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1. Leit­ge­dan­ken zum Kom­pe­ten­z­er­werb

1.1 Bil­dungs­wert des Fa­ches Bil­den­de Kunst

Der Bei­trag der Bil­den­den Kunst zur all­ge­mei­nen Bil­dung

Das Fach Bil­den­de Kunst för­dert um­fas­send schöp­fe­ri­sche Kräf­te und äs­the­ti­sche Sen­si­bi­li­tät. Kunst­un­ter­richt zielt auf die Ent­wick­lung der prak­ti­schen Ge­stal­tungs­fä­hig­kei­ten und Aus­drucks­mög­lich­kei­ten von Schü­le­rin­nen und Schü­lern, för­dert ih­re Wahr­neh­mung, die Ent­fal­tung ima­gi­na­ti­ver Fä­hig­kei­ten und ei­ne äs­the­tisch-for­schen­de Grund­hal­tung. In glei­chem Ma­ße ist die Aus­ein­an­der­set­zung mit der sicht­ba­ren und ge­stal­te­ten Um­welt, mit his­to­ri­schen und zeit­ge­nös­si­schen Bild­me­di­en so­wie de­ren Kon­struk­ti­on von Wirk­lich­keit ein zen­tra­les An­lie­gen des Fa­ches und Grund­la­ge ei­nes mo­der­nen Bild­ver­ständ­nis­ses.

Bil­den­de Kunst ver­mit­telt den Schü­le­rin­nen und Schü­lern an­schluss­fä­hi­ges Wis­sen, er­mög­licht trans­fe­rier­ba­res, ge­stal­te­ri­sches Kön­nen so­wie selbst‑, so­zi­al- und wer­te­be­wuss­te Hal­tun­gen ge­gen­über äs­the­ti­schen, ge­sell­schaft­li­chen und ethi­schen Grund­fra­gen. Die Kom­pe­ten­zen und In­hal­te des Fa­ches sind be­deu­ten­der Teil all­ge­mei­ner Bil­dung. Bil­den­de Kunst leis­tet da­mit ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zur Bil­dung per­so­na­ler, so­zia­ler und kul­tu­rel­ler Iden­ti­tät.

Durch die Ver­knüp­fung von wahr­neh­men­den, ko­gni­ti­ven, bild­ne­ri­schen und emo­tio­na­len Fä­hig­kei­ten ist der Un­ter­richt im Fach Bil­den­de Kunst ganz­heit­lich an­ge­legt. Hand­lungs‑, Pro­zess- und Pro­jek­t­ori­en­tie­rung sind sei­ne we­sent­li­chen Merk­ma­le, die bei den Schü­le­rin­nen und Schü­lern ne­ben den bild­ne­ri­schen auch die kom­mu­ni­ka­ti­ven und so­zia­len Kom­pe­ten­zen för­dern und so­mit zu ei­ner um­fas­sen­den Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung bei­tra­gen.

Bild­ne­ri­sche Pra­xis und Re­fle­xi­on

Das Fach Bil­den­de Kunst ist prak­tisch ori­en­tiert, spricht da­bei al­le Er­fah­rungs­be­rei­che an und wirkt in al­len sei­nen fach­li­chen As­pek­ten zwi­schen ver­schie­de­nen Lern- und Le­bens­be­rei­chen ver­net­zend. Es be­fä­higt zur kri­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit al­len Bild­me­di­en und zur Teil­ha­be an Kunst und Kul­tur. Bil­den­de Kunst er­mög­licht mit ih­rem ganz­heit­li­chen An­satz viel­schich­ti­ge und of­fe­ne Hal­tun­gen und trägt we­sent­lich zur Ent­wick­lung von Le­bens­vor­stel­lun­gen und zu ge­sell­schafts­prä­gen­den und in­di­vi­du­ell trag­fä­hi­gen Ein­stel­lun­gen bei. Künst­le­ri­sche Ar­beit kann als Me­tho­de der Welt­erkennt­nis und Welt­deu­tung er­fah­ren wer­den.

