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1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb
1.1 Bildungswert der modernen Fremdsprachen
In einer modernen und globalisierten Welt, die von zunehmender Mobilität und Vernetzung geprägt ist, stellen Fremdsprachenkenntnisse eine wichtige Grundlage für den internationalen Dialog dar. Sie befähigen den Einzelnen, sich in interkulturellen Kontexten angemessen zu bewegen. Indem sich Schülerinnen und Schüler mit sprachlicher und kultureller Vielfalt auseinandersetzen, erwerben sie interkulturelle Handlungskompetenz, die sie in die Lage versetzt, mit Individuen und Gruppen anderer Kulturen angemessen und respektvoll zu interagieren. Bei der Begegnung mit einer anderen Sprache wird der Einzelne mit einer neuen, ihm zunächst ungewohnten sprachlichen Ordnung der Welt konfrontiert. Er lernt diese neue Ordnung als andere mögliche Interpretation von Welt kennen und respektieren. Damit unterstützt der Fremdsprachenunterricht in besonderem Maße die Entwicklung von Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt und trägt zu einem friedlichen Zusammenleben in der Welt bei. In einer international geprägten Wirtschafts- und Arbeitswelt stellen Fremdsprachenkenntnisse außerdem eine wichtige Voraussetzung dar, um angemessen auf dem globalen Markt zu agieren.
Ziel eines modernen Fremdsprachenunterrichts ist es deshalb, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, sich in der Fremdsprache sicher zu bewegen und sich dabei zunehmend flüssig und differenziert auszudrücken. Fremdsprachen zu lernen heißt, in fremde Welten einzutauchen und diese in steigendem Maße zu verstehen. Sie ermöglichen es den Lernenden, Wissen über fremde Denkmuster und Handlungsweisen zu erwerben und diese mit den eigenen zu vergleichen. Die Schülerinnen und Schüler können so deren kulturelle und gegebenenfalls auch historische Bedingtheit verstehen, Verständnis und Respekt für das Fremde entwickeln und Missverständnisse vermeiden.
Soziokulturelles Wissen im Zusammenspiel mit interkultureller und funktionaler kommunikativer Kompetenz versetzt die Schülerinnen und Schüler in die Lage, künftig Auslandsaufenthalte und internationale Begegnungen im Rahmen von Ausbildung, Studium und Beruf sowie im Privatleben gezielt und informiert in die Wege zu leiten und erfolgreich zu bewältigen. Hier leisten die modernen Fremdsprachen einen Beitrag zur beruflichen Orientierung der Schülerinnen und Schüler.
Am Gymnasium erwirbt jede Schülerin und jeder Schüler Kompetenzen in mindestens zwei Fremdsprachen. Der Vergleich von Unterschieden und Gemeinsamkeiten fördert die Einsicht in generelle sprachliche Strukturmuster und das Verständnis von Sprache als System. Die Kenntnis von Strukturen verschiedener Sprachen sowie von Strategien und Methoden des Spracherwerbs fördert darüber hinaus das Lernen weiterer Fremdsprachen jenseits der schulischen Ausbildung. Nachdenken über Sprache schult die Fähigkeit, Handlungsweisen, komplexere Sachverhalte, theoretische Erkenntnisse, Denkmuster und Wertvorstellungen zu durchdringen und in einen interkulturellen Zusammenhang zu stellen.
1.2 Kompetenzen
In den vorliegenden Bildungsplänen für die modernen Fremdsprachen ist die Ausbildung der interkulturellen kommunikativen Kompetenz das übergeordnete Ziel des Fremdsprachenlernens. Der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GeR) der Sprachen von 2001 sieht in dieser interkulturellen Handlungsfähigkeit in unterschiedlichen Sprachen den Kern seines Mehrsprachigkeitskonzepts. Er definiert für alle Sprachen gültige Kriterien und Niveaus, nach denen die Sprachbeherrschung von Lernenden eingestuft werden kann. Daran orientiert sich der Kompetenzaufbau über die verschiedenen Klassen in den vorliegenden Bildungsplänen für die modernen Fremdsprachen. Die in den Bildungsplänen beschriebenen Kompetenzen entsprechen den Vorgaben der „Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife“ der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2012, die zu einer Vereinheitlichung der Anforderungen über die Bundesländergrenzen hinweg führen sollen.
