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1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb
1.1 Bildungswert des Faches Deutsch
Sprache ist ein Schlüssel zur Welt. Sie eröffnet vielfältige Zugänge zur Wirklichkeit genauso wie zu personalen und sozialen Denk- und Handlungsmustern und ist unverzichtbar für die Klärung der Beziehung zwischen Individuum und Außenwelt. Die Ausbildung von Identität wie auch die Integration in komplexe soziale Zusammenhänge sind untrennbar verknüpft mit kontinuierlicher Reflexion über Sprache und der Erweiterung der individuellen sprachlichen Kompetenz. In Sprache gefasst lässt sich das Schöne, aber auch das Schreckliche der Welt erfahren und deuten. Die Ausbildung ästhetischer Kompetenz ist eine Grundlage des Individuationsprozesses und ermöglicht die Entwicklung von Fantasie.
Die herausgehobene Bedeutung des Deutschunterrichts resultiert aus dem Umstand, dass die Sprache sowohl Medium wie auch Gegenstand des Faches ist: Die Verständigung über Texte und andere Medien erfolgt durch sprachliche Akte, die ihrerseits wieder Thema des Unterrichts werden können. Kommunikative Prozesse, insbesondere das Leseverstehen und der Erwerb einer mündlichen und schriftlichen Ausdrucksfähigkeit, machen den Kernbestand des Faches aus. Die hier vermittelten Fähigkeiten und Kenntnisse sind über die eigentlichen Inhalte des Deutschunterrichts hinaus für alle anderen schulischen Fächer wie auch für den weiteren Bildungs- und Berufsweg der Schülerinnen und Schüler relevant.
Der Literatur kommt im Deutschunterricht eine besondere Bedeutung zu: In ihr erfahren die Schülerinnen und Schüler die ästhetische Gestaltung von Welten. Der Literaturunterricht gibt zudem vielfältige Gelegenheit, in der Vermittlung durch Literatur die Problemlagen vergangener wie moderner Gesellschaften zu verstehen und kritisch zu hinterfragen. So hilft der Deutschunterricht den Schülerinnen und Schülern im Umgang mit Literatur, aber auch mit Sachtexten und anderen Medien, sich in einer technisch-medial beschleunigten und zunehmend komplexen Lebenswelt zu orientieren und mit den Anforderungen und Möglichkeiten der modernen Informationsgesellschaft umgehen zu können.
In schulischen Kommunikationssituationen erfahren die Lernenden Alterität und Heterogenität als soziale Realität und lernen, mit unterschiedlichen Lebensentwürfen umzugehen. Das Nachdenken über die eigene kulturelle Herkunft wird zur zentralen Voraussetzung von kritischer und konstruktiver Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Durch die Begegnung mit unbekannten sowie fiktionalen Welten und fremden Sprach- und Denkmustern, die zu einer Auseinandersetzung mit Vertrautem und Fremdem anregen, fördert der Deutschunterricht Sensibilität und Empathie und unterstützt den interkulturellen Dialog. Nicht zuletzt besteht seine wesentliche Zielsetzung darin, Freude an der deutschen Sprache und dem Nachdenken darüber, am Lesen und an der ästhetischen Wahrnehmung zu wecken.
Beitrag des Faches zu den Leitperspektiven
Das Fach Deutsch leistet in vielfältiger Weise einen Beitrag zu den Leitperspektiven, die im Folgenden dargestellt werden.
- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
In der Auseinandersetzung mit Literatur wie mit Sach- und Gebrauchstexten wird der Deutschunterricht zu einem Forum, in dem gesellschaftlich relevante Fragen diskutiert werden. Dadurch wird nicht nur das Urteilsvermögen der Schülerinnen und Schüler gestärkt, auch ein differenziertes Textverständnis ist notwendig, um die Fähigkeit zu demokratischer Teilhabe, Mitwirkung und Mitbestimmung in einer komplexen Lebenswelt mit ihren globalen Herausforderungen im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu fördern. - Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
Den unterschiedlichen Themen und Gegenständen des Deutschunterrichts ist gemeinsam, dass es häufig um die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität sowie um die Konfrontation mit dem Anderen, um die Begegnung mit unbekannten und fiktionalen Welten geht. Dadurch vermittelt der Deutschunterricht den Schülerinnen und Schülern wichtige Perspektiven auf die Lebenswelt. Er trägt dazu bei, Bewusstsein für die Verschiedenheit von Lebensentwürfen zu schaffen und Achtung und Respekt zu stärken. Er leistet damit einen eigenen Beitrag zur Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt. - Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
Der Deutschunterricht ermöglicht Probehandeln und berührt so auch den Aspekt der Selbstwirksamkeit, der in der Leitperspektive Prävention und Gesundheitsförderung zum Ausdruck kommt. Die Beschäftigung mit fiktionaler Literatur als zentralem Handlungsfeld des Deutschunterrichts gibt Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, fremde Perspektiven einzunehmen und das Denken und Fühlen literarischer Figuren nachzuvollziehen. Auch thematisch bieten literarische wie nichtliterarische Texte im Deutschunterricht Anlass, über zentrale Themen dieser Leitperspektive wie zum Beispiel unterschiedliche konstruktive oder destruktive Formen der Kommunikation und der sozialen Interaktion nachzudenken. Insgesamt trägt der Umgang mit Sprache und Literatur dazu bei, Selbstwahrnehmung und Empathiefähigkeit zu fördern. - Berufliche Orientierung (BO)
Im Deutschunterricht erwerben und vertiefen die Schülerinnen und Schüler ihre schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit und ihr Leseverstehen: Damit gewinnen sie Schlüsselqualifikationen, die in einer Wissens- und Informationsgesellschaft und für den weiteren Bildungs- und Berufsweg der Schülerinnen und Schüler unverzichtbar sind. Insofern stellt die Leitperspektive Berufliche Orientierung die Verbindung her zwischen spezifischen Fachkompetenzen und einem Deutschunterricht, der auch berufliche Perspektiven eröffnet. So kann beispielsweise die Rezeption von Sach- und Gebrauchstexten eine wichtige Voraussetzung für eine gelingende berufliche Orientierung der Schülerinnen und Schüler bilden. - Medienbildung (MB)
Die Leitperspektive Medienbildung ist für das Fach Deutsch von großer Bedeutung und im Bildungsplan Deutsch repräsentativ verankert: Nicht nur die Standards des Teilbereichs „Medien”, sondern viele weitere Fachkompetenzen tragen der Bedeutung der Medienbildung und Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation in einer multimedial geprägten Gesellschaft Rechnung. Sie sollen sicherstellen, dass sich die Schülerinnen und Schüler in einer technisch beschleunigten und zunehmend komplexer werdenden Lebenswelt orientieren können und zu einem selbstbestimmten, verantwortungsbewussten und selbstregulativen Mediengebrauch finden. Medienbildung bedeutet im Deutschunterricht darüber hinaus immer auch, dass die Medien und ihre spezifischen Inhalte, Vermittlungsleistungen und ästhetischen Qualitäten zu einem Gegenstand des Unterrichts werden. - Verbraucherbildung (VB)
Medien sind zudem Einflussfaktoren, denen im Bereich der Leitperspektive Verbraucherbildung große Bedeutung zukommt. Über Medien vermitteln sich Konsumwünsche, Medien definieren in großem Maße das Konsumverhalten der Schülerinnen und Schüler. Bewusstsein zu schaffen für ein reflektiertes, selbstbestimmtes und verantwortungsbewusstes Verbraucherverhalten, ist im Deutschunterricht eine wichtige Aufgabe, vor allem durch Analyse und Produktion von Texten verschiedener medialer Ausformung und ästhetischer Gestaltung und einem kritischen Umgang damit (zum Beispiel Sprache der Werbung).