Ein zen­tra­les An­lie­gen des Kunst­un­ter­richts ist die Ent­wick­lung von Bild­kom­pe­tenz. Das Fach Bil­den­de Kunst ver­folgt das Ziel, Schü­le­rin­nen und Schü­ler ent­spre­chend ih­res Al­ters und Ent­wick­lungs­stan­des zu be­fä­hi­gen, Bil­der her­zu­stel­len, zu er­zeu­gen oder wei­ter­zu­be­ar­bei­ten, zu ver­ste­hen, zu be­ur­tei­len und mit­tels Bil­dern zu kom­mu­ni­zie­ren. In der Aus­ein­an­der­set­zung mit Kunst­wer­ken – wann im­mer mög­lich in der Be­geg­nung mit Ori­gi­na­len – ler­nen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler de­ren Bild­spra­che ken­nen. Sie bil­den sich über ver­schie­de­ne Er­schei­nungs­for­men der Kunst und der All­tags­äs­the­tik ei­ne ei­ge­ne Mei­nung, for­mu­lie­ren ih­re Be­ob­ach­tun­gen und tau­schen die­se mit an­de­ren aus. Fort­schrei­tend ler­nen sie, sich struk­tu­riert, ana­ly­sie­rend und mit ei­nem zu­neh­men­den Fach­vo­ka­bu­lar münd­lich und schrift­lich aus­zu­drü­cken. Durch die pro­duk­ti­ve Be­schäf­ti­gung mit Wer­ken aus un­ter­schied­li­chen his­to­ri­schen, so­zia­len und kul­tu­rel­len Kon­tex­ten wer­den ih­nen zu­dem Ein­bli­cke in die Ent­wick­lung ver­schie­de­ner Kul­tu­ren und in­ter­kul­tu­rel­ler Zu­sam­men­hän­ge ver­mit­telt. Da­durch be­sit­zen sie Kennt­nis­se über frem­de Geis­tes­hal­tun­gen und an­de­re Le­bens­auf­fas­sun­gen und ler­nen die­se zu ver­ste­hen und zu to­le­rie­ren. Sie er­wer­ben ei­ne grund­le­gen­de Ur­teils- und Kri­tik­fä­hig­keit, die auch bei der Be­ob­ach­tung der ei­ge­nen Schaf­fens­pro­zes­se und beim Ver­gleich mit an­de­ren Ar­beits­er­geb­nis­sen nütz­lich ist.

In der bild­ne­ri­schen Pra­xis fin­den die Schü­le­rin­nen und Schü­ler über ih­re Ima­gi­na­ti­on zu ei­ge­nen Bild­ide­en. Sie ver­fü­gen über die Fä­hig­keit, ad­äqua­te Dar­stel­lungs­for­men aus ei­nem um­fang­rei­chen Re­per­toire bild­ne­ri­scher Ver­fah­ren zu nut­zen.

Ge­sell­schaft­li­che Her­aus­for­de­run­gen

Das Fach Bil­den­de Kunst er­öff­net den Schü­le­rin­nen und Schü­lern ei­nen um­fas­sen­den Zu­gang zu kul­tu­rel­ler Bil­dung. Kul­tu­rel­le Bil­dung er­mög­licht ei­nen of­fe­nen Blick auf die Welt und die Ge­sell­schaft jen­seits ih­rer po­li­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Aus­rich­tung. Kul­tu­rel­le Bil­dung rückt den Reich­tum und die Viel­falt künst­le­ri­scher, mu­si­ka­li­scher, li­te­ra­ri­scher, ge­sell­schafts­wis­sen­schaft­li­cher und ethi­scher As­pek­te des Le­bens in den Mit­tel­punkt. Sie er­ach­tet kul­tu­rel­le Zeug­nis­se und Pro­duk­te als zen­tra­le As­pek­te ei­nes Le­bens und Schaf­fens jen­seits des rein Nutz­ba­ren und Mess­ba­ren. Kul­tu­rel­le Bil­dung und die Wert­schät­zung an­de­rer Kul­tu­ren trägt es­sen­ti­ell zum Grund­ver­ständ­nis von Le­bens- und Exis­tenz­ent­wür­fen bei. In der Schu­le fin­det kul­tu­rel­le Bil­dung ih­ren Wi­der­hall im Zu­sam­men­klang un­ter­schied­li­cher fach­li­cher Be­rei­che und im Zu­sam­men­wir­ken der Küns­te und Wis­sen­schaf­ten. Da­bei zielt sie ein­deu­tig auf die Ent­wick­lung des In­di­vi­du­ums und der Per­sön­lich­keit und wirkt zu­gleich deut­lich über den Lern­ort Schu­le hin­aus.