Das Schaubild verdeutlicht, dass die Kompetenzen, wie sie nacheinander in den vorliegenden Bildungsplänen aufgeführt sind, keine isoliert zu beherrschenden Einzelfertigkeiten sind, sondern vielmehr ineinandergreifen. Sowohl die prozessbezogenen Kompetenzen als auch die inhaltsbezogenen Kompetenzen stehen im Dienst der interkulturellen kommunikativen Kompetenz.
Als prozessbezogene Kompetenzen werden Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz ausgewiesen: Zum einen unterstützt die Fähigkeit, eine Sprache – auch die Erstsprache – bewusst zu rezipieren und zu verwenden, den Spracherwerbsprozess. Die Schülerinnen und Schüler müssen zum anderen in ihrer Sprachlernkompetenz langfristig gefördert werden, um das eigene Sprachenlernen zielgerichtet zu steuern. Dieser Prozess beginnt bereits im Fremdsprachenunterricht der Grundschule. Die Lernenden sollen Strategien und Methoden erwerben, die sie dazu befähigen, ihr Lernen selbstständig zu organisieren und nach Ende ihrer Schulzeit im Sinne des lebenslangen Lernens weitere Fremdsprachen im außerschulischen Umfeld zu erlernen. Eine Voraussetzung dafür besteht darin, dass sie in ihrer Schullaufbahn allmählich Eigenverantwortung für ihren Lernprozess und ‑zuwachs übernehmen. Prozessbezogene Kompetenzen können nicht von den inhaltsbezogenen Kompetenzen losgelöst erworben werden, sie sind nicht gestuft und werden nicht unmittelbar geprüft. Der ausgewiesene Stand stellt die Zielstufe dar, die das beim Abschluss der Kursstufe zu erreichende Niveau beschreibt.
Die inhaltsbezogenen Kompetenzen umfassen die als zentrales Ziel ausgewiesene interkulturelle kommunikative Kompetenz, die funktionale kommunikative Kompetenz und schließlich die Text- und Medienkompetenz. Voraussetzung für einen gelingenden Kompetenzaufbau ist, dass die Schülerinnen und Schüler angemessene sprachliche Mittel erwerben und reflektieren. Für die Realisierung der kommunikativen Kompetenzen haben sie dienende Funktion.
Die Text- und Medienkompetenz verlangt den Schülerinnen und Schülern einen komplexeren Umgang mit Texten ab, der über die reine Textrezeption hinausgeht. Sie erfordert, dass Schülerinnen und Schüler Texte zunehmend tiefer durchdringen und sich produktiv mit ihnen auseinandersetzen. Die Lernenden sollen die Fähigkeit erwerben, Texte zu strukturieren und zu analysieren, sie zu reflektieren und zu bewerten beziehungsweise neu zu gestalten. In den Bildungsplänen der modernen Fremdsprachen wird von einem erweiterten Textbegriff ausgegangen. Als Texte werden demnach alle mündlichen, schriftlichen und visuellen Produkte in ihrem jeweiligen kulturellen und medialen Kontext verstanden, die analog oder digital vermittelt werden. Von entscheidender Bedeutung für den gymnasialen Fremdsprachenunterricht ist die Auseinandersetzung mit kulturell geprägten Deutungsmustern. Aus diesem Grund hat die Beschäftigung mit literarischen Texten von Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund dort einen besonderen Stellenwert.
Zur Text- und Medienkompetenz zählt darüber hinaus, dass die Schülerinnen und Schüler bei einer Recherche dem Internet zielgerichtet Informationen entnehmen und entsprechend der Aufgabenstellung auswerten können. Zudem lernen sie, Texte gegebenenfalls kritisch zu ihrem medialen Umfeld in Beziehung zu setzen. Damit trägt der moderne Fremdsprachenunterricht zur Medienbildung bei.
