Suchfunktion
1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb
Die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung fördert religiöse Bildung und leistet im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule einen eigenständigen und vielseitigen Beitrag. Sie ermöglicht es, die Bedeutung des Korans und des Propheten Muhammad für ein zeitgemäßes islamisch geprägtes Leben zu entdecken und im islamischen Glauben eine Hilfe zur Deutung und Gestaltung des eigenen Lebens zu finden. Dabei informiert sie nicht nur über den islamischen Glauben und seine Traditionen, sondern bahnt auch die Möglichkeit für Glauben als Einstellung, Haltung und Lebenspraxis in unserer heutigen Zeit an. Sie eröffnet den Schülerinnen und Schülern Zugänge zur islamischen Religion, unterstützt sie auf der Suche nach dem eigenen Lebenssinn und trägt zu einer selbstbestimmten religiösen Identitätsbildung bei. Die Islamische Religionslehre ist offen für Schülerinnen und Schüler verschiedener islamischer als auch anders religiöser sowie nichtreligiöser Prägungen und Überzeugungen und beteiligt sich dadurch an der Verständigung in der pluralen Gesellschaft.
1.1 Bildungswert des Faches Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung
Für die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung gilt, dass sie sich als schulisches Lehrfach an den grundlegenden Aufgaben von Schule orientiert, die unter anderem auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Gestaltungsfähigkeit mit Blick auf das eigene Leben in sozialer Verantwortung und die Fähigkeit in der demokratischen Gesellschaft mitzuwirken zielt. Darüber hinaus ist die Islamische Religionslehre ein bekenntnisorientierter Unterricht, der die Frage nach Gott thematisiert und nach Wegen zum Glauben eröffnet und zum ganzheitlichen Denken und Handeln motiviert. Dabei greift sie das Bedürfnis der Schülerinnen und Schüler nach Orientierung, Identitätsbildung und Konzeption des Lebens auf, schärft den Blick für das Wesentliche in Glaube und Leben und will auf der Grundlage des Islam Antworten und Impulse für ein selbstbestimmtes und selbstverantwortetes religiöses Leben anbieten. Im Mittelpunkt der Islamischen Religionslehre stehen darum existenzielle Fragen, die entscheidend für den eigenen Lebensentwurf, die eigene religiöse und spirituelle Verortung, die eigene Deutung von Wirklichkeit und die individuellen religiösen und ethischen Handlungsoptionen sind und somit Grundlage gleichberechtigter Teilhabe an Gemeinschaft und Gesellschaft sowie konstruktiver Gestaltung des Lebens darstellen.
Die Islamische Religionslehre gewinnt ihre Standpunkte aus den Primärquellen und der reichhaltigen Tradition des Islam und geht gleichzeitig von der konkreten Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler aus. Dabei orientiert sie sich gemäß koranischer Formulierung am regulativen Maß der in der Mitte stehenden Gemeinschaft (Sure 2, Vers 143) [1], stellt sich den Herausforderungen der modernen Zeit und bietet den Schülerinnen und Schülern ethische, religiöse und zugleich der kritischen Reflexion offene Denk- und Handlungsoptionen an.
Die Islamische Religionslehre ermöglicht Zugänge zu den gegebenen Glaubensgrundlagen, Normen und ethisch-praktischen Vorschriften des Islam und stellt diese in Zusammenhang mit den pluralistischen Lebensbedingungen der Gegenwart. Sie thematisiert aus diesem Grund elementare Aspekte der Religion, die das alltägliche Leben sowie ein respektvolles, achtsames, tolerantes und gleichberechtigtes Miteinander und die Deutung und Gestaltung des Lebens insgesamt betreffen.
Darüber hinaus setzt sie sich für Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit sowie für Freiheit und Demokratie ein, sucht unter Berücksichtigung der verfassten gesellschaftlichen Grundlagen nach grundlegenden Übereinstimmungen in Fragen der Ethik über die Grenzen von Religion und Weltanschauung hinweg stärkt Hoffnung und Zukunftsperspektiven der Schülerinnen und Schüler, weckt Liebe und Respekt für die Schöpfung und die Menschen, motiviert zum solidarischen und ökologischen Handeln und zur Verantwortung für sich, die Mitmenschen und die Schöpfung insgesamt. Sie begreift somit den Islam als eine treibende Kraft der persönlichen Lebensgestaltung und der Deutung von Wirklichkeit, fördert die konstruktive Auseinandersetzung mit tradierten islamischen Konzepten und den Ansprüchen des Lebens und unserer heutigen Gesellschaft und ermutigt zu einem reflektierten religiösen und spirituellen Leben, in dem vorausschauendes Denken und Handeln und das Vertrauen in Gott und sich selbst zum Tragen kommt.