Bil­den­de Kunst schafft um­fas­send Be­zü­ge zu den Leit­per­spek­ti­ven des Bil­dungs­plans und un­ter­stützt die Ent­wick­lung von Kennt­nis­sen, Fä­hig­kei­ten und Ein­stel­lun­gen bei Kin­dern und Ju­gend­li­chen. Im Sin­ne der Ganz­heit­lich­keit künst­le­ri­schen Han­delns be­zie­hen sich die Ver­wei­se der Leit­per­spek­ti­ven in den in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen grund­sätz­lich auf den ge­sam­ten Ar­beits­be­reich. Die Aus­ein­an­der­set­zung mit den ein­zel­nen In­hal­ten der Leit­per­spek­ti­ven kon­kre­ti­siert sich im un­ter­richt­li­chen Vor­ha­ben.

Bei­trag des Fa­ches zu den Leit­per­spek­ti­ven

In wel­cher Wei­se das Fach Bil­den­de Kunst ei­nen Bei­trag zu den Leit­per­spek­ti­ven leis­tet, wird im Fol­gen­den dar­ge­stellt:

  • Bil­dung für nach­hal­ti­ge Ent­wick­lung (BNE)
    Als Kern­dis­zi­plin, die sich mit der Vi­sua­li­sie­rung aus­ein­an­der­setzt, kann das Fach Bil­den­de Kunst im Zeit­al­ter der Glo­ba­li­sie­rung ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zum Er­fas­sen von nach­hal­ti­gen Pro­zes­sen leis­ten. Die prak­ti­sche und theo­re­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit über­lie­fer­ten und ak­tu­el­len Bil­dern führt zu ei­nem Ver­ständ­nis glo­ba­ler Pro­zes­se und nach­hal­ti­ger Ent­wick­lung. Dies er­mög­licht Ori­en­tie­rung, Aus­prä­gung von Hal­tun­gen und ge­mein­schafts­fä­hi­ge Teil­ha­be.
  • Bil­dung für To­le­ranz und Ak­zep­tanz von Viel­falt (BTV)
    We­sent­li­che Kenn­zei­chen der Bil­den­den Kunst sind Ori­gi­na­li­tät und In­di­vi­dua­li­tät. Da­her ist die Leit­per­spek­ti­ve Bil­dung für To­le­ranz und Ak­zep­tanz von Viel­falt eng mit dem Fach ver­knüpft. Nur in ge­gen­sei­ti­ger Ach­tung und in der Wert­schät­zung der Ver­schie­den­heit kann hier Kom­mu­ni­ka­ti­on und Aus­ein­an­der­set­zung er­fol­gen. Die In­te­gra­ti­on von Un­er­war­te­tem, das To­le­rie­ren an­ders­ar­ti­ger Bild­tra­di­tio­nen, Denk- und Hand­lungs­wei­sen so­wie das Ak­zep­tie­ren an­de­rer Le­bens­for­men und ‑ent­wür­fe sind struk­tu­rel­le Be­stand­tei­le des be­wuss­ten Um­gangs mit der Kunst. Sie tra­gen deut­lich zu ei­ner Of­fen­heit ge­gen­über ge­sell­schaft­li­chen und kul­tu­rel­len Fra­ge­stel­lun­gen so­wie zur Selbst- und Iden­ti­täts­fin­dung bei Kin­dern und Ju­gend­li­chen bei. Bil­den­de Kunst stellt Vor­ur­tei­le, Ste­reo­ty­pen, Kli­schees und dog­ma­ti­sche An­sich­ten grund­sätz­lich in Fra­ge.
  • Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung (PG)
    Be­wuss­tes Wahr­neh­men, wert­schät­zen­des Kom­mu­ni­zie­ren und Han­deln und ein selbst­re­gu­la­ti­ver Um­gang mit Emp­fin­dun­gen und Emo­tio­nen sind Be­stand­tei­le um­fas­sen­der Prä­ven­ti­on und Ge­sund­heits­för­de­rung. Dies ist vor al­lem in den pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen ver­an­kert. Der Kunst­un­ter­richt er­mög­licht zu­dem Kin­dern und Ju­gend­li­chen, sich in ih­rem ge­stal­te­ri­schen Tun als selbst­wirk­sam zu er­le­ben.
  • Be­ruf­li­che Ori­en­tie­rung (BO)
    Durch die in­di­vi­du­el­le För­de­rung der per­sön­li­chen In­ter­es­sen, Po­ten­zia­le und hand­werk­li­chen Fä­hig­kei­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler un­ter­stützt der Kunst­un­ter­richt die Be­ruf­li­che Ori­en­tie­rung. Er­fah­run­gen in künst­le­ri­schem Ar­bei­ten, der Er­werb ge­stal­te­ri­scher Fä­hig­kei­ten so­wie der Ein­blick in krea­ti­ve Be­ru­fe er­leich­tern fach­spe­zi­fi­sche und hand­lungs­ori­en­tier­te Zu­gän­ge zur Ar­beits- und Be­rufs­welt.
  • Me­di­en­bil­dung (MB)
    Der Kunst­un­ter­richt leis­tet ei­nen wich­ti­gen Bei­trag im Um­gang mit den mo­der­nen Me­di­en. Er ge­währt Ein­blick in die Hand­ha­bung bild­ge­ben­der Ver­fah­ren und in die di­gi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on. Da­bei för­dert er be­glei­tend auch ein ver­ant­wor­tungs­vol­les, me­di­en­kri­ti­sches Be­wusst­sein und trägt um­fas­send zur all­ge­mei­nen Me­di­en­bil­dung bei. Die­se ist im Bil­dungs­plan des Fa­ches in­te­gra­tiv ver­an­kert und zu­sätz­lich bei den in­halt­li­chen Kom­pe­ten­zen als be­son­de­rer Teil­be­reich der Bil­den­den Kunst aus­ge­wie­sen. Hin­sicht­lich al­ler bild­ne­ri­schen, aber auch mit Blick auf akus­ti­sche, ex­pe­ri­men­tel­le und in­ter­ak­ti­ve Me­di­en ver­mit­telt der Kunst­un­ter­richt ele­men­ta­re und ver­tie­fen­de Kennt­nis­se und Fä­hig­kei­ten. Zu­gleich wer­den die klas­si­schen bild­ne­ri­schen Ver­fah­ren we­gen ih­rer grund­le­gen­den Be­deu­tung für die ele­men­ta­ren Er­fah­run­gen von Kin­dern und Ju­gend­li­chen so­wie für die ma­nu­el­len Fä­hig­kei­ten im Um­gang mit Werk­zeu­gen und Ma­te­ria­li­en nicht ver­nach­läs­sigt.
  • Ver­brau­cher­bil­dung (VB)
    Das Be­wusst­wer­den ei­ge­ner Be­dürf­nis­se und Wün­sche und die dar­aus re­sul­tie­ren­de Ge­stal­tung der ei­ge­nen Le­bens­welt sind ele­men­ta­re Be­stand­tei­le des Fa­ches Bil­den­de Kunst. Be­son­ders in den The­men­fel­dern Ar­chi­tek­tur, De­sign und Me­di­en wer­den so­mit zen­tra­le An­lie­gen der Ver­brau­cher­bil­dung ver­mit­telt und per­sön­li­ches Ver­hal­ten re­flek­tiert.