1.2 Kompetenzen
Die Bildungsstandards im Fach Deutsch sind in folgende Kompetenzbereiche gegliedert:
Prozessbezogene Kompetenzen
- Sprechen und Zuhören
- Schreiben
- Lesen
Inhaltsbezogene Kompetenzen
- Texte und andere Medien
- Sprachgebrauch und Sprachreflexion
Alle Kompetenzbereiche sind eng miteinander verknüpft:
Prozessbezogene Kompetenzen
Die Kompetenzen der Bereiche „Sprechen und Zuhören“, „Schreiben“ und „Lesen“ stehen am Anfang des Fachplans Deutsch: Als prozessbezogene Kompetenzen erstreckt sich ihr Erwerb über alle Klassen des Bildungsgangs bis zum Ende der Kursstufe. Gleichzeitig bilden sie die Grundlage und die Voraussetzung zum Erwerb von fachlichen Qualifikationen und Kenntnissen. Sie gehören nicht nur zum Kernbestand des Faches, sondern wirken auch über die eigentlichen Fachgrenzen hinaus. Alle drei prozessbezogenen Kompetenzbereiche enthalten sowohl produktive als auch rezeptive Kompetenzen. Sie sollen im Folgenden in ihrer Bedeutung skizziert werden.
Sprechen und Zuhören
Der Kompetenzbereich „Sprechen und Zuhören“ umfasst die verschiedenen Formen der Kommunikation. Ziel des Deutschunterrichts ist es, die Fähigkeit zum Sprechen in unterschiedlichen Kommunikationssituationen auf der Basis eines differenzierten Wortschatzes auszubilden. Dies verlangt von den Schülerinnen und Schülern die Bereitschaft, Sprache normgerecht zu verwenden sowie ihr Sprechvermögen kritisch zu hinterfragen und zu überprüfen.
Zum „Sprechen“ gehören Kenntnisse und Beherrschung von Sprachnormen und Gesprächsregeln ebenso wie eine deutliche Artikulation, praktisch-rhetorische Fähigkeiten und der sichere Umgang mit verschiedenen Präsentations- und Vortragstechniken zum themen- und adressatengerechten Sprechen in der Öffentlichkeit. Die Kenntnis und Einhaltung kommunikativer Regeln ermöglicht situativ angemessenes Sprechen, auch unter Berücksichtigung eines geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs, und strebt prinzipiell ein symmetrisches Kommunikationsverhalten an. Szenische und theatrale Ausdrucksformen erweitern das Zeichenrepertoire; sie haben identitätsstiftende wie sprecherzieherische Wirkung und ermöglichen im szenischen Interpretieren die Erschließung von Texten.
Die Fähigkeit zum „Zuhören“ als Ausdruck einer gesteigerten Wahrnehmungsfähigkeit bildet den zweiten Teil dieses Kompetenzbereichs. Gelingende Kommunikation im persönlichen und schulischen Bereich erfordert stets beides: Sprechvermögen und die Bereitschaft zuzuhören. Intentionales und zielgerichtetes Zuhören zu fördern, ist zentrales Ziel des Deutschunterrichts.
Schreiben
Der Kompetenzbereich „Schreiben“ umfasst die Ausbildung aller schulischen wie privaten Schreibformen. Durch die stetige Erweiterung und Vertiefung der Kompetenz, das Schreiben als Prozess zunehmend eigenständig und verantwortlich zu gestalten, werden sich die Schülerinnen und Schüler des Schreibens als zentraler Kommunikationsform zwischen Menschen bewusst. Sie planen, formulieren und überarbeiten ihre Texte und verfügen über ein differenziertes Textsortenwissen. Geläufiges Schreiben wird auf diese Weise innerhalb eines von der Grundschule bis zum Abitur reichenden gestuften Schreibcurriculums erreicht, das alle Schreibformen umfasst: vom informierenden, argumentierenden, appellierenden, untersuchenden bis zum gestaltenden und literarischen Schreiben. Es führt dabei vom praxisnahen Schreiben bis hin zur Wissenschaftspropädeutik. Besonders argumentative und interpretierende Schreibformen erfordern von Schülerinnen und Schülern eine kognitive, sprachliche und textorganisatorische Gesamtleistung, die deshalb auch einen Schwerpunkt in der gymnasialen Kursstufe bildet.