Ein kontextuell, dynamisch und multipel verstandener Identitätsbegriff bindet ferner die unterschiedlichen kulturellen, religiösen und sozialen Hintergründe sowie divergierende Wissensbestände ein und stellt zugleich die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten wie die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft der Muslime und der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland heraus. Für die Vertiefung der verbindenden Elemente ist es wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das Gemeinsame und Verbindende in unserer pluralen Gesellschaft sowie in Bezug auf religiöse Entscheidungen und Sichtweisen kommunikations- und diskursfähig werden. Darum ist die Stärkung der religiösen Sprach‑, Dialog‑, Kritik‑, Urteils- und Lernfähigkeit grundlegender Bestandteil der Islamischen Religionslehre. In diesem Kontext ist in diesem Fach auch das interreligiöse Lernen und der innerislamische Dialog sowie kulturelles und soziopolitisches Verstehen und die kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Strukturen, Denk- und Handlungsweisen verortet.
Rechtsgrundlage
Der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung in Baden-Württemberg erfolgt derzeit im Rahmen des von der Landesregierung eingerichteten Modellprojekts und wird von ausgebildeten Lehrkräften erteilt.
Beitrag des Faches zu den Leitperspektiven
Die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung berücksichtigt bei ihren inhaltlichen Kompetenzanforderungen die sechs übergeordneten zukunftsorientierten Leitperspektiven des Bildungsplans als pädagogische Perspektive, stellt sie in Beziehung zu ethisch-praktischen Aspekten des Islam und sucht nach konstruktiven Verhältnisbestimmungen. Dies stärkt den systematischen Kompetenzaufbau der Schülerinnen und Schüler, Entscheidungen in einer durch Komplexität und Diversität geprägten Umwelt zu treffen und Herausforderungen verantwortungsbewusst im Blick darauf zu meistern.
In welcher Weise das Fach Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung einen Beitrag zu den Leitperspektiven leistet, wird im Folgenden dargestellt:
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Die Deutung der Welt als Schöpfung Gottes ist elementarer Grundsatz des Islam, wobei die Schöpfung dem Menschen als zu bewahrendes Gut anvertraut und er zur Übernahme von Verantwortung für sie berufen ist. Dies schließt eine Sensibilität für nachhaltiges Wirtschaften, den gerechten und gleichberechtigten Zugang zur gesellschaftlichen Teilhabe aller Menschen sowie die Erziehung zum Frieden und verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen ein.
Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
Die Toleranz gegenüber der Pluralität und die Wahrung der Würde des Menschen als Grundhaltungen im Islam tragen zur Friedensbildung und zur Haltung des Respekts gegenüber einem Jeden bei. Darum befähigt der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung die Schülerinnen und Schüler dazu, die Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Menschen wahrzunehmen und jeden Menschen in seiner vollen Identität anzuerkennen. Dies schließt die Akzeptanz anderer Lebensformen und Weltanschauungen mit ein, was nicht im Gegensatz zur religiösen Selbstverortung steht. Der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung fördert darum die Bereitschaft, anderen Menschen mit Respekt und Achtsamkeit zu begegnen und mit ihnen in einen offenen Dialog zu treten.
Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
Der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung ist ganzheitlich ausgerichtet und unterstützt die Schülerinnen und Schüler in ihrer Sensibilität für ihre körperliche, seelische und geistige Gesundheit. Er motiviert sie zu einer gesunden Lebensweise und trägt dazu bei, ihre Resilienz zu stärken und sich mit Krisen und Konflikten im Leben konstruktiv auseinanderzusetzen. Er zielt auf ein respektvolles Miteinander der Menschen sowie auf die Gestaltung des Lebens als selbsttätiger, mündiger und verantwortungsbewusster Mensch. Dazu gehört die Fähigkeit, die eigenen Denk- und Verhaltensweisen immer wieder neu zu reflektieren und zu korrigieren.