Jeweils zu Beginn der inhaltsbezogenen Kompetenzen werden Themen genannt, denn die Schülerinnen und Schüler erwerben die ausgewiesenen Kompetenzen nicht losgelöst von soziokulturellem Wissen. Dies geschieht vielmehr in der ständigen Begegnung und Auseinandersetzung mit Themen, die in ihrer Progression zunehmend gesellschaftsorientiert werden und ein vertieftes kulturelles Verständnis zum Ziel haben.
Methodisch-strategische Teilkompetenzen sind den funktionalen kommunikativen Kompetenzen zugeordnet. Sie sind im Bildungsplan 2016 jeweils am Ende einer Kompetenz aufgeführt und durch eine Zwischenüberschrift kenntlich gemacht. Verweise auf Teilkompetenzen anderer Bereiche der Fremdsprachenpläne zeigen, welche Teilkompetenzen Grundlage oder sinnvolle Erweiterungsmöglichkeiten darstellen. Mit den vorliegenden Verweisen wird kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben; sie sind nicht grundsätzlich verbindlich, sondern sollen zum Querlesen einladen.
Um den Lernstand, den die Schülerinnen und Schüler laut Bildungsplan aus den vorherigen in die nachfolgenden Klassen mitbringen sollen, besser nachvollziehen zu können, hat die jeweilige Teilkompetenz über alle Klassen hinweg die gleiche Nummerierung. Die Progression der einzelnen (Teil‑)Kompetenzen wird so erkennbar. Mitunter wird eine Teilkompetenz ab einer bestimmten Klasse nicht mehr fortgeführt beziehungsweise sie setzt später ein. In diesen Fällen erfolgt ein konkreter Hinweis in der jeweiligen Zeile. Die Teilkompetenzen werden anhand von Operatoren beschrieben, deren jeweilige Bedeutung in der Liste im Anhang der Pläne definiert ist. Die definierten handlungsleitenden Verben dienen dazu, alle sprachlichen Operationen, die im Laufe des Erwerbs aller kommunikativen Kompetenzen erlernt werden, trennscharf zu erfassen. Es handelt sich dabei nicht um die fremdsprachlichen Prüfungsoperatoren.
1.3 Bildungswert des Faches Englisch
Die Schülerinnen und Schüler begegnen der englischen Sprache in ihrer Lebenswelt in vielfältiger Weise, zum Beispiel in der Jugendkultur, in den Medien, in der Werbung und im Sport. Die Sprache ist für sie im Alltag lebendig und stellt somit eine Grundlage für Freude am Sprachenlernen dar. Auch als Reisende erleben sie, dass Englisch als lingua franca vielerorts die Sprache ist, die die Verständigung mit anderssprachigen Personen ermöglicht. Diese Erfahrungen machen ihnen unmittelbar einsichtig, wie sinnvoll und bereichernd das aktive Sprachhandeln im Englischen ist. In einem späteren Lernstadium entwickeln sie ein Bewusstsein für Chancen und Grenzen der englischen Sprache als lingua franca.
Die Beherrschung der englischen Sprache ermöglicht jedoch nicht nur die Teilhabe am internationalen Dialog, sondern insbesondere den Zugang zu englischsprachigen Kulturräumen. Wichtigste Bezugsländer im Englischunterricht sind Großbritannien und die USA, wobei auch die Auseinandersetzung mit anderen englischsprachigen Nationen bedeutsam ist. Die Schülerinnen und Schüler erwerben Kenntnisse über verschiedene Länder der anglophonen Welt und erkennen, dass diese zwar durch die Sprache verbunden, aber in ihren kulturellen Ausprägungen unterschiedlich sind. Das Fach Englisch trägt damit zu ihrer interkulturellen Sensibilität und Handlungsfähigkeit bei.