Gerade die elementare Kulturtechnik des Schreibens bedarf stetiger Förderung, um soziale Disparitäten in den schriftlichkeitsbezogenen Leistungen auszugleichen. Formale und inhaltliche Sprachrichtigkeit, selbstständiges Urteilen sowie Stilsicherheit begründen ein dauerhaftes Schreibbewusstsein. Darüber hinaus machen die Schülerinnen und Schüler die Erfahrung, ihre Individualität in Texten ausdrücken und das Schreiben als Mittel von Problemlösung, zur Entwicklung von Ideen und neuen Sichtweisen entdecken zu können und nicht zuletzt auch Freude am Schreiben zu entwickeln.
Lesen
Die Kompetenzbereiche „Schreiben“ und „Lesen“ stehen in einem Wechselverhältnis: Im Schreiben werden die potenziellen Leserinnen und Leser mitgedacht, Leseprozesse initiieren häufig Schreibprozesse.
Im Deutschunterricht stehen die Methoden der Texterschließung und der Textverstehensprozess im Zentrum. Die Schülerinnen und Schüler erlernen Strategien und Methoden zur Analyse und Interpretation von literarischen Texten, von Sach- und Gebrauchstexten sowie von nichtlinearen Texten in unterschiedlichen medialen Formen.
Bei der Texterschließung geht es zum einen um die Sicherung und die Wiedergabe des Inhalts, zum andern um die Erfassung der sprachlichen Verknüpfungsstruktur des Textes und seiner stilistischen Besonderheiten. Der Textverstehensprozess führt über das analytisch und strategisch Erfasste hinaus: Texte als in Sprache gebrachte Weltentwürfe ermöglichen – vor allem bei literarischen Texten – Identifikation oder Abgrenzung und eine Überprüfung von Handlungsoptionen und Verhaltensdispositionen. Lesend erleben die Schülerinnen und Schüler Literatur als Mittel und Ausdruck von realer und fiktionaler Welterfahrung, lesend entwickeln sie ihre Empathiefähigkeit und Toleranz in der Auseinandersetzung mit dem dargestellten menschlichen Denken, Fühlen und Handeln. Lesen als komplexer kognitiver Prozess integriert Vor- und Weltwissen, wie es auch in der Folge im verstehenden Lesen Wissen erzeugt. Ziel ist neben der Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit Texten auch die Erhaltung und Förderung des Leseinteresses der Schülerinnen und Schüler.
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen sind in zwei Bereiche gegliedert: Der Kompetenzbereich „Texte und andere Medien“ ist unterteilt in „Literarische Texte“, „Sach- und Gebrauchstexte“ und „Medien“, der Kompetenzbereich „Sprachgebrauch und Sprachreflexion“ bezieht sich auf die „Struktur von Äußerungen“ und auf die „Funktion von Äußerungen“.
Texte und andere Medien
Literarische Texte
Im Bereich „Texte und andere Medien“ kommt den literarischen Texten im gymnasialen Unterricht ein besonderes Gewicht zu; dies gilt vor allem für die höheren Klassenstufen und in besonderem Maße für die Oberstufe. Der Umgang mit Literatur trägt wesentlich zur literarischen, ästhetischen und kulturellen Bildung, zur gesellschaftlichen Orientierung, zur Werteerziehung und zur Persönlichkeitsbildung bei.
Literarische Texte nehmen als Spiel- und Simulationsräume der Fiktionalität im Deutschunterricht eine zentrale Stellung ein. Sie eröffnen den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre Erfahrungen an den in Literatur dargestellten Figuren und deren Handeln in einer fiktionalen Welt zu messen sowie im Wechsel der Perspektiven Lebensorientierung zu finden. Identifikation wie auch Abgrenzung prägen eigene Lesebiografien, die die Lernenden dazu befähigen, am literarischen Leben und am kollektiven kulturellen Gedächtnis teilzuhaben. Die Schülerinnen und Schüler verfügen am Ende des Bildungsgangs über ein differenziertes literarisches und kulturelles Wissen, etwa zu zentralen Autoren und Texten, Epochen und Themen, das sie zur kulturellen und gesellschaftlichen Teilhabe befähigt und zur Werte- und Persönlichkeitsentwicklung beiträgt.
