Fachbezogene Vorbemerkungen
1. Fachspezifischer Bildungsauftrag (Bildungswert des Faches)
Physik befähigt die Schülerinnen und Schüler, ein eigenes, begründetes Bild der Welt zu entwickeln, um sich in einer komplexen, hochtechnisierten modernen Gesellschaft zu orientieren. Sie zeichnet sich unter den Naturwissenschaften durch spezifische Inhalte, Arbeits- und Denkweisen aus.
Im Physikunterricht der gymnasialen Oberstufe des Beruflichen Gymnasiums erwerben die Schülerinnen und Schüler grundlegende physikalische Kenntnisse und Fähigkeiten. Auf dieser Grundlage können sie die gesellschaftliche Bedeutung der Technologien einordnen und bewerten. Medienbildung im Physikunterricht befähigt die Schülerinnen und Schüler zu einer zielgerichteten und reflektierten Nutzung von digitalen Medien und Informationen. Hiermit werden Voraussetzungen für ein verantwortungsbewusstes, zukunftsorientiertes Handeln geschaffen.
Physik ist allgemein als zukunftsweisende Grundlagenwissenschaft anerkannt, die sich fortwährend durch Wissenszuwachs und vertiefende Erkenntnis verändert und erweitert.
Das Fach Physikalische Laborübungen beinhaltet in der Eingangsklasse und den Jahrgangsstufen vollkommen neue Bildungsplaneinheiten. Die Auswahl und Zusammenstellung dieser Bildungsplaneinheiten haben folgende Zielsetzungen:
Die Schülerinnen und Schüler
- besitzen eine Allgemeinbildung für eine verantwortungsvolle Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen,
- erkennen die Bedeutung der Physik für bestimmte interdisziplinäre und moderne Anwendungs- und Forschungsbereiche in unserer hochtechnisierten Welt und
- erkennen und bewerten Chancen und Risiken technischer Entwicklungen für Umwelt und Gesellschaft.
Im Fach Physikalische Laborübungen werden die vielfältigen Lebens- und Erfahrungswelten der Schülerinnen und Schüler miteinbezogen. Der Bildungsplan enthält mehrere unterschiedliche Themengebiete, da die Wechselwirkung zwischen naturwissenschaftlicher Erkenntnis und technischer Anwendung Fortschritte auf zahlreichen Gebieten bewirkt, u. a. in der Medizin, in der Informations- und Kommunikationstechnik, der Astrophysik und im Verkehrswesen. Aufgrund der erworbenen Fachkompetenz wird den Schülerinnen und Schülern ein fachlicher Zugang zu gesellschaftlichen Herausforderungen wie „nachhaltige Energieversorgung“ und „Folgen des Klimawandels“ ermöglicht.
Das Schülerexperiment im Fach Physikalische Laborübungen besitzt eine zentrale und wichtige Funktion. Grundlegende wissenschaftsmethodische Verfahren im Rahmen der problemorientierten Methode werden genutzt. Die Schülerinnen und Schüler beobachten und beschreiben Phänomene, formulieren Fragestellungen und stellen Hypothesen auf. Andererseits leiten sie aus theoretischen Grundlagen Schlussfolgerungen ab und überprüfen diese experimentell. Das reproduzierbare Experiment sichert die Überprüfbarkeit der Aussagen der Physik. Die Schülerinnen und Schüler planen ihr experimentelles Vorgehen, dazu gewinnen sie notwendige Informationen aus bereitgestellten und recherchierten Materialien und erschließen Informationen mithilfe entsprechender Recherchemethoden. Sie wenden dabei fachspezifische und allgemeine naturwissenschaftliche Arbeitstechniken an. Die Schülerinnen und Schüler werten gewonnene Daten bzw. Ergebnisse aus, verallgemeinern diese mithilfe der Mathematik, überprüfen Hypothesen und beantworten ihre Fragestellungen. Dabei reflektieren sie kritisch ihr Vorgehen und diskutieren Ursachen möglicher Messfehler. Modelle und Modellbildung kommen im physikalischen Erkenntnisprozess besonders dann zur Anwendung, wenn komplexe Phänomene bearbeitet oder veranschaulicht werden müssen.