Im Englischunterricht des Gymnasiums kommt fiktionalen und literarischen Texten eine besondere Bedeutung zu. Sie fordern die Schülerinnen und Schüler in ihren analytischen Fähigkeiten und sprechen sie affektiv, ästhetisch und in ihrer Kreativität an. In diesen Texten konkretisieren sich für die Schülerinnen und Schüler die ausgewiesenen Themen. Literatur und Filme aus unterschiedlichen englischsprachigen Ländern bieten ihnen die Gelegenheit, vielfältige Denk- und Handlungsweisen zu erfahren, andere Perspektiven einzunehmen beziehungsweise zu hinterfragen, sowie sich analytisch und gestaltend mit Texten zu beschäftigen. Diese Texte können auch modellhaft interkulturell bedeutsame Kommunikationssituationen vor Augen führen und Lernende für das eigene Sprachhandeln sensibilisieren. In authentischen Begegnungen, wie zum Beispiel in E-Mail-Projekten, erproben und erweitern die Schülerinnen und Schüler ihre sprachliche und interkulturelle kommunikative Kompetenz.
Beitrag des Faches zu den Leitperspektiven
In welcher Weise das Fach Englisch einen Beitrag zu den Leitperspektiven leistet, wird im Folgenden dargestellt:
- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Bildung für nachhaltige Entwicklung im Sinne der Leitperspektive erfolgt im Fach Englisch über die Auseinandersetzung mit den ausgewiesenen nachhaltigkeitsrelevanten Themen, die in den höheren Klassen in einen zunehmend globalen Kontext gestellt sind. Dazu gehören auch Fragestellungen, die im Rahmen aktueller Anlässe im Unterricht beleuchtet werden können. Auf diese Weise wird das Bewusstsein der Schülerinnen und Schüler für die Notwendigkeit eines sozial und ökologisch verträglichen Handelns gefördert. - Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
Angesichts der Relevanz des Englischen als Welt- und Verkehrssprache gilt es, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, in vielfältigen Kommunikationssituationen erfolgreich zu agieren. Die Voraussetzung dafür sind fundierte Kenntnisse über verschiedene englischsprachige Länder. Für ein vertieftes interkulturelles Verständnis vergleichen die Schülerinnen und Schüler die eigenen kulturbedingten Prägungen mit denen der englischsprachigen Zielländer und reflektieren Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Somit leistet das Fach Englisch einen zentralen Beitrag zur Bildung von Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt im Sinne der Leitperspektive. - Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
Im Englischunterricht wird diese Leitperspektive in zweifacher Hinsicht umgesetzt: Den Schülerinnen und Schülern werden Wege aufgezeigt, Kommunikation wertschätzend und lösungsorientiert zu gestalten und auch in sprachlich oder kulturell bedingt schwierigen Situationen die Kommunikation aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus unterstützt der Fremdsprachenunterricht junge Menschen durch den Erwerb geeigneter Strategien und Methoden darin, eigene Ressourcen effizient zu nutzen, um zielsicher und motiviert zu lernen und einer Überforderung vorzubeugen. - Berufliche Orientierung (BO)
Im Englischunterricht der Orientierungsstufe werden die Lernenden zunächst auf persönliche und in späteren Klassen auch auf berufliche Begegnungssituationen vorbereitet. Insbesondere erwerben die Schülerinnen und Schüler die Voraussetzungen, sich schriftlich und mündlich in einer Bewerbungssituation zu bewähren. Neben der Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit spielt zunehmend die mündliche und schriftliche Auseinandersetzung mit Texten und gesellschaftlich relevanten Themen eine besondere Rolle, sodass die Schülerinnen und Schüler auf eine englischsprachige, multikulturelle Lebens- und Berufswelt vorbereitet werden und das Fach somit zur beruflichen Orientierung beiträgt. - Medienbildung (MB)
Der Englischunterricht trägt in doppelter Hinsicht zur Medienbildung der Lernenden bei. Zum einen eignen sich digitale Medien in besonderem Maße sowohl für den individualisierten und selbstständigen Aufbau der sprachlichen Mittel als auch für die eigenständige Recherche interkulturell bedeutsamer Inhalte. Zum anderen thematisiert der Englischunterricht den sicheren, kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit Medien und Schülerinnen und Schüler lernen, ihre Kenntnisse auch in der Produktion eigener Texte anzuwenden. Durch das Lernen mit und über Medien reflektieren sie auch die Rolle des Englischen in den Medien. - Verbraucherbildung (VB)
Ziel der Leitperspektive Verbraucherbildung ist der Erwerb von Kompetenzen für einen selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Konsum. Im Fach Englisch wird dieses Ziel durch die Auseinandersetzung mit geeigneten Texten zum Beispiel zur landesspezifischen Alltags- und Esskultur sowie zum Verbraucherverhalten gefördert. Dabei wird das Verhalten der Schülerinnen und Schüler im Vergleich mit dem von Gleichaltrigen der Zielkultur betrachtet. An ausgewählten Beispielen lässt sich der Zusammenhang zwischen Konsumverhalten und möglichen globalen Folgen reflektieren.