1.2 Kom­pe­ten­zen

Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung im Fach Bil­den­de Kunst

Kom­pe­tenz­ori­en­tie­rung als di­dak­ti­scher An­satz lässt sich auf die Re­form­päd­ago­gik des be­gin­nen­den 20. Jahr­hun­derts zu­rück­füh­ren, die das äs­the­ti­sche Er­le­ben des ein­zel­nen Men­schen in den Mit­tel­punkt des Lern­pro­zes­ses stellt. Der Mensch nutzt sei­ne In­ter­es­sen und in­di­vi­du­el­len Vor­aus­set­zun­gen, um in ei­nem so­zia­len und kul­tu­rel­len Kon­text ei­gen­stän­dig sei­ne Fä­hig­kei­ten und Kennt­nis­se zu er­wei­tern. Da­bei er­wirbt er sein Wis­sen und Ver­hal­ten über Hand­lun­gen, die nicht nur durch Ko­gni­ti­on, son­dern durch An­wen­dung ge­lei­tet wer­den. Die Ent­wick­lung der Per­sön­lich­keit geht vom Ler­nen­den aus und be­fä­higt ihn zu­neh­mend zum selbst­stän­di­gen Den­ken und Han­deln so­wie zum kri­ti­schen Ur­tei­len im Dia­log mit an­de­ren.