Berufliche Orientierung (BO)
Der Mensch ist von Gott damit beauftragt, das eigene Leben und Lebensumfeld eigenverantwortlich und bewusst zu gestalten. Im Islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung werden darum die individuellen Interessen, Fähigkeiten und Potenziale von Kindern und Jugendlichen gefördert, religiöse, ethische und soziale Grundsätze des Islam vermittelt sowie (inter‑)religiöse und (inter‑)kulturelle Kompetenzen erarbeitet. Diese bilden die Grundlage für eine spätere berufliche Qualifikation und Betätigung und ermutigen zur Übernahme sozialer Verantwortung und zur gesellschaftlichen Teilhabe.
Medienbildung (MB)
Schülerinnen und Schüler haben persönlichen oder auch medial vermittelten Zugang zu religiösen Inhalten oder Themen. Dabei prägen analoge und digitale Medien zum Beispiel in Form von Bild, Film, Ton oder Text die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft auf besondere Weise, so dass der reflektierte, maß- und verantwortungsvolle Umgang mit Medien sowohl im Allgemeinen wie auch im Besonderen mit Blick auf den Islam bezogene Thematiken und Recherchen zentraler Bestandteil des islamischen Religionsunterrichts ist.
Verbraucherbildung (VB)
Der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung thematisiert einen nachhaltigen Umgang mit lebenswichtigen Ressourcen und der Schöpfung insgesamt und sensibilisiert die Schülerinnen und Schüler für ein reflektiertes Verhalten als Konsument, für eine nachhaltige Gestaltung ihres Lebensumfeldes und der Welt und für einen verantwortungsbewussten Lebensstil.
1.2 Kompetenzen
Grundsätzliche Hinweise zu den Kompetenzen
Der Bildungsplan für die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung weist prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzen auf. Sie sind aufeinander bezogen und ergeben ein Ganzes im Bereich religiöser Bildung. Nachhaltiger Kompetenzerwerb geschieht in der Wechselwirkung von einer Orientierung an elementaren Fähigkeiten und einem systematischen inhaltlichen Kompetenzaufbau.
Prozessbezogene Kompetenzen
Das Fach Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung lehnt sich an Vorschläge religionspädagogischer sowie islamischer Kompetenzmodelle an und präzisiert zugleich die der Hermeneutik und dem Koran zugrundeliegenden Perspektiven von Wahrnehmen, Deuten und Handeln. Ferner greift es auf wesentliche Elemente wie den dialogisch-pädagogischen Charakter des Korans und auf islamische Grundprinzipien wie Frieden, Sicherheit, Gerechtigkeit sowie Humanität und Gemeinsinn zurück und orientiert sich ergänzend an theologisch und wissenschaftlich gesicherten methodischen Zugängen des Verstehens. Die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung bestimmt daher folgende prozessbezogene Kompetenzen religiöser Bildung:
- Wahrnehmungs- und Darstellungskompetenz
- Deutungskompetenz
- Urteilskompetenz
- Dialog- und Sozialkompetenz
- Gestaltungs- und Handlungskompetenz
- Methodenkompetenz
Prozessbezogene Kompetenzen beschreiben durch religiöse Bildung langfristig intendierte Fähigkeiten, die sich im Lernprozess über die unterschiedlichen Jahrgangsstufen hinweg entfalten. Sie beinhalten grundlegende Fertigkeiten im fachlichen, methodischen, reflexiven, ästhetischen, personalen und sozialen Bereich, die den Kompetenzerwerb und Lernprozess im religiösen und auch spirituellen Bereich stetig unterstützen.
Im Bereich der prozessbezogenen Kompetenzen sind Parallelen zu anderen Fächern erwünscht, da sich Bildung ganzheitlich vollzieht. Die formulierten prozessbezogenen Kompetenzen geben die signifikante Eigenart und das Selbstverständnis des jeweiligen Faches auf authentische Weise wieder.