Englisch als zweite Fremdsprache
Schülerinnen und Schüler mit Englisch als zweiter Fremdsprache ab Klasse 6 erreichen am Gymnasium mit Abschluss der Klasse 8 das gleiche Niveau wie Schülerinnen und Schüler mit Englisch als erster Fremdsprache.
Grundlage der Kompetenzanforderungen des vorliegenden Bildungsplans sind der Gemeinsame europäische Referenzrahmen für Sprachen (GeR) sowie die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK) von 2012. Die Standards für die allgemeine Hochschulreife orientieren sich dabei am Niveau B2, in Teilen C1.
Der Lernstand der Schülerinnen und Schüler am Ende der Klasse 10 entspricht in der Regel dem Niveau B1, in Teilen B2. Dies gilt sowohl für die erste als auch für die zweite Fremdsprache. Den Lernstand des Mittleren Schulabschlusses erreichen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums ohne Prüfung am Ende der Klasse 9.
1.4 Didaktische Hinweise
Übergang von der Grundschule
Das Fremdsprachenlernen ist als Kontinuum zu sehen und insofern ist es wichtig, beim Beginn der zweiten Fremdsprache Synergieeffekte aus der ersten Fremdsprache zu nutzen. Den Schülerinnen und Schüler kommt die Erfahrung zugute, dass sie sich bereits auf eine fremde Sprache und Kultur eingelassen haben und die Situation kennen, nicht alles zu verstehen. Sie verfügen über grundlegende Kompetenzen im Bereich der prozessbezogenen Kompetenzen, der rezeptiven Strategien und der Verfahren zum Strukturieren und Memorieren von Wortschatz, die sie in der Begegnung mit einer weiteren Fremdsprache nutzen können. Sofern die Schülerinnen und Schüler bereits in der Grundschule Englisch gelernt haben, kann außerdem an den in Kapitel 1.5 ausgewiesenen Lernstand angeknüpft werden. Davon ausgehend baut der Unterricht in der zweiten Fremdsprache die produktiven sowie die lexikalischen und grammatischen Kompetenzen behutsam, konsequent und systematisch aus. In der Orientierungsstufe steht dabei das ganzheitliche, anschauliche Lernen im Vordergrund und die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich mit konkreten Themen, Situationen und Erfahrungen. Im Laufe der Sekundarstufe I setzen sie sich mit zunehmend abstrakteren Inhalten auseinander.
Funktionale Einsprachigkeit
Im Sinne der kommunikativen Ausrichtung ist Englisch prinzipiell und durchgängig Unterrichtssprache. In der Orientierungsstufe kann es in Ausnahmesituationen zielführender sein, wenn die Lehrkraft zum besseren Verständnis in sehr kurzen Phasen Deutsch spricht, zum Beispiel bei einzelnen schwierigen Grammatikphänomenen oder für interkulturell wichtige Erläuterungen. In den nachfolgenden Klassen ist der Englischunterricht beziehungsweise die Kommunikation der Schülerinnen und Schüler untereinander im Unterricht einsprachig. In der Wortschatzarbeit kann zur Semantisierung von Vokabeln und mit Blick auf die Sprachmittlung die deutsche Entsprechung für einen Ausdruck sinnvoll sein.