Im vor­lie­gen­den Mo­dell be­nen­nen die Stan­dards für in­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen die In­hal­te und Fer­tig­kei­ten, wel­che die Schü­le­rin­nen und Schü­ler bis zum En­de der Klas­sen 6, 9 oder 10 er­ler­nen. Al­ler­dings sind die In­hal­te nur im Zu­sam­men­hang mit den pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen zu ver­ste­hen, die von den Schü­le­rin­nen und Schü­lern im Lau­fe meh­re­rer Schul­jah­re er­wor­ben wer­den. Sie er­fas­sen den so­zia­len und kul­tu­rel­len Kon­text und die Hand­lungs­ori­en­tie­rung des Fa­ches Bil­den­de Kunst. Kom­pe­ten­zen in Be­zug auf Bil­den­de Kunst kon­kre­ti­sie­ren sich grund­sätz­lich durch ein Bün­del ver­schie­de­ner Teil­kom­pe­ten­zen. Auf der Hand­lungs­ebe­ne des Un­ter­richts wer­den die pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen in Ver­bin­dung mit den in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen wirk­sam.

Beim prak­ti­schen Ar­bei­ten ma­chen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler viel­fäl­ti­ge äs­the­ti­sche Er­fah­run­gen. Da­bei ler­nen sie die Be­deu­tung von In­ten­si­tät, Ziel­stre­big­keit und Aus­dau­er in der bild­ne­ri­schen Ar­beit ken­nen. Mit Lust und Mög­lich­keits­sinn ent­wi­ckeln sie Ex­pe­ri­men­tier­freu­de bei der Su­che nach in­di­vi­du­el­len und ei­ge­nen Lö­sun­gen so­wie zu­neh­mend Stra­te­gi­en, das Schei­tern als pro­duk­ti­ves Ele­ment of­fe­ner Ge­stal­tungs­pro­zes­se zu er­ken­nen und zu nut­zen. In der bild­ne­ri­schen Ge­stal­tung und bei Ak­tio­nen er­fah­ren die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ein Be­wusst­sein für ih­ren Kör­per im Raum und in der In­ter­ak­ti­on mit an­de­ren.

Das Fach Bil­den­de Kunst un­ter­stützt die Be­reit­schaft zur kri­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung mit ei­ge­nen Wahr­neh­mun­gen und Deu­tun­gen. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ent­wi­ckeln die Fä­hig­keit zum Dia­log und In­ter­es­se an der Zu­sam­men­ar­beit mit an­de­ren. Ge­stal­te­tes und Er­ar­bei­te­tes zu zei­gen, dar­zu­stel­len, vor­zu­füh­ren oder aus­zu­stel­len, wird als Mög­lich­keit der Selbst­re­fle­xi­on er­kannt.

Pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen

Im Fach Bil­den­de Kunst ha­ben pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen durch die äs­the­ti­sche Ziel­set­zung und den prak­ti­schen und ganz­heit­li­chen Cha­rak­ter des Fa­ches ei­nen be­son­ders ho­hen Stel­len­wert. Sie sind eng ver­bun­den mit der Ent­wick­lung per­so­na­ler und so­zia­ler Kom­pe­ten­zen.

Die pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen wer­den durch vier Hand­lungs­fel­der struk­tu­riert. Re­zep­ti­on um­fasst die Ent­wick­lung der ei­ge­nen Wahr­neh­mung so­wie das Er­schlie­ßen von ei­ge­nen und frem­den Bil­dern. Un­ter Re­fle­xi­on wer­den Teil­kom­pe­ten­zen zu­sam­men­ge­fasst, die es den Schü­le­rin­nen und Schü­lern er­mög­li­chen, ge­stal­te­te Um­welt und bild­ne­ri­sches Schaf­fen dif­fe­ren­ziert wahr­zu­neh­men und zu hin­ter­fra­gen. Vom Um­fang und von der Be­deu­tung für das Fach Bil­den­de Kunst nimmt Pro­duk­ti­on das Zen­trum ei­nes hand­lungs­ori­en­tier­ten Un­ter­richts ein. In die­sem Feld ste­hen bild­ne­ri­sche Stra­te­gi­en im Mit­tel­punkt. Prä­sen­ta­ti­on zeigt auf, wie die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ih­re Bil­der, Ge­stal­tungs­pro­zes­se und Ar­beits­er­geb­nis­se in ge­eig­ne­ter Form dar­stel­len kön­nen.