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Die inhaltsbezogenen Kompetenzen beschreiben die Fähigkeiten und Kenntnisse, die spiralcurricular aufbauend erworben und gesichert werden müssen, um die mit den prozessbezogenen Kompetenzen beschriebenen Fähigkeiten zu erreichen. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen sind in sechs Kompetenzbereiche unterteilt:
- Mensch – Glaube – Ethik
- Koran und islamische Quellen
- Gott und Seine Schöpfung
- Muhammad als Gesandter
- Gesellschaft und Geschichte
- Religionen und Weltanschauungen
Um den Kompetenzaufbau klar und übersichtlich zu gestalten werden die sechs Kompetenzbereiche in meist acht Teilkompetenzen unterteilt, auf die durchschnittlich jeweils ungefähr zwei Schulstunden entfallen. Verbindungen und Vernetzungen von Teilkompetenzen sind dabei möglich und teilweise auch nötig, um zentrale Fragestellungen sinnvoll bearbeiten zu können. Die Teilkompetenzen enthalten zum Teil mithilfe von Koranversen verdeutlichte nähere inhaltliche Bestimmungen, Erklärungs- oder Argumentationshilfen sowie Beispiele, die als Anregungen oder Zusätze zu verstehen sind.[2]
Um das Wechselspiel der Kompetenzen, die Vernetzung der einzelnen Kompetenzbereiche untereinander und eine mögliche Nähe zu Kompetenzen anderer Fächer deutlich zu machen, sind direkt im Anschluss an die Teilkompetenzen Verweise mit Hinweisen auf prozessbezogene Kompetenzen, auf andere Teilkompetenzen und andere Fächer angefügt. Das Fach Islamische Religionslehre verzichtet in der Beschreibung der inhaltlichen Kompetenzen auf Hinweise zu den fächerübergreifenden sechs Leitperspektiven.
Ziel der kompetenzorientierten Islamischen Religionslehre
In der Islamischen Religionslehre sunnitischer Prägung werden die im Folgenden formulierten Kompetenzen systematisch und auf stetig anwachsendem und vertiefendem Niveau auf immer wieder neue Weise und in wechselnden Zusammenhängen erworben, damit die Schülerinnen und Schüler als mündige Bürgerinnen und Bürger sowie Gläubige mit der Hochschulreife ein selbstbestimmtes, selbstverantwortetes und sinnerfülltes Leben führen können. Dabei liegt dem Kompetenzaufbau im Fach Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung ein auf ein allgemein- und religionspädagogischen sowie islamisch-theologischen Prämissen aufbauender Kompetenzbegriff zugrunde, in den die Dimensionen der Konzepte von tazkiyya, taʾdīb und taʿlīm einbezogen sind. Als Kompetenz werden zusammenfassend die kognitiv und habituell erlern- und erfahrbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten bezeichnet, die die Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, sich in Fragen der religiösen Wissensaneignung sowie des Glaubens und der persönlichen religiösen und spirituellen Lebensgestaltung selbst zu führen, um die Herausforderungen an die generelle Standortbestimmung als Person insbesondere in der sozialen, ethischen, religiösen und spirituellen Dimension tätig und in Verantwortung vor Mitmenschen, der Gesellschaft und der Schöpfung erfolgreich und von den Lehren des Islam getragen zu bewältigen. Die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung strebt darum eine auf diesen Prämissen basierende Konzeption von Leistungsmessung in altersgemäßer und der Schul- und Niveaustufe angemessener Weise an.
1.3 Didaktische Hinweise
Der Islamische Religionsunterricht in der Sekundarstufe I
Im Islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung nehmen Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Formen der religiös-weltanschaulichen Sozialisationen teil. Dabei kommen im Islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen sowie Vorwissen zusammen. Die Schülerinnen und Schüler lernen durch die gemeinsame Kommunikation ihrer Erfahrungen, ihre Fragen und ihre Einsichten, ihre Religiosität zu reflektieren und können daraus eigene Handlungsmöglichkeiten für sich entwickeln. Durch didaktisch zieldifferenzierte Unterrichtsmethoden bietet der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung verschiedene Zugänge zum Glauben. Neben der Einzelarbeit wird auch viel Wert auf gemeinsames Lernen und Theologisieren gelegt.
Die drei Niveaustufen G, M und E helfen der Lehrkraft durch eine Lernausgangsanalyse das Wissen und Können der Schülerinnen und Schüler besser einzustufen, um damit einen kompetenzorientieren Unterricht zu planen, sodass das Wissen und Können der Schülerinnen und Schüler vertieft und erweitert werden kann.
