Suchfunktion
1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb
1.1 Bildungswert von Bewegung, Spiel und Sport
Bewegung, Spiel und Sport sind unverzichtbare Bestandteile zur ganzheitlichen Bildung und Erziehung von Kindern und eröffnen ihnen den Zugang zur Welt und zu sich selbst. Vor dem Hintergrund einer Umwelt, die den Schülerinnen und Schülern immer weniger natürliche und alltägliche Bewegungsanlässe bietet und der Tatsache, dass Schule immer mehr im Ganztag stattfindet, kommt der Körper- und Bewegungsbildung in einem rhythmisierten Schultag eine wesentliche Bedeutung zu. In einer bewegungsgerecht gestalteten schulischen Lernumgebung erleben die Kinder einen natürlichen Wechsel zwischen einerseits konzentriert kognitivem und motorischem Lernen und Anstrengen und andererseits notwendigen Erholungsphasen mit Entspannung und Selbstbestimmung.
Bewegung als Unterrichtsprinzip für alle Fächer ermöglicht dem Kind ein über mehrere Sinne gefestigtes Verstehen. Über Bewegung lassen sich vielfach Texte, Strukturen, Räume und Mengen besser erfassen und begreifen. Sie ist die geeignetste Form, um kognitive Kontrollprozesse und die Selbstregulation bei Kindern zu entwickeln. Diese Entwicklungsprozesse stellen eine wichtige Grundlage für den Lernerfolg dar. Daher bieten sich Bewegung, Spiel und Sport besonders gut an, um die Entwicklung der exekutiven Funktionen zu fördern.
Im Zentrum des Unterrichts steht das Bewegungshandeln unter verschiedenen Sinnrichtungen, das heißt, die Vermittlung vielfältiger, unmittelbarer Erlebnisse und Erfahrungen, in denen nicht nur motorische, sondern auch kognitive und sozialaffektive Kompetenzen herausgefordert und aufgebaut werden. Auf diese Weise bieten Bewegung, Spiel und Sport besondere Erziehungschancen, die entscheidend zu einer ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung beitragen.
Beitrag von Bewegung, Spiel und Sport zu den Leitperspektiven
In welcher Weise Bewegung, Spiel und Sport einen Beitrag zu den Leitperspektiven leisten, wird im Folgenden dargestellt:
- Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
Im Sinne der Leitperspektive „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ betreiben die Schülerinnen und Schüler Sport zu allen Jahreszeiten und bei jeder Witterung, lernen dabei ihre natürliche Umwelt besser kennen und gehen achtsam mit ihr um. - Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
Die Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ zielt auf die Förderung von Respekt, gegenseitiger Achtung und Wertschätzung von Verschiedenheit, damit sich die Schülerinnen und Schüler frei und ohne Angst vor Diskriminierung bewegen können. Hierzu bieten Bewegung, Spiel und Sport vielfältige Möglichkeiten. Die Kinder handeln kooperativ, indem sie anderen helfen und selbst Hilfe annehmen. Sie lernen sich selbst und andere realistisch einzuschätzen, sich im Mit- und Gegeneinander fair zu verhalten, üben Toleranz, vermeiden Ausgrenzung, reagieren gewaltfrei, lernen Konfliktsituationen zu bewältigen und sich konstruktiv in Gruppenprozesse einzubringen. - Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
Die Schülerinnen und Schüler erfahren, dass kontinuierliches Bewegen und Sporttreiben Grundlage einer gesunden Lebensführung sind und ihr Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen. Wichtige Aspekte im Sinne der Leitperspektive „Prävention und Gesundheitsförderung“ sind Körperwahrnehmung, Anspannung und Entspannung, motorisches Lernen, wertschätzendes Handeln, sowie eine Stärkung der Selbstregulation. - Berufliche Orientierung (BO)
Bewegung, Spiel und Sport leisten einen wichtigen Beitrag zur beruflichen Orientierung, da sich die Kinder hier mit ihren Interessen sowie ihren Stärken und Potenzialen auseinandersetzen können. Schlüsselqualifikationen, die in der Leitperspektive „Berufliche Orientierung“ verankert sind, finden in Bewegung, Spiel und Sport ihre konkrete Anwendung. - Medienbildung (MB)
Die Leitperspektive „Medienbildung“ kann einen Beitrag zum Bewegungslernen leisten, indem Bewegungsabläufe in Bild- und Filmaufnahmen reflektiert werden können. - Verbraucherbildung (VB)
Die Leitperspektive „Verbraucherbildung“ bietet Orientierung in jenen Bereichen, in denen es um die Reflexion von Lebensgewohnheiten und daraus resultierenden Konsumentscheidungen geht. Mögliche Themenbereiche sind Gesundheit und Bewegung, sportgerechte Kleidung, Schutzausrüstung sowie Sport- und Spielgeräte.