Mo­dell Pro­zess­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen (© Lan­des­in­sti­tut für Schul­sport, Schul­kunst und Schul­mu­sik)
Abbildung 1: Modell Prozessbezogene Kompetenzen (Grafik erstellt von Kommissionen Bildende Kunst)

Re­zi­pie­ren, Re­flek­tie­ren, Pro­du­zie­ren und Prä­sen­tie­ren sind im bild­ne­ri­schen Pro­zess un­mit­tel­bar auf­ein­an­der be­zo­gen und un­trenn­bar ver­bun­den. Die vier Be­rei­che ent­fal­ten ih­re Kraft in der Wech­sel­wir­kung. Sie be­zie­hen sich wie­der­um auf al­le Be­rei­che der Stan­dards für in­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen und wer­den im Un­ter­richt mit die­sen ver­knüpft.

In­halts­be­zo­ge­ne Kom­pe­ten­zen

In den in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen wer­den das Re­per­toire der bild­ne­ri­schen Mit­tel so­wie äs­the­ti­sche und theo­rie­ge­lei­te­te Er­schlie­ßungs­me­tho­den be­schrie­ben, über wel­che die Schü­le­rin­nen und Schü­ler am En­de ih­res Schul­ab­schlus­ses ver­fü­gen kön­nen.

Er­wei­ter­ter Bild­be­griff

Ana­log zur zeit­ge­nös­si­schen Kunst und Kunst­wis­sen­schaft liegt dem Kunst­un­ter­richt ein er­wei­ter­ter Bild­be­griff zu­grun­de (KMK, Ein­heit­li­che Prü­fungs­an­for­de­run­gen, Bonn, 2005). Die­ser schließt den Werk­be­griff ein. „Die Ge­gen­stän­de, mit de­nen sich der Kunst­un­ter­richt aus­ein­an­der­setzt, ent­stam­men der Kunst, den an­ge­wand­ten Küns­ten so­wie der All­tags­äs­the­tik. Sie um­fas­sen al­le pri­mär vi­su­el­len Er­schei­nun­gen, von Ge­mäl­den bis zu Fil­men, vom De­sign bis zur Ar­chi­tek­tur, von der Mo­de bis zu in­ter­ak­ti­ven Me­di­en, von der Per­for­mance bis zur Il­lus­tra­ti­on, vom Städ­te­bau bis zur Fo­to­gra­fie, von der Busi­ness­gra­fik bis zur ge­stal­te­ten Land­schaft.“ All die­se Ob­jek­te und Phä­no­me­ne kön­nen als „Bil­der“ ver­stan­den und mit al­len Sin­nen wahr­ge­nom­men wer­den. „Im Ge­gen­satz zur Spra­che sind die­se ‚Bil­der‘ – zu­nächst – über Kul­tur­gren­zen hin­weg […] ver­ständ­lich. Den­noch be­dür­fen sie der sprach­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung und sind (nicht nur da­durch) kon­text­ge­bun­den. […] ‚Bil­der‘ kon­stru­ie­ren un­se­re Sicht auf die Welt, ei­ne Tat­sa­che, die mit der zu­neh­men­den Prä­senz von Bil­dern die Be­deu­tung ei­nes kom­pe­ten­ten und ver­ant­wor­tungs­vol­len Bild­ge­brauchs er­höht.“ (Gros­ser, S., Preuss, R., Wag­ner, E., Bil­den­de Kunst, 2015, in: BM­Z/KMK (Hrsg.), Ori­en­tie­rungs­rah­men für den Lern­be­reich Glo­ba­le Ent­wick­lung, 2. Aufl., S. 189)

Struk­tur der in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen

Ge­samt­mo­dell Auf­bau Bil­dungs­plan Bil­den­de Kunst (© Lan­des­in­sti­tut für Schul­sport, Schul­kunst und Schul­mu­sik)
Abbildung 2: Gesamtmodell Aufbau Bildungsplan Bildende Kunst (Grafik erstellt von Kommissionen Bildende Kunst)

Der Be­reich Bild ist das Be­zugs­feld, dem die an­de­ren in­halt­li­chen Be­rei­che Flä­che, Raum und Zeit bei­ge­ord­net sind. Im Sin­ne des er­wei­ter­ten Bild­be­griffs um­fasst Bild die prak­ti­sche und re­flek­tie­ren­de Aus­ein­an­der­set­zung mit den an­de­ren In­halts­be­rei­chen.