Sprachliche Mittel
Im kompetenzorientierten Englischunterricht steht das Sprachhandeln in möglichst authentischen Kommunikationssituationen im Vordergrund. Die Voraussetzung dafür sind die sprachlichen Mittel, um Gesprächspartner beziehungsweise Texte zu verstehen und sich adäquat ausdrücken zu können. Deshalb gibt es in einem kommunikativ ausgerichteten Englischunterricht Phasen, in denen bewusste Spracharbeit, auch in den Klassen der Oberstufe, im Fokus steht. Nach der Bewusstmachung müssen die Schülerinnen und Schüler in möglichst vielfältigen Kommunikationssituationen die Möglichkeit haben, neue oder auch zuvor gelernte Lexik und grammatische Strukturen anzuwenden. Im frühen Lernstadium geschieht dies gegebenenfalls gelenkt, später zunehmend freier. Durch eine Fokussierung auf Übung und Wiederholung der sprachlichen Mittel im lexikalischen und grammatischen Bereich wird der Grundstein für erfolgreiches und nachhaltiges Sprachenlernen gelegt. Diesem Aspekt trägt der Bildungsplan folgendermaßen Rechnung:
Beim Auf- und Ausbau des thematischen und themenunabhängigen Wortschatzes ist angesichts der Idiomatik der englischen Sprache besonders auf die Vermittlung und Übung von Kollokationen, feststehenden Wendungen und idiomatischen Ausdrücken zu achten (Vergleiche Wortschatz Teilkompetenz (3)). Ausgewählte sprachliche Phänomene, welche ehemals unter Grammatik aufgeführt wurden, sind nun im Bereich Wortschatz als themenunabhängige Redemittel ausgewiesen. Auf diese Weise werden zum Beispiel Possessivpronomen, Mengenangaben oder Präpositionen als lexikalische Einheiten gelernt.
Auch eine Entschleunigung in der Grammatikprogression ermöglicht mehr Zeit zur Übung und Wiederholung. Zum einen werden einzelne Grammatikphänomene in die nächst höhere Standardstufe verlegt, was mehr Raum zur Festigung bereits eingeführter und kognitivierter grammatischer Phänomene schafft. Zum anderen werden für Lernende in der freien Äußerung besonders schwierige grammatische Phänomene wie zum Beispiel adverbs of manner zunächst rezeptiv eingeführt und erst in der folgenden Standardstufe produktiv verlangt. Die wiederholte Begegnung mit einem Phänomen, ohne dass es unmittelbar produktiv eingefordert wird, ist dem Lernerfolg dienlich.
Im Zuge einer zunehmenden Globalisierung werden bei Aussprache und Intonation neben General American und Received Pronunciation auch andere englische Standardsprachen akzeptiert wie zum Beispiel Australian English, Irish English oder Indian English. Wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer schulischen Laufbahn unterschiedlichen Standardsprachen begegnen, entweder medial vermittelt oder durch den Kontakt mit Muttersprachlern.
Umgang mit Fehlern
Das oberste Ziel des Fremdsprachenunterrichts, die Kommunikationsfähigkeit, hat Konsequenzen für den Umgang mit und die Einschätzung von Fehlern bei Schüleräußerungen. Äußern sich Schülerinnen und Schüler spontan mündlich, sollten ausgewählte Fehler behutsam korrigiert werden. Bei der Bewertung sowohl schriftlicher als auch mündlicher Leistungen dürfen die Schülerinnen und Schüler nicht am Muttersprachler gemessen werden, sondern an dem für die jeweiligen Klassen ausgewiesenen Lernstand. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Erwerb sprachlicher Strukturen eine gewisse Zeit benötigt, bis diese sicher in der freien schriftlichen und mündlichen Äußerung verfügbar sind. Das bedeutet, dass die sprachliche Korrektheit nicht das ausschließliche Bewertungskriterium ist. Relevant sind auch die Verständlichkeit und das Ausdrucksvermögen sowie die Flüssigkeit in der gesprochenen Sprache.