1.2 Kompetenzen
Die übergeordnete Zielsetzung des Schulsports ist der Erwerb individueller Handlungskompetenz in Bewegung, Spiel und Sport. Diese setzt sich aus grundlegenden prozessbezogenen und inhaltsbezogenen Kompetenzen dieses Faches zusammen. Kognitive Reflexionsfähigkeit ist begleitendes Element des prozess- und inhaltsbezogenen Kompetenzerwerbs.
Die Konzeption des Bildungsplans weist prozessbezogene Kompetenzen und Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen aus, die in ihrer Zusammenführung zu einem tragfähigen Gewebe werden, das – bezogen auf die Situation vor Ort und auf die Bedürfnisse der Kinder – individuell verfeinert und weiter gewoben wird.
Prozessbezogene Kompetenzen
Die prozessbezogenen Kompetenzen befähigen die Kinder, selbstbestimmt und eigenverantwortlich an der Bewegungs‑, Spiel- und Sportkultur teilzunehmen. Die dadurch erworbene individuelle Handlungskompetenz lässt sie situationsangepasst auf Bewegungsanforderungen reagieren. Sie verhalten sich verantwortungsbewusst sich selbst und anderen gegenüber. Die Schülerinnen und Schüler wissen um die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für das allgemeine Wohlbefinden durch eigene körperliche, soziale und emotionale Erfahrungen.
Zu den prozessbezogenen Kompetenzen gehören:
- Bewegungskompetenz im Allgemeinen
- Personalkompetenz, die die Identitätsbildung des Kindes stärkt
- Sozialkompetenz, die die gemeinschaftlichen Einsichten und Bereitschaften fördert
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Die inhaltsbezogenen Kompetenzen umfassen insbesondere die grundlegenden motorischen und methodischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die im Grundschulalter zu erwerbenden koordinativen Fähigkeiten sind von großer Bedeutung für alle Bewegungshandlungen und für die Bewegungssicherheit. Die Kinder haben Gelegenheit, selbsttätig und im Dialog mit ihrer Umwelt die Bewegungspotenziale ihres Körpers kennenzulernen und weiterzuentwickeln.
Zu den inhaltsbezogenen Kompetenzen gehören:
- Körperwahrnehmung
- Spielen – Spiele – Spiel
- Laufen – Springen – Werfen
- Bewegen an Geräten
- Tanzen – Gestalten – Darstellen
- Bewegungskünste
- Bewegen im Wasser
- Bewegen in weiteren Erfahrungsfeldern
- Orientierung – Sicherheit – Hygiene
1.3 Didaktische Hinweise
Didaktische und methodische Leitlinie
Der in regelmäßigen Abständen innerhalb der Unterrichtswoche erteilte Bewegungs‑, Spiel- und Sportunterricht ist methodisch-didaktisch so zu gestalten, dass den Kindern Gelegenheit geboten wird, prozess- und inhaltsbezogene Kompetenzen zu erwerben und zu verknüpfen. Die Verknüpfung erfolgt dadurch, dass die zu erwerbenden prozessbezogenen Kompetenzen bewusst an den Inhalten entwickelt werden.
Neben der Entwicklung von Bewegungskönnen ist auch die Entwicklung der Reflexionsfähigkeit über das erworbene Wissen und das eigene Können von Bedeutung.
Voraussetzung hierfür sind Lernformen, in denen die Lernenden zur selbsttätigen Auseinandersetzung mit den Inhalten gelangen, zu selbstständigem Bewegungshandeln aufgefordert werden und individuelle Lernwege einschlagen können. Entscheidend ist dabei, dass Lehrkräfte und Kinder wertschätzend miteinander umgehen und sich die Kinder mit ihren Kompetenzen in die Inszenierung des Unterrichts einbringen können.