Flä­che be­inhal­tet al­le sich im Zwei­di­men­sio­na­len ent­fal­ten­den Kunst­for­men der Gra­fik und Ma­le­rei. Raum um­fasst al­le drei­di­men­sio­na­len Er­schei­nungs­for­men der Plas­tik und Ar­chi­tek­tur. Der Be­reich Zeit ver­eint Kunst­for­men, die auf Hand­lung und Be­we­gung – Ak­ti­on – be­ru­hen oder in mo­der­nen Me­di­en ih­ren cha­rak­te­ris­ti­schen Aus­druck fin­den.

Die in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen wer­den im Be­reich Bild in Ni­veau­stu­fen G, M und E dif­fe­ren­ziert, da hier ko­gni­ti­ve As­pek­te dies sinn­voll be­grün­den. In den fach­prak­ti­schen Be­rei­chen Flä­che, Raum und Zeit wird ge­ne­rell auf ei­ne Ni­veau­dif­fe­ren­zie­rung ver­zich­tet. Der künst­le­ri­sche Pro­zess bringt Er­geb­nis­se her­vor, de­ren Qua­li­tät nicht vor­ran­gig an ih­rer Kom­ple­xi­tät zu mes­sen ist. Da­her wird ei­ne Ein­tei­lung in ver­schie­de­ne Ni­veau­stu­fen dem Ar­bei­ten der Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht ge­recht.

Die Ope­ra­to­ren im Fach Bil­den­de Kunst be­schrei­ben ei­ner­seits ko­gni­ti­ve Fer­tig­kei­ten, wel­che die Schü­le­rin­nen und Schü­ler in der Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Be­reich Bild er­wer­ben. Da­ne­ben be­schrei­ben die­se hand­lungs­lei­ten­den Ver­ben von „wahr­neh­men“ bis „ge­stal­ten“ ei­nen bild­ne­ri­schen Pro­zess und de­fi­nie­ren äs­the­ti­sche, bild­ne­ri­sche Kom­pe­ten­zen. Kunst­prak­ti­sche Auf­ga­ben­stel­lun­gen sind in ih­rer Kom­ple­xi­tät durch ei­ne Viel­zahl von As­pek­ten be­stimmt. Der sub­jek­ti­ve An­teil in den Leis­tun­gen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler ist da­bei nicht nor­mier­bar und lässt sich nicht sche­ma­tisch be­wer­ten. Ei­ne Tren­nung der Ope­ra­to­ren für fach­prak­ti­sche In­hal­te in Be­zug zu den drei An­for­de­rungs­be­rei­chen ist auf­grund der Viel­falt krea­ti­ver An­sät­ze nicht im­mer mög­lich.

In künst­le­risch-äs­the­ti­schen Lern­si­tua­tio­nen sind fast un­be­grenzt Ver­knüp­fun­gen mit ver­schie­de­nen pro­zess­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen und an­de­ren in­halts­be­zo­ge­nen Teil­be­rei­chen des Fa­ches mög­lich. Aus die­sem Grund wird le­dig­lich auf an­de­re Fä­cher und Leit­per­spek­ti­ven ver­wie­sen.

