch Strukturierungsmaßnahmen oder durch bekannte Methoden und Aufgabenformate. Wiederholung, Lernen in Alltagshandlungen, Ritualisierung, direkte Instruktion, redundanzreiches Lernen, Vorgehen vom Konkreten zum Abstrakten, eindeutige Darstellung und die Verwendung von Vorstellungs- und Erinnerungsstützen stellen weitere denkbare Gestaltungsprinzipien ressourcenorientierten Unterrichts dar.
3.2.8 Einbezug pflegerischer und therapeutischer Aspekte
Verbunden mit den individuellen Bedarfslagen der Schülerinnen und Schüler entstehen in der Schule auch Aufgaben, die dem Bereich der Selbstversorgung und der Pflege zuzuordnen oder im Zusammenhang mit therapeutischen Maßnahmen zu sehen sind. Sowohl in inklusiven Bildungsangeboten, in kooperativen Organisationsformen als auch in den sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren werden die hierfür notwendigen Voraussetzungen geschaffen.
Bildung und Erziehung, Therapie und Pflege verfolgen mit unterschiedlichen Professionen jeweils eigenständige Ziele, wobei diese von der Schülerin oder dem Schüler im jeweiligen Kontext als Gesamtkonzept erlebbar werden. Die jeweiligen Fachkräfte haben dies zu berücksichtigen und miteinander zu vereinbaren. Das bedeutet, dass Ziele und Konzepte der Pflege und Therapie, die teilweise innerhalb, aber auch außerhalb der Schule realisiert werden, mit den schulischen Zielen und Konzepten wechselseitig abgestimmt sind, um insgesamt für die Schülerinnen und Schüler eine Aktivität und Teilhabe in einem individuell höchstmöglichen Maß zu ermöglichen.
Im Schulalltag wird an allen Lernorten sichergestellt, dass der jeweils individuelle pflegerische Bedarf der Schülerinnen und Schüler durch eine respektvolle Pflege in einer die Intimität wahrenden Pflegesituation eingelöst wird. Der Beitrag zu einer umfassenden Bildung liegt darin, dass Pflege einerseits notwendige Voraussetzungen für den Unterricht schafft und andererseits die Schülerinnen und Schüler unterstützt, je spezifische Lebens- und Problemlagen zunehmend selbstständig zu bewältigen.
Bildungschancen liegen hier insbesondere in der Beziehungsgestaltung, in der Erfahrung des Körpers und der Welt durch Wahrnehmungsangebote, in der Ermöglichung von Autonomie sowie in der Förderung der Selbstständigkeit und der Kommunikation. Diesem Anliegen tragen insbesondere die Lebensfelder Personales Leben und Selbstständiges Leben Rechnung.
3.3 Leistungsdokumentation, Leistungsfeststellung, Leistungsbeurteilung
Das Erheben und Beschreiben des Leistungsstands, die Leistungsfeststellung und die Leistungsrückmeldung sowie die Leistungsbeurteilung sind in allen Fällen kompetenzorientiert. Ausgangspunkt aller Formen der Leistungsfeststellung bilden die in der kooperativen Bildungsplanung im Rahmen von ILEB vereinbarten Lernziele beziehungsweise Kompetenzen. Durch die verschiedenen Formen der Leistungsdokumentation, -feststellung und -beurteilung (zum Beispiel Kompetenzraster, Entwicklungsspiegel, Lerngespräch, Schülerzeugnisse, Schülerrückmeldung, Schülerportfolio, Zeugnisse) erhalten die Schülerin beziehungsweise der Schüler und alle am Lernprozess beteiligten Akteure kontinuierlich Rückmeldungen darüber, welche Kompetenzen bereits erworben wurden und welche in weiteren Schritten noch erworben werden.
In diesem Prozess werden entsprechende Voraussetzungen dafür geschaffen, um die Schülerinnen und Schüler möglichst weitgehend zu beteiligen. Die Schule entwickelt hierzu institutionalisierte Konzepte, die darauf aufbauen, dass sie Gelegenheit haben, ihre individuellen (zum Beispiel kreativen, sozialen, kognitiven, produktiven) Leistungen zu zeigen und festzustellen.
Über möglichst zahlreiche Gelingens- und Erfolgserlebnisse sowie über eine konstruktive Art, wie mit Fehlern aller Beteiligten umgegangen wird (Fehler- und Rückmeldekultur), machen die Schülerinnen und Schüler die Erfahrung, dass Fehler keine Auswirkung auf das Ansehen und die Wertschätzung der Person nach sich ziehen. Bildungs- und Entwicklungsziele für jede Schülerin und jeden Schüler sind eine realistische Selbsteinschätzung und ein konstruktiver Umgang mit Unterschieden zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung.