Die Kinder erwerben in erfahrungsoffenen Situationen und organisierten Lernprozessen grundlegende körperliche, materiale, sinnliche und soziale Erfahrungen und bilden ein differenziertes Körper- und Bewegungsgefühl aus. Sie entwickeln individuell, in der Interaktion mit Partnerin und Partner und in der Gruppe ein Repertoire an Bewegungsformen. Dieses wird gezielt unter veränderten Lernbedingungen angewendet, variiert, spielerisch erprobt, erweitert und gestaltet.
Inhaltliche Vielfalt und Differenzierung
Allen Kindern soll ein möglichst breites und vielfältiges Spektrum des Sich-Bewegens als ein emotional positiv besetztes Erleben zugänglich gemacht und nahegebracht werden. Dies gilt für Konzepte zur grundlegenden Bewegungsentwicklung bis hin zu dem Konzept des Sportartenlernens. Bei der Vielfalt inhaltlicher Angebote ist unter Berücksichtigung der sportpädagogischen Perspektiven exemplarisch vorzugehen. Da menschliches Bewegen immer eine individuelle Auseinandersetzung mit der Welt ist, müssen Situation und Aufgabe innere Differenzierungen ermöglichen und unterschiedliche Bewegungsergebnisse zulassen. Dabei wird immer die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt, um sowohl dem leistungsstärkeren Kind eine angemessene Reizsetzung zukommen zu lassen, als auch dem körperlich schwächeren und motorisch unerfahreneren Kind Erfolgserlebnisse zu vermitteln.
Bewegungsintensität
Unterstützt von vereinbarten Organisations- und Ordnungsformen zielt die Unterrichtsgestaltung auf eine hohe Bewegungsintensität aller Kinder ab. Das Lernen an Stationen, Zusatzaufgaben und die Förderung der Fähigkeit zum selbstgesteuerten Lernen sind Beispiele, die eine angemessene Bewegungsintensität ermöglichen.
Mitwirkung
Altersangemessene Handlungs- und Entscheidungsspielräume für die Schülerinnen und Schüler sowie Offenheit und Improvisation im Bewegungs‑, Spiel- und Sportunterricht sind Unterrichtsprinzipien, die nicht im Widerspruch zu den Ansprüchen von Planmäßigkeit und Effektivität stehen. Innerhalb notwendiger Grenzen sollen Raum und Zeit für spontanes Handeln, für Mitbestimmung bei der Unterrichtsgestaltung, für Einfälle und Improvisationen im Schulsport bleiben. Darüber hinaus ist es unerlässlich, die Schülerinnen und Schüler systematisch zum verantwortlichen Helfen und Mitwirken zu befähigen (zum Beispiel Auf- und Abbau von Geräten und Stationen, Messen, Helfen und Sichern). Die Kinder lernen besonders motiviert und nachhaltig, wenn Aufgaben- und Übungsformen so oft wie möglich in spielerischer Form angeboten oder mit Spielideen verknüpft werden.
Pädagogische Leitlinie
„Bewegung, Spiel und Sport“ wird durch seinen Doppelauftrag bestimmt, welcher sich als „Erziehung zum Sport“ und „Erziehung im und durch Sport“ zusammenfassen lässt:
Erziehung zum Sport
Bewegung, Spiel und Sport bieten den Kindern Gelegenheit, durch aktive Auseinandersetzung in vielfältigen sportlichen Handlungssituationen Bewegungskompetenz zu erwerben. Damit erschließen sie sich eine vielfältige Bewegungs‑, Spiel- und Sportkultur und können diese an ihre eigenen Bedürfnisse anpassen.