Lehrwerke
Aus Gründen der Motivation und Aktualität ist es erstrebenswert, auch lehrwerksunabhängige und authentische Materialien einzusetzen. Lehrwerksteile können zum Beispiel über Ganzschriften und/oder Filmsequenzen abgedeckt werden. In der rezeptiven und produktiven Beschäftigung damit erwerben die Schülerinnen und Schüler die erforderlichen sprachlichen Mittel, welche auch eine Grundlage für die Weiterarbeit mit dem Lehrwerk darstellen. Da die Lehrwerke nicht immer bundeslandspezifisch konzipiert werden, ist es zudem erforderlich, das eingesetzte Lehrwerk mit dem gültigen Bildungsplan und dem Lernstand der Schülerinnen und Schüler abzugleichen. Dies kann zur Folge haben, dass Teile nicht unterrichtet werden beziehungsweise das Lehrwerk ergänzt werden muss, um die Anforderungen des jeweiligen Bildungsplans zu erfüllen.
Aufgabenorientierung
Besonders geeignet für den kommunikativ orientierten Englischunterricht sind komplexe und lebensweltlich relevante Aufgabenstellungen, die verschiedene (Teil‑) Kompetenzen integrieren. Dieser Anforderung trägt der methodische Ansatz der Aufgabenorientierung Rechnung: In Situationen, die sich an der Lebenswelt orientieren, erproben die Schülerinnen und Schüler ihre kommunikative Handlungsfähigkeit und bereiten sich so auf die Bewältigung realer Kommunikationserfordernisse vor. Dabei üben sie sich auch in ihrer methodischen und sozialen Kompetenz. Sie fassen Selbstvertrauen, indem sie die unterschiedlichen (Teil‑) Kompetenzen anwenden und wählen dabei zunehmend selbstständig die sprachlichen Strukturen, die zur erfolgreichen Realisierung der Aufgabe führen.
Bilinguales Lernen
Im bilingualen Unterricht erarbeiten die Schülerinnen und Schüler Inhalte und Problemstellungen eines Sachfachs in der Fremdsprache. Damit fördert das bilinguale Lernen sowohl die Sprachkompetenz der Schülerinnen und Schüler als auch die Fachkompetenz im Sachfach. Bilinguale Module und Sequenzen in den Sachfächern können auch temporär im Sachfachunterricht von nicht bilingualen Schulen unterrichtet werden.
1.5 Englisch-Kenntnisse aus der Grundschule
Sofern die Schülerinnen und Schüler Englisch in der Grundschule gelernt haben, geht der weiterführende Kompetenzaufbau von dem nachfolgend in Kurzform dargestellten Lernstand aus.
Prozessbezogene Kompetenzen
Sprachlernkompetenz (und Sprachlernstrategien)
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein erstes überblickartiges Sprachbewusstsein. Sie wenden Strategien an, „um die eigenen Ressourcen zu mobilisieren und ausgewogen zu nutzen“ (Europarat für kulturelle Zusammenarbeit, 2001, S. 62).
Sie stellen Vergleiche mit der Erstsprache an, entdecken Besonderheiten der Zielsprache und ihrer Kultur. Sie bauen einfache Strategien auf, um zielsprachliche Äußerungen und Informationen, die situativ gestützt sind, zu verstehen. Wiederkehrende sprachliche Strukturen werden erkannt und übernommen. Sie lernen zunehmend, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu beobachten und angeleitet zu dokumentieren.