Der Deutschunterricht betont den ästhetischen Eigenwert der Literatur und macht ihn im Interpretationsgespräch bewusst. Dabei greifen Analyse, Interpretation und Kontextualisierung ineinander. Auf dieser Grundlage gelangen die Schülerinnen und Schüler zu begründeten Wertungen von Texten und reflektieren den eigenen Verstehensprozess. Neben der Vermittlung von Erschließungs- und Interpretationskompetenz sollte insbesondere der Literaturunterricht den Schülerinnen und Schülern Wege zu einer persönlichen und bereichernden Lesebiographie eröffnen.
Die literarischen Gegenstände des Deutschunterrichts umfassen die verschiedenen Genres und Gattungen der Literatur, deren Gesamtheit durch ein literaturgeschichtliches Wissen fundiert ist. Die deutschsprachige Literatur in ihren Epochen wird durch Beispiele aus der Weltliteratur ergänzt. Literarische Darstellungsformen, die über die traditionelle Lektüre hinausgehen, wie etwa Filme und deren Drehbücher, Storyboards, Video-Clips und andere, eröffnen den Schülerinnen und Schülern weitere literarische Adaptionen. Der öffentliche Raum des Theaters und der Museen bietet zudem viele Möglichkeiten zur sinnlichen Wahrnehmung der Literatur.
Sach- und Gebrauchstexte
Die angemessene Rezeption von Sach- und Gebrauchstexten ist eine zentrale Kompetenz, die die Schülerinnen und Schüler im Deutschunterricht erwerben: Studium und Ausbildung, Beruf und Alltag fordern von ihnen einen gezielten und kritischen Umgang mit Informationen. Im Umgang mit Sach- und Gebrauchstexten knüpfen die Schülerinnen und Schüler an bereits erworbenes Wissen an und erweitern dieses sukzessive.
Zentral für den Umgang mit Sach- und Gebrauchstexten im Deutschunterricht ist es, ihre Struktur zu analysieren, nach ihren Wirkungs- und Kommunikationsabsichten zu unterscheiden und sich mit den Inhalten und ihrer Darstellung auseinanderzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler lernen, mit einer großen Vielfalt von Textformen von sehr unterschiedlichem Umfang, Format und Komplexitätsgrad umzugehen: vom Lexikonartikel bis zur Reportage, vom Diagramm bis zum Essay – wobei die Abgrenzung der Sach- und Gebrauchstexte von den literarischen Texten nicht immer eindeutig getroffen werden kann.
Auf diese Weise dienen Sach- und Gebrauchstexte als Gesprächsanlässe, um gesellschaftlich relevante Fragen zu diskutieren und das Urteilsvermögen der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Sach- und Gebrauchstexte leisten somit einen wichtigen Beitrag zum Erwerb vielfältiger Kompetenzen, die fächerübergreifend von Bedeutung sind und zu einem lebenslangen Lernen führen können.
Medien
Die zunehmende Komplexität unserer multimedial geprägten Gesellschaft macht reflexive Medienbildung zu einer wichtigen Schlüsselqualifikation und somit zu einem Kernbereich schulischer Bildung. Medien sind ein elementarer Teil der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern, der ihr Selbst- und Weltverhältnis und damit ihre Identität nachhaltig beeinflusst. Gerade weil dieser Einfluss stetig wächst, kommt der Schule die zentrale Aufgabe zu, Medienbewusstsein und Medienkompetenz der Schülerinnen und Schüler weiter zu entwickeln und ihnen damit einen reflektierten Umgang mit unterschiedlichsten Medienformaten zu ermöglichen. Dies bedeutet, die kommunikativen, produktiven und kreativen Möglichkeiten medialer Angebote konstruktiv einzusetzen, sowohl für die eigene Entwicklung als auch in der Kommunikation mit anderen; andererseits bedeutet dies aber auch, auf der Basis analytischer Distanzierung ein Bewusstsein für die manipulative Kraft von Medien und deren Auswirkungen auszubilden. Der Deutschunterricht vermittelt dabei das methodische Instrumentarium, die Strategien und Arbeitstechniken wie auch die erforderlichen Kenntnisse, damit die Schülerinnen und Schüler Texte unterschiedlicher medialer Form verstehen und nutzen, analysieren, interpretieren und problematisieren können. Dies bedeutet nicht nur, dass Schülerinnen und Schüler zielgerichtet und kritisch prüfend mit Informationen und deren Vermittlung umgehen können. Sie können literarische, theatrale, auditive, piktorale, audiovisuelle und symmediale Texte als Gegenstände mit einer je eigenen ästhetischen Gestaltung wahrnehmen, analysieren und verstehen. Ein erweiterter Textbegriff bildet dafür die Grundlage. Die Förderung von Medienkompetenz steht damit in einem direkten Zusammenhang mit der Förderung von Lesekompetenz.