Leistung ist ein Konstrukt und wird durch Vereinbarungen definiert, die verschiedene Bezugsnormen berücksichtigen:
- Bei der individuellen Bezugsnorm stellt die eigene vorherige Leistung der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers den Vergleichsmaßstab dar.
- Bei der kriterialen Bezugsnorm findet die Leistungsfeststellung anhand vorab inhaltlich festgelegter Lernziele beziehungsweise Kriterien statt, an denen gemessen wird.
- Bei der sozialen Bezugsnorm erfolgt die Leistungsfeststellung anhand des Vergleichs mit der durchschnittlichen Leistung einer Bezugsgruppe.
Da der Unterricht im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung nach individuellen Bildungszielen erfolgt, richten sich die Leistungsfeststellung und -beurteilung überwiegend an der je eigenen Lernentwicklung der einzelnen Schülerin beziehungsweise des einzelnen Schülers und an den in der individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung gemeinsam vereinbarten Zielen aus. Ausgangspunkt von Leistungsdokumentation, Leistungsfeststellung und -beurteilung ist also die individuelle Bezugsnorm. Dies gilt für den Unterricht an allen Lernorten gleichermaßen. Die Orientierung an der individuellen Bezugsnorm erfolgt anhand vorher vereinbarter Kriterien. Es ist Aufgabe der Schule, sich bezüglich einzelner Lern- und Arbeitsbereiche auf Kriterien von Leistung und Anforderung zu verständigen. In diesem Sinn haben im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung auch kriteriale Bezugsnormen ihre Bedeutsamkeit.
Ausnahmen zur Orientierung an der individuellen Bezugsnorm können Leistungsbeschreibungen im Rahmen von Übergängen ins Erwerbsleben darstellen. Hier kann es je nach Schülerin oder Schüler geboten sein, sich an sozialen Bezugsnormen – also dem Vergleich mit der durchschnittlichen Leistung einer Bezugsgruppe – zu orientieren. Auch hierbei werden die Schülerinnen und Schüler einbezogen.
Die Leistungsbeschreibung im Zeugnis zum Ende des Schuljahres erfolgt in Form einer Beschreibung und Bewertung der Leistungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und unter Bezugnahme auf vereinbarte Leistungskriterien. Grundlage hierfür ist neben der kooperativen Bildungsplanung und der dort vereinbarten Ziele der Bildungsplan mit den beschriebenen Kompetenzspektren in den einzelnen Lebensfeldern und Fächern. Ergänzend findet in den Kollegien im Abgleich mit dem eigenen Schulcurriculum ein Verständigungsprozess statt, inwieweit weitere Kompetenzen bei der Leistungsfeststellung in den Blick genommen und berücksichtigt werden. Handlungsleitend sind hierbei die Aspekte der Lebensweltorientierung, die Lebensperspektiven und der Blick auf die Bedeutsamkeit einzelner Kompetenzen bezüglich der individuellen Teilhabemöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler. Die Schule einigt sich in einem Schulentwicklungsprozess auf ein abgestimmtes konzeptionelles Vorgehen bei der Zeugniserstellung.
3.4 Gestaltung von Übergängen und Anschlüssen
In der Lern- und Entwicklungsbiografie des einzelnen Kindes oder Jugendlichen sind Übergänge besonders wichtige Phasen, die an allen Lernorten durch die beteiligten Fachleute zusammen mit dem jungen Menschen selbst und seinen Eltern besonders aufmerksam und unter Beachtung der jeweiligen Bedarfe, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen gemeinsam geplant und gestaltet werden. Dies trifft auf alle Übergangssituationen zu: Aus der frühkindlichen Bildung in die Schule, beim Wechsel von Schulstufen, Bildungsgängen oder Schulen und beim Übergang in das Leben nach der Schule. Durch die Sicherung von Anschlüssen ins schulische und nachschulische Leben wird eine möglichst umfassende Kontinuität für die Kinder und Jugendlichen ermöglicht. Der intensiven Kooperation mit den Eltern kommt hierbei eine zentrale Bedeutung zu. Zugleich berücksichtigt die Schule Loslösungs- und Verarbeitungsprozesse auf Elternseite, die gegebenenfalls durch Übergänge angestoßen werden und als Spannungsfelder eine gemeinsame Bearbeitung erfordern.
Der Übergang ins nachschulische Leben wird im Rahmen der individuellen Lern- und Entwicklungsbegleitung gemeinsam mit den Jugendlichen und ihnen nahestehenden Menschen bereits in der Hauptstufe vorbereitet und begleitet und in der Berufsschulstufe angebahnt. Vergleichbar gilt dies für die Sekundarstufe in inklusiven Bildungsangeboten. Dies betrifft insbesondere die Bereiche der Eingliederung ins Arbeitsleben und die künftige Wohnsituation, aber auch die Bereiche Freizeit, Freundschaft und Partnerschaft.