Die Schülerinnen und die Schüler als Individuen, ihre Biografien, ihre beruflichen Zukunftsaufgaben, die Gesellschaft in der sie leben sind zentral für den islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung der Sekundarstufe I, genauso wie ihre religiöse Bildung in ihrer gegenwärtigen Lebenswirklichkeit. Der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung beteiligt sich aktiv an schulinternen Veranstaltungen, schulischen Entwicklungsprozessen und an außerschulischen Kooperationen und Projekten.
Didaktische Reduktion
Für die Umsetzung der Kompetenzen im Unterricht bilden die prozessbezogenen Kompetenzen die allgemeine Zielorientierung über alle Schulstufen hinweg. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen und Teilkompetenzen haben für die jeweiligen Schulstufen eine eigene thematische Auswahl oder Akzentuierung. Hierfür ist eine didaktische sowie methodische Aufarbeitung durch die Lehrkraft nötig, so dass der Kompetenzerwerb möglich und der Religionsunterricht attraktiv, plausibel und evident ist.
Adressaten- und Erfahrungsbezogenheit
Der Islamische Religionsunterricht sunnitischer Prägung ist ein dialogisch orientierter und ganzheitlicher Unterricht, welcher die Dimensionen des menschlichen Daseins wie Körper, Seele und Geist gleichermaßen anspricht und um eine Balance zwischen ihnen bemüht ist. Dementsprechend stehen die Schülerinnen und Schüler als Subjekte mit ihren kognitiven, emotionalen, lebenspraktischen und religiösen Erfahrungen sowie ihrer Lebenswelt im Mittelpunkt. Es ist Aufgabe der Lehrkraft, die jeweiligen Kompetenzbereiche mit den individuellen Gegebenheiten der Schülerinnen und Schüler zu verbinden. So entsteht ein geschützter Raum, der die Entfaltung der den Schülerinnen und Schülern innewohnenden Potenziale ermöglicht und Unterschiede und Vielfalt bewusst zulässt. Dies ermöglicht eine Atmosphäre der Offenheit und Ernsthaftigkeit, in der nach lebensnahen Lösungen zu theologischen, philosophischen und praktischen Problemen gesucht werden kann. In diesem schulischen Raum erhalten Schülerinnen und Schüler somit die Chance, eigenständiges religiöses und spirituelles Denken und Handeln und damit neue Perspektiven für ihre persönliche Selbstverortung sowie einen verbindenden Glauben zu entwickeln und zu erleben und zudem auch individuelle Möglichkeiten und Grenzen mit Blick zum Beispiel auf gemeinsame Aufgaben zu erfahren.
Im Zentrum der Unterrichtsplanung steht darum das Bestreben, den individuellen Lernprozess der Schülerinnen und Schüler in den Blick zu nehmen, zu fördern und zu begleiten. Ferner ist Differenzierung ein wichtiges Unterrichtsprinzip, um der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Die Lebenswelt, das Interesse, die Erfahrung und der Wissensbestand der Schülerinnen und Schüler besonders hinsichtlich Fragen von Religiosität und Identität sollen folglich die thematische Schwerpunktsetzung mitbestimmen. Die Lebendbedeutsamkeit des Lerngegenstandes erweist sich daran, ob das neu erworbene Wissen hilft, elementare Fragen aus religiösen Perspektiven heraus zu bearbeiten, daraus resultierende Aufgaben und Herausforderungen zu bewältigen und die eigene Religiosität und Spiritualität sowie das eigene und fremde Denken, Fühlen und Handeln zu reflektieren. Die Erfahrungsnähe verdeutlicht den Schülerinnen und Schülern außerdem, dass Religion ihren Platz mitten im Leben hat. Darum sollte es im Unterricht immer auch möglich sein, Bezüge zu aktuellen Themenstellungen herzustellen und diese genauer zu betrachten.