Sprachgebrauch und Sprachreflexion
Dass Sprache sich auf sich selbst bezieht und sich selbst beschreibt, gehört zu ihren ureigenen Möglichkeiten. Im Nachdenken über den Sprachgebrauch in seinen vielfältigen Erscheinungsformen und in der Reflexion über Sprache machen sich die Schülerinnen und Schüler diese Möglichkeit zu eigen. Sie erwerben ein zunehmend differenziertes Sprachbewusstsein, zu dem wesentlich auch Wissen über die Sprache und grundlegende Kategorien zu ihrer Beschreibung gehören. So erfassen sie die Sprache als geregeltes, vielfältig differenziertes, historisch gewachsenes System.
Sprachbewusstsein und Sprachwissen ermöglichen es den Schülerinnen und Schülern, wesentliche Leistungen der Sprache differenziert zu erkennen und zu beschreiben: als prägendes Medium beim Erfassen der Wirklichkeit, als Mittel des kommunikativen Austauschs in Wort und Schrift oder in ihrer Bedeutung für Selbstvergewisserung und Identitätsbildung. Damit entwickeln sich auch Bewusstsein, Verständnis und schließlich die Fähigkeit der Kritik sprachlicher Normen. Dies ermöglicht ihnen eine zunehmend eigenständige Verbesserung ihrer Sprache auf allen Ebenen. Die erworbenen Kategorien können sie zum Spracherwerb nutzen.
Der Bereich „Sprachbetrachtung und Sprachreflexion“ teilt sich in zwei große Teilbereiche: Der eine befasst sich mit der „Struktur von Äußerungen“, der andere mit der „Funktion von Äußerungen“. Beide Bereiche sind im Unterricht aufs engste miteinander verzahnt: Strukturbeschreibungen müssen mit einer Analyse ihrer Funktionen verbunden werden; ein Verständnis von Sprachvarietäten und Funktionen kommt umgekehrt nicht ohne eine Beschreibung der jeweils charakteristischen Strukturen aus.
Die Strukturen von Äußerungen gehen vom Satz als basaler Einheit aller Äußerungen aus. Die Syntax stellt konsequent die strukturgebende Funktion des Verbs als Prädikatskern des Satzes ins Zentrum und ermöglicht einen anschaulichen und intuitiven Zugang zur spezifischen Grundstruktur des deutschen Satzbaus – und zwar unabhängig von der Erstsprache der Schülerinnen und Schüler. Die Morphologie behandelt alle wesentlichen Formen der Konjugation und Deklination. Wortarten werden von vornherein mit Bezug auf die Funktionen eingeführt. Die Semantik fragt nach der Bedeutung von Wörtern und nimmt Phänomene der Konnotation, des Bedeutungswandels, der übertragenen Bedeutung und der Kontextabhängigkeit in den Blick. Rechtschreibung und Zeichensetzung sind wichtige Gegenstände des Deutschunterrichts, nicht nur in den unteren Klassen, sondern auf allen Klassenstufen.