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Kulturelle Kompetenz, Themenfelder
In der Auseinandersetzung mit den ausgewiesenen Themenfeldern entdecken die Schülerinnen und Schüler einige Besonderheiten des Alltags in der Kultur der Zielsprache, erfahren dabei Offenheit und Toleranz für die fremde Sprache und erwerben sowohl verbindliche Redemittel als auch einen Wortschatz, der durch unterrichtliche Rahmenbedingungen (Schülerinteressen, örtliche Gegebenheiten …) gesetzt wird.
Themenfelder
- Ich und meine Familie
- Körper
- Kleidung
- zu Hause
- Freizeit
- Schule
- Tagesablauf
- Essen, Trinken und Einkaufen
- Unterwegs
- Natur und Tiere
- Farben
- Zahlen, Datum, Uhrzeit
- Jahr und Feste
- Wetter
Auszug aus einem Themenfeld (Umsetzungsbeispiel):
Themenfeld: Ich und meine Familie
Wortfeld Begrüßung, Verabschiedung, Höflichkeitsformeln, sich vorstellen, persönliche Fragen, Vorlieben, Familienmitglieder, Eigenschaften |
Verbindliche Redemittel Hello. How are you? I am … Thank you. Good … Bye bye! Excuse me … What is your name? My name is … I am … years old. I live in … What’s your telephone number? My telephone number is … How old are you? How old is …? I have got … brother/sister. His/Her name is … He/She lives in … He/She is … |
Mögliche Verknüpfungen
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Kommunikative Fertigkeiten
Hör‑/Hörsehverstehen
Die Schülerinnen und Schüler können einfachen einsprachigen Unterrichtssituationen folgen und die sprachlichen Impulse verstehen. Dabei nutzen sie kontextuelle Hilfen wie Gestik, Mimik und Visualisierung. Aus didaktisierten Hör‑/Hörsehtexten ihrer Lebenswelt können sie einzelne Informationen entnehmen.
Leseverstehen
Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, den Inhalt kurzer Texte mit weitgehend bekannter Lexik zu verstehen.
An Gesprächen teilnehmen / zusammenhängendes monologisches Sprechen
Die Schülerinnen und Schüler können mit eingeübten Redemitteln Aussagen zu ihrer Person machen, einfache Fragen stellen und verbale sowie nonverbale Antworten geben.
Schreiben
Die Schülerinnen und Schüler können einfache, isolierte Wendungen und Sätze schreiben.
Sprachliche Mittel
Wortschatz und Grammatik
Die Schülerinnen und Schüler wenden die verbindlichen Redemittel an. Es erfolgt jedoch in der Regel keine Bewusstmachung der grammatikalischen Strukturen im Sinne einer systematischen Sprachbeschreibung. Die Schülerinnen und Schüler verfügen über einen individuellen Wortschatz aus dem Bereich der ausgewiesenen Themenfelder.
Aussprache und Intonation
Die Schülerinnen und Schüler können bekannte Wörter und Strukturen verständlich aussprechen und dabei die entsprechende Satzintonation (Frage, Aussage) nutzen.
1.6 Basisfach und Leistungsfach in der Oberstufe
In der gymnasialen Kursstufe können die Schülerinnen und Schüler das Fach Englisch als Basisfach oder als Leistungsfach belegen.
In der Auseinandersetzung mit literarischen und nichtliterarischen Texten und Medien erweitern die Schülerinnen und Schüler im Basisfach und im Leistungsfach ihre fremdsprachlichen Kompetenzen und damit auch ihre interkulturelle Handlungskompetenz. Im Hinblick auf die allgemeine Studierfähigkeit kommen im Fach Englisch außerdem populärwissenschaftliche Sach- und Fachtexte aus verschiedenen Disziplinen zum Einsatz.
Basisfach und Leistungsfach unterscheiden sich hinsichtlich des Komplexitäts- und Abstraktionsgrades der Texte und Themen sowie hinsichtlich der Breite, Tiefe und Differenziertheit der Aufgabenbearbeitung.
Am Ende der Kursstufe erreichen alle Schülerinnen und Schüler die Niveaustufe B2, in Teilen C1, des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GeR).