Handlungs- und Problemorientierung
Die Schülerinnen und Schüler erhalten durch den Islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung Impulse zum selbstständigen und selbstbewussten Denken und Handeln. Darum ist er durch einen methodisch reflektierten, einfühlsamen sowie mit dem Alter zunehmend nach Hintergründen fragenden Umgang mit Texten, Inhalten, Glaubenswahrheiten und Sinndeutungsangeboten geprägt. Dieser Umgang zeugt von Respekt, Achtung und Sensibilität, sieht jedoch keine generellen Tabuisierungen oder der Hinterfragung verschlossene Inhalte vor und ermöglicht so den Schülerinnen und Schülern, Haltungen und Einstellung zu prüfen und selbstständig Antworten auf offene und relevante Fragen zu finden. All dies stellt hohe Anforderungen an die fachlichen, kommunikativen und pädagogischen Kompetenzen der Lehrkraft. Die sinnvolle Absicherung von Erkenntnissen entsteht im Diskurs, der entsprechend der Schulstufen an theologisch und wissenschaftlich gesicherter Argumentationsweise und Niveau zunimmt. Dabei stehen sachliche Kommunikationsstrukturen im Zentrum, was bedeutet, dass Schülerinnen und Schüler nicht zu religiösen Ausdrucksformen, Sichtweisen oder Standpunkten genötigt werden dürfen.
Insgesamt ist es im Sinne der Schülerinnen und Schüler als Subjekte des Lernprozesses nötig, dass diese den Lernprozess konstruktiv mitgestalten, indem sie zum Beispiel in altersgemäßer Progression an der Planung von Inhalten und Zielen beteiligt und zu selbstständiger Aneignung von Wissen und Problemlösung, zur Präsentation von Ergebnissen und zur Reflexion über das Gelingen ihres Lernens auch in medialer Form angeleitet werden.
Ein so verstandener Religionsunterricht macht die Selbsttätigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Schülerinnen und Schüler zum Prinzip des ganzheitlichen Unterrichts und ermöglicht unterschiedliche Lernweisen und Lernerfahrungen, zu denen auch die nichtsprachlichen Zugänge und Erfahrungsmöglichkeiten eines emotionalen, kognitiven und handlungsorientierten Verstehens sowie vielfältige Formen offenen Unterrichts gehören. Methoden, die erfahrungsbezogenes und kooperatives Lernen ermöglichen, helfen die Aufgabe der Erziehung zu Toleranz und Verständigung oder dem Einüben von Formen der Konfliktbearbeitung umzusetzen. Dies bedeutet auch, den Schülerinnen und Schülern Lernen an außerschulischen Orten beispielsweise gelebter Religion zu ermöglichen.
Sprachbefähigung
Die Unterrichtssprache der Islamischen Religionslehre sunnitischer Prägung ist Deutsch. Ebenfalls werden im Bildungsplan verschiedene, zum Teil zentrale Begriffe des Islam in der Regel mit deutschen Bezeichnungen zum Ausdruck gebracht. Beispielsweise ist in der Formulierung der Kompetenzen in der Regel von Gott und nicht von Allah die Rede, da der Begriff von Gott als dem Schöpfer und Allmächtigen zur deutschen religiösen Sprachkultur gehört. Dieses Vorgehen dient der religiösen Sprach- und Dialogbefähigung muslimischer Schülerinnen und Schüler im gesamtgesellschaftlichen Kontext, wofür die Benennung von Verbindendem und Gemeinsamem mit dem gleichen dafür gebräuchlichen Wort sinnvoll ist und einer ungerechtfertigten sprachlichen Abgrenzung vorbeugt. Da sich im alltäglichen deutschen Sprachgebrauch auch typisch islamische Bezeichnungen eingebürgert haben, werden diese in den Beschreibungen der Kompetenzen teilweise mit verwendet. [3] Gleichzeitig gehören in der Praxis Sicherheit im Umgang mit den originalen Formen zentraler islamischer Bezeichnungen, aber auch die Erfahrung des ästhetischen und spirituellen Mehrwerts besonders von Begriffen wie Allah etwa im Gebet, im Alltag oder im Sinne eines gemeinsamen Wortschatzes der Muslime auf der ganzen Welt genauso zur fachlichen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler sowie auch der Lehrkräfte wie die Kenntnis der deutschen Bedeutung dieser Begriffe. Kann in der islamischen Gemeinschaft auf eingebürgerte Begriffe nicht verzichtet werden, werden sie wegen der Verständigung über verschiedene Sprachgrenzen hinweg in ihrer arabischen Form verwendet und entsprechend der Umschrift des IJMES [4] in kursiver Weise geschrieben. Die im Bildungsplan verwendeten Fachtermini hängen dem Plan in einem Glossar an. Es liegt in der Verantwortung der Lehrkraft spezifisch muttersprachliche Gewohnheiten der Schülerinnen und Schüler an geeigneter Stelle einzubeziehen.