Die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Funktionen von Äußerungen zielt einerseits darauf, die Ebenen des sprachlichen Handelns und Kommunizierens zu beschreiben, zu analysieren und kritisch zu hinterfragen. Andererseits sollen die Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, auf bewusste und reflektierte Weise ihre sprachlichen Äußerungen in vielen Kontexten funktional zu gestalten. Zu dieser umfassenden Sprachreflexion werden auch divergente Spracherfahrungen und Mehrsprachigkeit genutzt. Neben den kommunikativen Funktionen kommt auch immer wieder die Bedeutung der Sprache für die eigene Identität in den Blick. Das individuelle, aber auch das gesellschaftliche Selbstverständnis stehen in enger Wechselwirkung mit der Sprache, ihren verschiedenen Sprachvarietäten (zum Beispiel Gruppen- oder Fachsprachen, Dialekt) und sprachlichen Prägungen (zum Beispiel Geschlechterstereotype, Sprache als Machtinstrument, Sprache der Werbung). Diese vielschichtigen Verhältnisse zu verstehen und zu reflektieren, ist angesichts der zunehmenden Heterogenität der Schüler wie der Gesellschaft eine zentrale Fähigkeit. Die Beschäftigung mit den Funktionen von Sprache führt schließlich auch zu einer ersten Auseinandersetzung mit Sprachphilosophie.
1.3 Didaktische Hinweise
Deutschunterricht ist integrativer Unterricht, die Verknüpfung der unterschiedlichen Kompetenzbereiche Basis jeder gelingenden Unterrichtspraxis. Besonders der Bereich „Texte und andere Medien“ ist integrativ zu verstehen: Der erweiterte Textbegriff verbindet Texte und andere Medien und fördert damit eine medial integrierte Lesekompetenz. Daraus ergibt sich für die Unterrichtspraxis eine enge Verzahnung der drei Teilbereiche „literarische Texte“, „Sach- und Gebrauchstexte“ und „Medien“. Die im Teilbereich „Medien“ aufgeführten Standards sind in der Unterrichtspraxis eng mit denen der „Literarischen Texte“ und der „Sach-und Gebrauchstexte“ verbunden und ergänzen sich gegenseitig.
Im vorliegenden Bildungsplan wird der strukturelle Zusammenhang zwischen prozessbezogenen Kompetenzen und Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen durch ein dichtes Verweissystem (siehe Anhang 5.1.) dokumentiert. Einen weiteren Schwerpunkt innerhalb des Verweissystems stellt die Korrespondenz zwischen den beiden inhaltsbezogenen Bereichen – „Texte und andere Medien“ sowie „Sprachgebrauch und Sprachreflexion“ – dar. Darüber hinaus enthält der Fachplan durchgehend innerfachliche Verweise, um unterschiedliche methodische Zugangsweisen oder Interdependenzen zwischen Textsorten verschiedener medialer Provenienz zu dokumentieren.
Der Deutschunterricht ermöglicht ein abwechslungsreiches und motivierendes Lernen durch Varianz der Zugänge und Methoden, der Übungs- und Vertiefungsmöglichkeiten. Dazu gehören analytische Zugänge genauso wie handlungs- und produktionsorientierte Verfahren; Gestaltung und Analyse können und müssen dabei im Unterricht stets sinnvoll verbunden werden. In Verfahren des gestaltenden und szenischen Interpretierens beispielsweise kann der Deutschunterricht nicht nur die diskursiven Deutungsmöglichkeiten erweitern, sondern auch die Persönlichkeit in einem umfassenden Sinne schulen. Geht es um die Auseinandersetzung mit Sprache, so bringen Schülerinnen und Schüler implizites Wissen – einschließlich divergenter Spracherfahrungen und Mehrsprachigkeit – mit, die einen induktiven Unterricht und Formen entdeckenden Lernens nahelegen.
Der Deutschunterricht orientiert sich am jeweiligen Lernstand, an der Entwicklung und der Abstraktionsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen. Er bietet daher individuelle Lernwege an. Individuelle Förderung ist Ziel und Praxis eines Unterrichts, der einer wachsenden Heterogenität der Schülerschaft gerecht werden muss. Der Unterricht berücksichtigt die unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Begabungen der Schülerinnen und Schüler ebenso wie unterschiedliche Formen des Lernverhaltens sowie der geschlechtsspezifischen oder soziokulturellen und motivationalen Disposition. Dazu bedarf es der Differenzierung als Unterrichtsprinzip. Lernstandsdiagnostik und nach Komplexität, Schwierigkeitsgrad und Unterstützungsangeboten differenzierende Lernaufgaben und Lernsituationen sollten als Möglichkeiten verstanden werden, um alle Schülerinnen und Schüler beim Erwerb der angestrebten Kompetenzen zu begleiten. Der spiralcurriculare Aufbau des Bildungsplans fördert Formen der Wiederholung und unterstützt so eine Kultur des Übens. Damit vertiefen die Schülerinnen und Schüler das Gelernte und gewinnen Sicherheit bei der Anwendung von Wissen.