Erziehung im und durch Sport
Bewegung, Spiel und Sport bieten Kindern Raum, diese unter unterschiedlichen Sinnperspektiven auszuüben und zielen darauf ab, eine zukünftige verantwortliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Mehrperspektivität
Der Unterricht ist so zu gestalten, dass die Kinder verschiedene sportpädagogische Perspektiven erleben können:
- Wahrnehmungsfähigkeit verbessern und Bewegungserfahrungen erweitern
Mithilfe von unterschiedlichen Bewegungsaufgaben und durch vielfältiges Ansprechen der Sinne wird die Wahrnehmungsfähigkeit verbessert (sich und andere wahrnehmen). Es werden die Sinne geschärft, körperliche, emotionale und soziale Eindrücke gesammelt und die allgemeine Lernfähigkeit gefördert. Auch die Fähigkeit zu Anspannung und Entspannung sowie die Freude an neuen Körpererfahrungen gehören in diesen Bereich. - Das Leisten erfahren und reflektieren
Kinder lernen „Bewegung, Spiel und Sport“ als einen Bereich kennen, in dem man durch kindgemäße Formen des Übens Erfolge erzielen kann. Eine wichtige Aufgabe besteht darin, die Lern- und Leistungsbereitschaft zu fördern, eine positive Einstellung zur Anstrengung zu entwickeln, sich Leistungsanforderungen zu stellen und die eigene Leistungsfähigkeit sowie die Selbstregulation zu verbessern. Den Zusammenhang von Anstrengung und erweitertem Können zu erschließen, trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Leistung ist abhängig von individuellen Voraussetzungen. Die Erfahrung des individuellen Leistungsfortschritts hat Vorrang vor dem Vergleich mit den Leistungen anderer. - Sich körperlich ausdrücken und Bewegungen gestalten
Die Kinder spielen in und mit Bewegung, drücken sich durch Bewegung aus und können über Bewegung mit anderen kommunizieren und Bewegungsideen gestalten. - Etwas wagen und verantworten
Unter Einhaltung von Sicherheitsaspekten ist die Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und Grenzen in herausfordernden Situationen mit unsicherem Ausgang eine wichtige Erfahrung und Kompetenz. Die Kinder entwickeln eine realistische Selbsteinschätzung und lernen, zu ihrer Angst zu stehen, sie zu überwinden und Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen. - Gemeinsam handeln, wettkämpfen und sich verständigen
Durch gezielte Aufgabenstellungen wird kooperatives Verhalten gefördert. Gemeinsames Planen und Verantworten fördern Selbstständigkeit und Kooperationsfähigkeit, welche wichtige Voraussetzungen für den Lernerfolg sind. Auch Kinder mit besonderem Förderbedarf können durch eine entsprechende Aufgabenentwicklung und Rollenverteilung gut integriert werden. - Gesundheitsbewusstsein entwickeln
Durch eigene körperliche Aktivität erfahren die Kinder die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für ihr Wohlbefinden. Im Zusammenspiel aller Fächer übernimmt „Bewegung, Spiel und Sport“ eine zentrale Rolle bei der Entwicklung eines Gesundheitsbewusstseins.
Diese Perspektiven bilden das besondere pädagogische Potenzial von „Bewegung, Spiel und Sport“ und konkretisieren dessen Beitrag zum allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule.
Der mehrperspektivisch ausgerichtete Bewegungs‑, Spiel- und Sportunterricht bietet vielfältige Ansatzpunkte für inklusiven Unterricht.
Neben den ausgewiesenen Kontingentstunden erstrecken sich Bewegung, Spiel und Sport im Sinne einer bewegungsfreundlichen Schule auf den gesamten Schultag. Bewegung ist ein grundlegendes Unterrichtsprinzip in allen Fächern. Weitere Handlungsfelder ergeben sich zum Beispiel in Arbeitsgemeinschaften, im Pausensport, im Projektunterricht, bei Wander- und Wintersporttagen, bei Sport- und Spielfesten, bei Schulsportwettkämpfen und ‑wettbewerben sowie im Rahmen eines rhythmisierten Schulalltags.
Bewegung, Spiel und Sport bauen Brücken zum außerschulischen Sport. Diese bieten den Kindern die Gelegenheit, selbstbestimmt ihren sportlichen Neigungen nachzugehen und Anregungen und Einstellungen für ein lebenslanges Bewegen zu gewinnen. Durch die Zusammenarbeit mit Sportvereinen und anderen Kooperationspartnern öffnet sich die Schule dem örtlichen Umfeld und ermöglicht so Lernerfahrungen an außerschulischen Lernorten.