Das arabische Zitieren und Rezitieren aus dem Koran sowie die Rückführung auf arabische Formulierungen aus den islamischen Quellen hingegen ist zur punktuellen Vertiefung und Anschauung im Unterricht erwünscht. Dies dient in erster Linie der Authentizität und der Vermittlung des ästhetischen Wertes islamischer Texte und bedeutet nicht die arabische Alphabetisierung der Schülerinnen und Schüler im weiteren Sinne. Solche Vertiefungen sollen grundsätzlich dem Bereich der Erziehung durch Elternhaus, Moschee oder sonstige Einrichtungen vorbehalten bleiben.
Bedeutend für den Islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung ist außerdem die Herausbildung einer religiösen Gesprächskultur, die die Schülerinnen und Schüler zur Kommunikation über Religion sowie religiöse und spirituelle Gehalte und Erfahrungen befähigt.
Kontextualität
Für den Umgang mit dem Koran gilt, dass die im Bildungsplan angegebenen oder im Unterricht herangezogenen Verse des Korans stets im Kontext gelesen und anhand theologischer und hermeneutischer Ansätze altersgemäß betrachtet werden sollen. Mit zunehmender Klassenstufe sollen auch die historisch-kulturellen Kontexte, in die Koranverse, Hadithe wie auch weitere Quellen gesprochen haben, zur Erschließung des Textsinnes stärker berücksichtigt werden.
Partizipation und Kooperation
Über das eigentliche unterrichtliche Anliegen hinaus beteiligt sich die Islamische Religionslehre sunnitischer Prägung auch an der Gestaltung von Schule als Lebens- und Erfahrungsraum für alle. Dazu trägt sie insbesondere durch die Mitgestaltung von Festen und Feiern auch religiöser Art bei. Sie beteiligt sich am fächerverbindenden Lernen, an interkonfessionellen beziehungsweise interreligiösen Kooperationen, an Kooperationen mit anderen Fächerverbünden, an Projekten, an Begegnungen und Entwicklungen innerhalb der Schule, an der Öffnung hin zur Bürgergesellschaft sowie zur Glaubensgemeinschaft und trägt darüber hinaus zur Profilbildung der Schule bei.
Allgemeine Hinweise
Der Bildungsplan ist die verbindliche Grundlage des fachlichen und pädagogischen Handelns der Lehrkräfte in Islamischer Religionslehre. Der Erwerb der ausgewiesenen Kompetenzen beansprucht ungefähr drei Viertel der vorgesehenen Unterrichtszeit. Die Lehrkräfte haben darum in pädagogischer und kollegial verantworteter Freiheit die Möglichkeit, Schwerpunkte in inhaltlicher sowie organisatorischer Hinsicht zu setzen, etwa durch Vertiefungen, kooperative Projekte oder gemeinschaftliche religiöse und spirituelle Erfahrung.
In jedem dieser Bereiche stellen allgemeine Kompetenzbeschreibungen die Niveaus dar, die die Schülerinnen und Schüler in dieser Stufe erreichen sollen. Außerdem gibt es auf jeder Stufe eine Differenzierung in inhaltsbezogenen Kompetenzen G/M/E (Grundniveau/Mittleres Niveau/Erweitertes Niveau), die durch Operatoren genauer beschrieben werden.
[1] Im Folgenden werden Koranverse in der Form 2:143 belegt, wobei 2 die Sure und 143 den Vers bezeichnet. Ist eine ganze Sure gemeint, wird nur die Surennummer genannt.
[2] Die Formulierung „zum Beispiel“ meint optionale Vorschläge, „unter anderem“ verbindliche und eventuell noch weitere Aspekte und ohne Zusatz nur verbindliche Inhalte.
[3] Sie werden gemäß der Umschrift geschrieben, die im Duden Aufnahme gefunden hat. Vergleiche hierzu den Glossar im Anhang.
[4]International Journal of Middle East Studies. Der Vorzug dieser Umschrift gegenüber der in der islamischen Theologie und Islamwissenschaft gängigeren Transkriptionsweise der DMG ist ein Kompromiss zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und Lesbarkeit,