Der Bildungsplan Deutsch ermöglicht den Übergang von der Grundschule zu weiterführenden Schulen. Die Inhalte und Kompetenzen sind schulartübergreifend aufeinander abgestimmt. Ziel ist es, die Durchlässigkeit zwischen den Schularten zu erhöhen und damit den Schülerinnen und Schülern die individuell bestmöglichen Bildungschancen entsprechend ihrer Bildungsbiografie zu ermöglichen.
Den Zielen und Inhalten des Faches Deutsch entspricht eine Reihe von außerschulischen Lernorten, die die Gegenstände des Faches zum Leben erwecken können und den Schülerinnen und Schülern neue Erfahrungshorizonte eröffnen: Neben dem Theater sind hier literarische Museen und Gedenkstätten zu nennen ebenso wie Veranstaltungsreihen in Literaturhäusern.
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Bei den am Ende eines Teilbereichs aufgeführten „Textgrundlagen“ und „zentralen Schreibformen“ handelt es sich um verbindliche Vorgaben für den Unterricht; die Schreibformen können – zum Beispiel als entsprechende Aufsatzformate – auch die Grundlage für Leistungsmessungen bilden.
Operatoren als handlungsleitende Verben werden im Bildungsplan verwendet, um die Standards nach ihrem jeweiligen Anforderungsprofil zu konkretisieren und überprüfbar zu machen. In ihrer jeweiligen Bedeutung werden sie am Ende des Fachplans erläutert (siehe 4. Operatoren).
1.4 Basisfach und Leistungsfach in der Oberstufe
In der gymnasialen Kursstufe können die Schülerinnen und Schüler das Fach Deutsch als Basisfach oder als Leistungsfach belegen. Basisfach und Leistungsfach führen gleichermaßen zur allgemeinen Studierfähigkeit und vermitteln wesentliche Kompetenzen und zentrale Einsichten in die grundlegenden Sachverhalte, Problemstellungen und Zusammenhänge des Faches Deutsch.
Das Leistungsfach geht quantitativ wie qualitativ über die Anforderungen des Basisfaches hinaus. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der folgenden Aspekte:
- Komplexität der Themen
- Komplexität und Materialreichtum der Aufgabenstellungen
- Grad der Selbstständigkeit bei Auswahl und Anwendung fachlicher Methoden
- Textmenge und Anspruch an Belesenheit
- Umfang und Komplexität der rezipierten wie auch der produzierten Texte
- erwartete Durchdringungstiefe
- Vertiefung des fachlichen Grundwissens und Einblicke in die theoretischen Grundlagen des Faches
- Anspruch an wissenschaftspropädeutisches Arbeiten
Im Bereich der prozessbezogenen Kompetenzen kommt die jahrgangsübergreifende Kompetenzentwicklung zum Abschluss. Der Essay als Schreibform besonderen Anspruchs kann dabei im Basisfach ausgeklammert werden, wohl aber sollten Formen essayistischen Schreibens praktiziert werden; in diesem Sinne gilt 2.2.(35) nur abgeschwächt. Im Bereich „Lesen“ spielen im Basisfach die Berücksichtigung von Kontexten und Textvergleiche eine geringere Rolle. Daher kann in der Umsetzung von 2.3.(10), (18) und (19) stärker exemplarisch vorgegangen werden.
Im Bereich der inhaltsbezogenen Kompetenzen liegt im Leistungsfach ein deutlicher Unterrichtsschwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit literarischen Texten und dem Textvergleich. Beide Fächer zielen auf den Erwerb literarhistorischen Überblickswissens; jedoch erfolgt er im Basisfach exemplarisch. Im Bereich „Sprachgebrauch und Sprachreflexion“ werden im Leistungsfach in stärkerem Maße theoretische Grundlagen herangezogen. Hinzu kommen hier Phänomene des Spracherwerbs und Semiotik.