Dem Schülerexperiment als Bindeglied zwischen Realität und Theorie kommt damit eine zentrale Bedeutung zu.
2. Ergänzende Hinweise zur Umsetzung des kompetenzorientierten Bildungsplans
Kompetenzorientierter Unterricht bietet die Möglichkeit, Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten selbstständig und nachhaltig aufzubauen, zu reflektieren und in verschiedenen Situationen verantwortungsvoll einzusetzen.
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln im aktiven Umgang mit physikalischen Inhalten die Kompetenzen, die für die Naturwissenschaften von zentraler Bedeutung sind. Erkenntnisse gewinnen, Kommunizieren und Bewerten stehen für Fähigkeiten und Fertigkeiten, die dafür charakteristisch sind. Naturwissenschaftlich fachkompetente Schülerinnen und Schüler verfügen über Sach-, Erkenntnisgewinnungs-, Kommunikations- und Bewertungskompetenz. Diese vier Kompetenzbereiche durchdringen einander und bilden gemeinsam die Fachkompetenz.
Die Sachkompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis naturwissenschaftlicher Konzepte, Theorien und Verfahren und der Fähigkeit, diese zu beschreiben und zu erklären sowie geeignet auszuwählen und zu nutzen, um Sachverhalte aus fach- und alltagsbezogenen Anwendungsbereichen zu verarbeiten.
Die Erkenntnisgewinnungskompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis von naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen und in der Fähigkeit, diese zu beschreiben, zu erklären und zu verknüpfen, um Erkenntnisprozesse nachvollziehen oder gestalten zu können und deren Möglichkeiten und Grenzen zu reflektieren.
Die Kommunikationskompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis von Fachsprache, fachtypischen Darstellungen und Argumentationsstrukturen und in der Fähigkeit, diese zu nutzen, um fachbezogene Informationen zu erschließen, adressaten- und situationsgerecht darzustellen und auszutauschen.
Die Bewertungskompetenz der Schülerinnen und Schüler zeigt sich in der Kenntnis von fachlichen und überfachlichen Perspektiven und Bewertungsverfahren und in der Fähigkeit, diese zu nutzen, um Aussagen bzw. Daten anhand verschiedener Kriterien zu beurteilen, sich dazu begründet Meinungen zu bilden, Entscheidungen auch auf ethischer Grundlage zu treffen und Entscheidungsprozesse und deren Folgen zu reflektieren.
Für nachhaltig gewinnbringendes Lernen ist es von großer Bedeutung, dass alle Kompetenzbereiche im Unterricht bewusst und ausgewogen gefördert werden. Die Kompetenzen entwickeln sich bei den Schülerinnen und Schülern über die Jahrgangsstufen hinweg und werden im Bildungsplan vielfältig inhaltsbezogen konkretisiert.
Der Beschreibung von physikalischen Sachverhalten liegen fachspezifische Gemeinsamkeiten zugrunde, die sich in Form von Basiskonzepten strukturieren lassen. Die Basiskonzepte für die Allgemeine Hochschulreife im Fach Physik
- Erhaltung und Gleichgewichte,
- Superposition und Komponenten,
- Mathematisieren und Vorhersagen und
- Zufall und Determiniertheit
ermöglichen die Vernetzung von Inhalten und deren Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven. Damit erleichtern sie kumulatives Lernen, den Aufbau von strukturiertem Wissen und die Erschließung neuer Inhalte.
Da die Kompetenzen in allen vier Bereichen nur an Fachinhalten erworben werden können, stellen die Basiskonzepte eine Grundlage für die Entwicklung der Fachkompetenz dar (vgl. Bildungsstandards im Fach Physik für die Allgemeine Hochschulreife der KMK i. d. F. vom 18.06.2020).
3. Ergänzende fachliche Hinweise
Für den nachhaltigen Erwerb physikalischer Fachkompetenzen ist die sachlogische Fachsystematik der Wissensgebiete mit situativen, alltagsbezogenen, sinnstiftenden Kontexten zu verknüpfen.