Über die eigene Zukunft nachdenken, Wünsche und Vorstellungen entwickeln und diese kommunizieren sind Kompetenzen, die sich im Laufe des Lebens entwickeln und während der gesamten Schulzeit sorgfältig und alters- und entwicklungsangemessen thematisiert und vorbereitet werden. Im Mittelpunkt stehen die Schülerinnen und Schüler mit ihren jeweiligen Vorstellungen, Wünschen, Stärken und Schwächen sowie ihrem persönlichen Assistenzbedarf. Geeignete Medien und Materialien werden den Schülerinnen und Schülern angeboten, damit sie ihren Vorstellungen zur Lebensgestaltung im Rahmen einer persönlichen Zukunftsplanung Ausdruck verleihen können. Dazu zählen auch konkrete Erprobungsfelder (zum Beispiel bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen) und die Dokumentation der dabei gemachten Erfahrungen durch die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte. Für Schülerinnen und Schüler mit komplexer Behinderung können Formen der basalen Kommunikation und die Interpretation von Äußerungen durch eine Fürsprecherin / einen Fürsprecher besondere Bedeutung erlangen.
Bei der Entwicklung einer realistischen Perspektive im Bereich Arbeit und deren Umsetzung werden systematisch und frühzeitig außerschulische Partner (zum Beispiel bei der Begleitung von Hospitationen und Praktika oder in Berufswegekonferenzen) einbezogen. Durch die kooperative Gestaltung des Übergangs beispielsweise mit Betrieben, dem Integrationsfachdienst, Werkstätten, der Agentur für Arbeit und Eingliederungshilfeträgern wird für die Schülerin beziehungsweise den Schüler Kontinuität und nachschulische Begleitung gesichert.
Der Bereich des Wohnens wird während der gesamten Schulzeit vorbereitet. Spätestens in der Berufsschulstufe bietet die Schule die Möglichkeit des Trainingswohnens unter realitätsnahen Bedingungen an.
Um die Schülerinnen und Schüler adäquat auf ihr nachschulisches Leben vorbereiten zu können, arbeiten die Schulen kontinuierlich mit verschiedenen Wohneinrichtungen und offenen Hilfen zusammen und nehmen im Einzelfall frühzeitig Kontakt auf. Die Zusammenarbeit erfolgt entsprechend gemeinsam getroffener Vereinbarungen einzelfall- und zugleich systembezogen.
Mittels schulischer Konzepte zum Eintritt in die Schule, zu Übergängen innerhalb der schulischen Bildung und zu Anschlüssen ins nachschulische Berufs- und Erwachsenenleben arbeitet die Schule konsequent anschlussorientiert.
4 Kooperation als Grundlage sonderpädagogischer Arbeit im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung
4.1 Zusammenarbeit mit Eltern
Eltern und weitere an der Erziehung Beteiligte, zum Beispiel Jugendamt, Heimeinrichtung und weitere Bezugspersonen, sind intensiv in die Zusammenarbeit mit der Schule eingebunden. Im Kontext von ILEB sind sie wichtige Partner. Dies gilt für alle Schritte der Lern- und Entwicklungsbegleitung. Außerdem übernehmen Eltern wichtige Aufgaben in den schulischen Gremien, beispielsweise im Elternbeirat und der Schulkonferenz, sowie in der Vertretung der Schule nach außen und bei gemeinsamen Veranstaltungen wie Schul- und Sportfesten oder Veranstaltungen des Fördervereins.
Das verfassungsgemäße Recht der Eltern bei der Erziehung und Bildung ihrer Kinder bildet die Grundlage für eine enge Kommunikation und Kooperation zwischen Schule und Eltern. Im Sinn einer Erziehungspartnerschaft achtet und respektiert die Schule die elterlichen Sichtweisen, Wünsche und Vorstellungen über die Erziehung und Bildung des Kindes oder des Jugendlichen und ist mit den Eltern und den weiteren an der Erziehung Beteiligten fortlaufend beratend und begleitend im Gespräch.
Für eine konstruktive Zusammenarbeit bedarf es dabei eines besonderen Einsatzes von Seiten der Schule. Ihr fällt die Aufgabe zu, durch eine weitreichende Transparenz schulischer und unterrichtlicher Bemühungen und durch eine möglichst günstige Gestaltung der Kommunikation auf ein partnerschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis hinzuwirken. Von Seiten der Lehrkräfte erfordert diese enge Zusammenarbeit Kenntnisse über die besonderen Herausforderungen der Lebensgestaltung mit einem Kind mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot und Einfühlungsvermögen für spezifische, unter Umständen schwierige Lebenslagen der Familien. Es ist Aufgabe der Lehrkräfte, dies in der Kommunikation mit den Familien zu berücksichtigen und passende Angebote zu initiieren und zu verfolgen. Die Unterstützung durch in unterschiedlichen Kulturen beheimatete Personen kann im Kontakt mit Eltern anderer kultureller Herkunft hilfreich und notwendig sein.
