Fachbezogene Vorbemerkungen
1. Fachspezifischer Bildungsauftrag (Bildungswert des Faches)
Ziel des Ethikunterrichts ist, die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten und verantwortungsbewussten Leben zu fördern. Daraus erwächst die Aufgabe, sie zu befähigen, ethische Fragen und Problembereiche wahrzunehmen, zu analysieren und unter normativen Gesichtspunkten zu erörtern, um selbstständig ein wohlbegründetes moralisches Urteil bilden zu können, das in verantwortliches Handeln mündet. Die Tatsache, dass moralische Urteilsbildung mit dem Ziel einer reflektierten Lebenspraxis aus dem Zusammenspiel von Wissen, Wollen und Können resultiert, berücksichtigt das Fach Ethik inhaltlich, didaktisch und methodisch.
Wissen: Die Bezugswissenschaften des Ethikunterrichts sind die Philosophie mit Schwerpunkt praktische Philosophie sowie die für die jeweiligen Themenbereiche des Bildungsplans wichtigen empirischen Wissenschaften. Gegenstand des Unterrichts bilden grundlegende Begriffe, Theorien und Methoden der philosophischen Ethik sowie relevante Methoden und Ergebnisse anderer Wissenschaften. Gemäß dem didaktischen Leitprinzip der Problemorientierung geht der Unterricht in der Regel von einer konkreten Problemstellung aus, die Bezüge zur Lebenswelt hat, d.h. zum individuellen Lebenskontext der Schülerinnen und Schüler, der in einen gesellschaftlichen Lebenskontext eingebettet ist.
Wollen: Die Motivation, sich mit ethischen Fragen zu befassen, speist sich aus der Erkenntnis, dass diese sowohl das eigene, individuelle Leben als auch die Gesellschaft oder gar die Menschheit insgesamt betreffen. Als Motivation für moralisches Handeln wirken vielerlei Gründe, deren Spektrum von wohlverstandenem Eigeninteresse bis hin zu Altruismus reicht, mit je verschiedenen kognitiven und affektiven Anteilen.
Können: Um die moralische Urteilsbildung zwischen Vernunft und Gefühl zu fördern, schult der Ethikunterricht nicht nur die Kompetenz der rationalen Argumentation, sondern auch die, sich eigener Gefühle bewusst zu werden und empathisch die Perspektive anderer einzunehmen. Ein Unterricht, der z. B. phänomenologische, hermeneutische, analytische, dialektische und spekulative Methoden sinnvoll variiert, kann den Schülerinnen und Schülern dabei helfen, die verschiedenen an der moralischen Urteilsbildung beteiligten Kompetenzen auszubilden.
2. Fachliche Aussagen zum Kompetenzerwerb, prozessbezogene Kompetenzen
Der Bildungsplan Ethik orientiert sich inhaltlich am Prinzip der Problemorientierung, strukturell am Prinzip der Kompetenzorientierung: Die Bildungsplaneinheiten sind dem Bildungsplanauftrag des Fachs entsprechend vernetzt angelegt und weisen Möglichkeiten für fächerübergreifenden Unterricht aus.
Die Eingangsklasse hat insofern eine propädeutische Funktion, als dass Grundbegriffe der Ethik bzw. grundlegende Methoden des Ethikunterrichts niveaugerecht, je nach Vorbildung der Schülerinnen und Schüler, entweder eingeführt oder wiederholt werden. Als Hinführung zu den fachspezifischen Arbeitsweisen in der Sekundarstufe II üben die Schülerinnen und Schüler verschiedene Formen rationalen Argumentierens und Methoden der Textarbeit ein.
Nach der Einführung in die Grundlagen des Fachs in BPE 1 gehen die Schülerinnen und Schüler in den BPE 2 bis 5 zentralen Fragen des menschlichen Daseins nach, indem sie sich zunächst mit dem Menschen als moralfähiges Wesen in sozialen, kulturellen und ökologischen Zusammenhängen auseinandersetzen, um davon ausgehend die Möglichkeiten und Grenzen der menschlichen Vernunft- und Erkenntnisfähigkeit zu erörtern mit dem Ziel, diese Einsichten im Denken und Handeln wirksam werden zu lassen. Die Reihenfolge von BPE 2 bis 5 ist frei wählbar.
Im Unterricht der Jahrgangsstufen erarbeiten die Schülerinnen und Schüler allgemeine und vertiefte Kenntnisse auf wichtigen Themengebieten der Ethik: Im ersten Halbjahr der Jahrgangsstufe 1 sind unterschiedliche philosophische Ansätze zur Begründung von Moral (BPE 6), im zweiten die Reflexion des Zusammenhangs von Recht und Gerechtigkeit (BPE 7) zentral. Kern des ersten Halbjahrs der Jahrgangsstufe 2 bildet das Thema Freiheit und Verantwortung (BPE 8). Im zweiten Halbjahr wird in der Zeit vor dem schriftlichen Abitur die Begründung und Kritik von Religion (BPE 9), nach der schriftlichen Prüfung eine von drei zur Auswahl stehenden Bereichsethiken behandelt, d. h. Bio-/Medizinethik, Wirtschaftsethik oder Technikethik.
Die Schülerinnen und Schüler wenden fachspezifische Methoden der Texterschließung an, setzen sich argumentativ mit philosophischen bzw. wissenschaftlichen Positionen auseinander und üben die Methoden des vernünftigen Begründens im Diskurs mit anderen ein. Das so erworbene Wissen und die Schulung der für die moralische Urteilsbildung bedeutsamen Fähigkeiten und Fertigkeiten sollen die Schülerinnen und Schüler persönlich und gesellschaftlich auf ein Leben in Selbstbestimmung und Verantwortung vorbereiten.
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.