1.3 Di­dak­ti­sche Hin­wei­se

Un­ter­richt­s­prin­zi­pi­en

Den Un­ter­richt im Fach Bil­den­de Kunst er­fah­ren die Schü­le­rin­nen und Schü­ler als Hand­lungs­raum, in dem sie die im Bil­dungs­plan ge­nann­ten Teil­kom­pe­ten­zen er­schlie­ßen, er­ler­nen und übend er­wer­ben. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler ler­nen, sich im Kunst­un­ter­richt bild­ne­risch aus­zu­drü­cken, und er­wei­tern ih­re in der Grund­schu­le er­wor­be­nen Kom­pe­ten­zen. Sie ent­wi­ckeln da­bei ei­ge­ne Ide­en und die Fä­hig­keit, selbst­stän­dig, ei­gen­ver­ant­wort­lich und mit al­len Sin­nen zu ar­bei­ten. Sie er­wer­ben Kennt­nis­se über ver­schie­de­ne Be­rei­che der Bild­ge­stal­tung und ler­nen, die­se auf un­ter­schied­li­che Art für die prak­ti­sche Ar­beit ein­zu­set­zen. Sie kön­nen die Er­geb­nis­se ih­rer Ar­beit prä­sen­tie­ren und an­de­ren zu­gäng­lich und ver­ständ­lich ma­chen. Ne­ben dem Ein­üben und Er­ler­nen tra­dier­ter oder di­gi­ta­ler bild­ne­ri­scher Tech­ni­ken wer­den im Fach Bil­den­de Kunst in be­son­de­rem Ma­ße spie­le­ri­sche und ex­pe­ri­men­tel­le Ver­fah­ren und in­di­vi­du­ell ge­präg­te Lö­sungs­we­ge ge­för­dert. Un­kon­ven­tio­nel­le und or­ga­ni­sa­to­risch in­no­va­ti­ve Un­ter­richts­for­men kön­nen die­sen Vor­aus­set­zun­gen in be­son­de­rem Ma­ße Rech­nung tra­gen.

Die Fül­le der in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen re­du­ziert sich durch die Kom­bi­na­ti­on ver­schie­de­ner In­halts­be­rei­che zu ge­eig­ne­ten, sinn­vol­len Un­ter­richts­ein­hei­ten und bild­ne­ri­schen Auf­ga­ben­stel­lun­gen. Dies ent­spricht der Aus­rich­tung des Fa­ches Bil­den­de Kunst an ei­nem ganz­heit­lich ori­en­tier­ten Vor­ge­hen und un­ter­stützt zu­gleich un­ter­richts- und zeit­öko­no­mi­sche Not­wen­dig­kei­ten.

Für die Um­set­zung der im Bil­dungs­plan for­mu­lier­ten pro­zess- und in­halts­be­zo­ge­nen Kom­pe­ten­zen ste­hen drei Vier­tel des zu er­tei­len­den Un­ter­richts zur Ver­fü­gung. Ein Vier­tel der Un­ter­richts­zeit kann für Ver­tie­fung, Er­wei­te­rung oder Spe­zia­li­sie­rung ge­nutzt wer­den und be­darf ei­ner Kon­kre­ti­sie­rung in Form ei­nes Schul­cur­ri­cul­ums. Hier­durch wird der päd­ago­gi­schen Ver­ant­wor­tung des Leh­ren­den so­wie lo­ka­len Ge­ge­ben­hei­ten und si­tua­ti­ven Ge­stal­tungs­mög­lich­kei­ten Rech­nung ge­tra­gen.

Da Bil­den­de Kunst auf Ver­net­zung an­ge­legt ist, ist ei­ne Öff­nung des Kunst­un­ter­richts zu an­de­ren Fach‑, Wis­sens- und Kom­pe­tenz­be­rei­chen wün­schens­wert und not­wen­dig. Ge­stal­ten und Wahr­neh­men im­pli­zie­ren per se ei­nen wech­sel­sei­ti­gen äs­the­ti­schen Aus­tausch mit vie­len Fä­chern und auf un­ter­schied­li­chen Ebe­nen. So kann Bil­den­de Kunst die Lern­at­mo­sphä­re und das Schul­le­ben po­si­tiv prä­gen. Über Ko­ope­ra­tio­nen mit au­ßer­schu­li­schen In­sti­tu­tio­nen und Part­nern wird das Fach Bil­den­de Kunst zu ei­nem be­deu­ten­den Bin­de­glied zwi­schen Schu­le und Ge­sell­schaft und kann da­bei über den Un­ter­richt und die Schu­le hin­aus ein wert­vol­ler Teil all­ge­mei­ner, öf­fent­li­cher Kul­tur­ar­beit sein.

Stu­fen­spe­zi­fi­sche Hin­wei­se Se­kun­dar­stu­fe I

In Klas­se 10 sind die Be­rei­che Bild und Flä­che ver­pflich­tend. Aus den Be­rei­chen Raum (Plas­tik und Ar­chi­tek­tur) und Zeit (Me­di­en und Ak­ti­on) wird je ein Teil­be­reich ge­wählt. Teil­as­pek­te aus den nicht ge­wähl­ten Be­rei­chen kön­nen in das Un­ter­richts­ge­sche­hen mit ein­be­zo­gen wer­den.


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