Fachbezogene Vorbemerkungen
1. Fachspezifischer Bildungsauftrag (Bildungswert des Faches)
Die Biotechnologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft mit großer ökonomischer, ökologischer und gesellschaftspolitischer Bedeutung. Neben den klassischen Feldern der Biotechnologie, Produktion, Konservierung und Veredelung von Lebensmitteln gewinnen die modernen Anwendungsgebiete zunehmend an Bedeutung. Dazu gehören z. B. die industrielle Herstellung verschiedenster organischer Substanzen unter Verwendung von Biokatalysatoren, die Bereitstellung von Stoffen und Verfahren zur Therapie und Diagnose von Erkrankungen, umwelttechnische Verfahren zur Abwasseraufbereitung und Erschließung alternativer Energiequellen sowie die Erzeugung neuer Lebensmittel zur Sicherstellung der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Molekulares Design, die genetische Veränderung und Reproduktion von Zellen, Organen und Organismen sind aktuelle Forschungsfelder der Biotechnologie mit revolutionärem Charakter. Diese Erkenntnisse bergen ungeahnte Chancen, aber auch Risiken sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft.
Zur Lösung der globalen Probleme wie z. B. Klimawandel und Ressourcenrückgewinnung sowie der Versorgung der Weltbevölkerung mit Nahrung, medizinischer Hilfe und Energie muss und wird die Biotechnologie in den kommenden Jahren einen maßgeblichen Beitrag leisten.
Der Anspruch des Fachs Biotechnologie ist es daher, neben den klassischen Prozessen auch neue Entwicklungen aufzugreifen und den Schülerinnen und Schülern auf der Basis der Kenntnisse der natürlichen Lebensvorgänge ein tiefreichendes Verständnis der ausgewählten biotechnologischen Vorgänge mit ihren Chancen und Risiken zu ermöglichen.
Aufgrund des interdisziplinären Charakters der Themen im Fach Biotechnologie erhalten die Schülerinnen und Schüler die Chance Inhalte vernetzt zu lernen, zu denken und zu reflektieren, um komplexe Systeme zu analysieren, zu bewerten und in der Gesellschaft zu kommunizieren.
Die Themen des Bildungsplanes ermöglichen in der Eingangsklasse und in den Jahrgangsstufen eine wissenschaftspropädeutische Unterrichtsgestaltung. Aufgrund der technischen Komponente der Biotechnologie und der Komplexität der Prozesse und Strukturen ist der Einsatz digitaler Medien und bioinformatischer Programme unerlässlich. Themenzentriertes, forschend-entdeckendes Lernen an exemplarischen Fragestellungen in Laborübungen ermöglicht den Schülerinnen und Schülern eine gute Vorbereitung auf Studium und Berufswelt. Insgesamt bietet das Profilfach in Kombination mit geeigneten Ergänzungsfächern eine fundierte naturwissenschaftliche und bioethische Grundbildung.
2. Fachliche Aussagen zum Kompetenzerwerb, prozessbezogene Kompetenzen
Die kompetenzorientierte Gestaltung des Unterrichts im Fach Biotechnologie legt die Grundlagen für das Verständnis und die Interpretation wissenschaftlicher Erkenntnisse und damit für die Studierfähigkeit sowie für die aktive Teilnahme der Schülerinnen und Schüler an gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskussionen auf der Basis fundierter inhalts- und prozessbezogener Kompetenzen.
Inhaltsbezogene Kompetenzen
Die inhaltsbezogenen Kompetenzen orientieren sich in diesem Fach an aktuellen gesellschaftsrelevanten biologischen/biotechnologischen Fragestellungen und umfassen Fachwissen zu den Themenkomplexen „Zytologie“, „Proteine und Enzyme“, „Aufbau, Weitergabe und Realisierung der Erbinformation“ sowie „Gentechnik in der pharmakologischen Produktion“, „Medizinische Forschung, Diagnostik und Therapie“, „Informationsweitergabe und -verarbeitung zwischen und in Zellen, Entstehung von Krebs“ sowie der „zelluläre Stoffwechsel und dessen Anwendung zur Herstellung biotechnologischer Produkte in Bioreaktoren, deren Reinigung und Gewinnung“. Projektvorschläge aus den Bereichen Medizin, Umweltbiotechnologie, Pflanzenzucht und Bioinformatik ergänzen das inhaltliche Spektrum des Faches.
Bei der Erarbeitung der fachlichen Inhalte und Zusammenhänge stehen das exemplarische Lernen an geeigneten Beispielen sowie die Verknüpfung der einzelnen Inhalte mit den biologischen Prinzipien im Vordergrund.