Der thematische Zusammenhang zwischen dem Theorieunterricht und den Laborstunden im Fach Physikalische Laborübungen kann flexibel gehandhabt werden. Ein stringenter Wechsel zwischen den Theorie- und Laborstunden im Fach Physikalische Laborübungen ist nicht verpflichtend. Der Theorieunterricht muss nicht zwangsweise als Vorlauf für jedes Schülerexperiment erfolgen.
Bei der Behandlung verschiedener Inhalte sind die übergreifenden Basiskonzepte der Physik zu berücksichtigen. Hierdurch kann den Schülerinnen und Schülern die systematische Wissensaneignung erleichtert werden, die sich nicht vordergründig an physikalischen Phänomenen, sondern an den wesentlichen Konzepten der Physik orientiert.
Bei der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen werden digitale Lernumgebungen didaktisch sinnvoll eingebunden und systematisch eingesetzt. Dabei werden die Individualisierungsmöglichkeiten und die Übernahme von Eigenverantwortung bei den Lernprozessen gestärkt.
Das Experiment erfüllt auch im Physikunterricht der Sekundarstufe II die beiden Funktionen, Medium und Methode zu sein. Dabei verschiebt sich jedoch der Fokus von der Funktion als Medium auf die Funktion als Methode.
In der rechten Spalte des Bildungsplanes sind hierzu bei jeder Bildungsplaneinheit mögliche Schülerexperimente oder Demonstrationsexperimente aufgelistet. Für Bildungsplaneinheiten, bei denen Experimente nur in geringem Umfang durchgeführt werden können, sind in der rechten Hinweisspalte zusätzliche Theorieinhalte angegeben.
Bei den verbindlichen Schülerexperimenten können unterschiedliche Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden:
- Umgang mit Messgeräten und Experimentieranordnungen,
- Erkennen gesetzmäßiger Zusammenhänge,
- Auswerten und kritisches Reflektieren der Ergebnisse.
Die Schülerinnen und Schüler nutzen in den unterschiedlichen Kontexten der Bildungsplaneinheiten grundlegende wissenschaftspropädeutische Verfahren für die Durchführung der Schülerexperimente. Im Rahmen der problemorientierten Methode beobachten und beschreiben sie Phänomene, formulieren Fragestellungen und stellen Hypothesen auf. Diese werden mithilfe entsprechender Untersuchungsmethoden durch direkte und indirekte Messung von Größen experimentell überprüft. Die Schülerinnen und Schüler wenden dabei allgemeine fachspezifische Auswerteverfahren an: Betrachtung von Messabweichungen und -fehlern, Beschreibung und Interpretation von Messdiagrammen, grafisches Integrieren und Differenzieren, Ermittlung von exponentiellen bzw. periodischen Zusammenhängen, Regression, Nachweis der Gültigkeit und Grenzen eines mathematischen Modells.
Eine wichtige Rolle kommt dem Schülerexperiment mit digitalen Medien zu:
- Messwerte mit Sensoren erfassen und mit digitalen Werkzeugen auswerten,
- Computeranimationen und -simulationen zur Untersuchung physikalischer Phänomene gezielt durch Variation von Parametern nutzen,
- digitale Medien und Werkzeuge zur Dokumentation und Präsentation, zur Strukturierung von Fachwissen sowie zur Kommunikation und Kollaboration nutzen.
Hinweise zum Auswahlmodus der Bildungsplaneinheiten: Bei der Auswahl der Themen in den Jahrgangsstufen ist die Ausstattung der Schule zu berücksichtigen. Manche Inhalte und Experimente können in mehreren Bildungsplaneinheiten vorkommen. Dies ist bei der Fülle der angegebenen Experimente unproblematisch und soll die Auswahl der Bildunsplaneinheiten nicht beeinflussen. Themengebiete, die zwei Bildungsplaneinheiten umfassen, ermöglichen eine größere exemplarische Tiefe der Methoden und Inhalte.
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.