Mit zunehmendem Lebensalter werden auch die Schülerinnen und Schüler selbst an Entscheidungen zur schulischen Bildung beteiligt, insbesondere auch bezüglich der Übergänge in das Berufs- und Erwachsenenleben. Der Prozess der wachsenden Verantwortungsübernahme auf Seiten der Schülerinnen und Schüler braucht die Unterstützung durch alle am Bildungsprozess Beteiligten.
4.2 Multiprofessionelle Zusammenarbeit in der Schule
Die Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot erfahren Schule als Lebensraum, in dem verschiedene Professionen zusammenwirken und kooperieren.
Die Zusammenarbeit im Team zwischen unterschiedlichen Lehrkräften und gegebenenfalls weiteren Fachkräften ist fester Bestandteil des schulischen Alltags. Die Schulleitung verantwortet und unterstützt begünstigende Strukturen für die Zusammenarbeit, beispielsweise mit Schulsozialarbeit, sozialpädagogischer Tagesgruppe, Hort, Erzieherinnen und Erziehern. Gemeinsame Vereinbarungen und Ziele sind hierfür handlungsleitend.
Eine erfolgreiche Zusammenarbeit von sonderpädagogischen Lehrkräften und Lehrkräften der allgemeinen Schule im Rahmen inklusiver Bildungsangebote erfordert fortlaufend Abstimmungsprozesse und Vereinbarungen im Hinblick auf Verantwortlichkeiten, Rollen und die unterrichtlichen Ziele und Inhalte. Eine Kultur der Kooperation der Schulen und ihrer Schulleitungen und institutionalisierte Formen der Kommunikation und der Rückmeldung (zum Beispiel über Kooperationsverträge, regelmäßige Austauschrunden) sind Grundlagen dafür und unterstützen die konkrete Zusammenarbeit der Lehrkräfte. Die jeweilige Fachlichkeit des Gegenübers wird wertgeschätzt und trägt zu einer Erweiterung der Kompetenzen des Teams sowie der Kollegien und zur Schul- und Unterrichtsentwicklung der allgemeinen Schule und des sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums bei. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Teilhabemöglichkeiten der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers erstreckt sich die Zusammenarbeit von gegenseitiger Beratung bis hin zum gemeinsamen Unterricht im multidisziplinären Lehrkräfteteam. Dies gilt auch für die Zusammenarbeit von sonderpädagogischen Lehrkräften unterschiedlicher Förderschwerpunkte, welche sich insbesondere auf diagnostische und förderschwerpunktspezifische Fragestellungen, Planung von Bildungsangeboten und die gemeinsame konkrete Unterrichtsplanung und -gestaltung erstreckt.
4.3 Interdisziplinäre Zusammenarbeit im Sozialraum
Die Schule initiiert und pflegt ein Netzwerk mit verschiedenen Institutionen. Sie öffnet sich nach innen und außen und schafft dadurch erweiterte Handlungs- und Erprobungsfelder für ihre Schülerinnen und Schüler im außer- und nachschulischen Bereich, wie zum Beispiel in Kirchengemeinden, Religionsgemeinschaften, Vereinen und bei kulturellen Angeboten. Ebenso profitiert die Schule von multiprofessionellen Sichtweisen, den Unterstützungsstrukturen und der Präsenz im Sozialraum. Dies geschieht, indem die Schule mit den Partnern und im jeweiligen Gemeinwesen nachhaltige Beziehungen und angemessene Kontakte, Konzepte und Netzwerke entwickelt und die Eltern, aber auch die Schülerinnen und Schüler selbst dabei einbezieht. In diesen Netzwerken finden sich insbesondere vorschulische, schulische und nachschulische Einrichtungen (zum Beispiel Frühförderstellen, Kindertageseinrichtungen und Schulkindergärten, allgemeine Schulen, Agentur für Arbeit, Betriebe und Werkstätten, Wohnangebote), Ämter und Behörden (zum Beispiel Sozialamt, Jugendamt, Gesundheitsamt, Polizei), psychologische Beratungsstellen und medizinisch-therapeutische Dienste (zum Beispiel Sozialpädiatrische Zentren, Kinder- und Jugendpsychiatrien sowie logopädische, physiotherapeutische und ergotherapeutische Praxen).