Prozessbezogene Kompetenzen
Die prozessbezogenen Kompetenzen werden durch eine entsprechende fachdidaktische Gestaltung des Unterrichts anhand der fachlichen Inhalte gemeinsam mit den inhaltsbezogenen Kompetenzen vermittelt.
Im Rahmen des Kompetenzbereiches „Erkenntnisgewinnung und Fachmethodik“ setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit biologischen und biotechnologischen Fragestellungen auseinander. Sie werfen aus geeigneten Beobachtungen zielführende Fragestellungen auf und erstellen Hypothesen auf der Basis ihrer Vorkenntnisse. Die Planung, Durchführung und Auswertung von Experimenten zur Klärung biologischer Fragestellungen und Prüfung von Hypothesen wird von den Schülerinnen und Schülern zunehmend selbstständig geleistet. Den Schülerinnen und Schülern wird die Notwendigkeit zur Auswahl und Verwendung geeigneter Modellorganismen, Zell- oder Gewebekulturen zur Erforschung biologischer Sachverhalte bewusst. Zur Erklärung biologischer Sachverhalte, Prozesse und Wechselwirkungen verwenden, entwickeln und modifizieren die Schülerinnen und Schüler Struktur- und Funktionsmodelle. Sie beschreiben dabei auch den Zusammenhang zwischen Modell und Realität und beurteilen Aussagekraft und Grenzen von Modellen.
Im Rahmen des Kompetenzbereiches „Fachkommunikation“ beschaffen die Schülerinnen und Schüler Informationen zu biologischen Fragestellungen aus verschiedenen Quellen, werten diese aus und bereiten sie adressatengerecht auf. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei vertrauenswürdige und seriöse Quellen in verschiedenen analogen und digitalen Medien anhand geeigneter Kriterien zu recherchieren und zu erkennen.
Die Informationen werden von den Schülerinnen und Schülern aus Experimentalergebnissen, Texten, Bildern, Tabellen, Diagrammen und Grafiken entnommen. Biologische Sachverhalte können von den Schülerinnen und Schülern unter Verwendung der Fachsprache beschrieben und erklärt sowie in einen Zusammenhang mit Alltagssituationen und gesellschaftlich relevanten Fragestellungen gebracht werden. Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, Verlauf und Ergebnisse ihrer Arbeit nachvollziehbar in Form von Protokollen und Postern zu dokumentieren sowie komplexe biologische und biotechnologische Sachverhalte mithilfe von Texten, Skizzen, Grafiken, Modellen und Diagrammen anschaulich darzustellen. Die Schülerinnen und Schüler tauschen die erworbenen Informationen aus, indem sie ihre Arbeitsergebnisse adressatengerecht präsentieren und dabei ihre Standpunkte zu biologischen Sachverhalten fachlich begründet vertreten sowie fachlich begründete abweichende Standpunkte wahrnehmen und respektieren.
Die Arbeit im Team hat bei der Gewinnung und Aufbereitung von Informationen einen hohen Stellenwert. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam zu planen, zu strukturieren und zu reflektieren. Grundsätze und Werkzeuge des Projektmanagements können dazu zielführend ausgewählt und eingesetzt werden.
Im Rahmen des Kompetenzbereiches „Bewertung und Reflexion“ bewerten die Schülerinnen und Schüler biologische Modellvorstellungen und biotechnologische Anwendungen hinsichtlich Logik und Vollständigkeit. Sie analysieren ihre eigenen Versuchsergebnisse kritisch und vergleichen diese mit Ergebnissen aus der Literatur.
Die Schülerinnen und Schüler erkennen bei verschiedenen biologischen und biotechnologischen Themen deren gesellschaftliche Relevanz. Ihr Fachwissen ermöglicht ihnen eine Betrachtung der Problemstellungen aus verschiedenen Perspektiven und befähigt sie, unterschiedliche Standpunkte zu begründen und zu bewerten.
Die Schülerinnen und Schüler können biologische Sachverhalte einordnen, indem sie Bezüge zwischen biologischen Inhalten und den Inhalten anderer Wissenschaften herstellen, Aussagen, Darstellungen und Lösungsstrategien zu naturwissenschaftlichen Problemen in Medien kritisch prüfen und bewerten sowie naturwissenschaftliche und ethische Argumente und Aussagen voneinander unterscheiden.
Die Schülerinnen und Schüler beschreiben und bewerten die Folgen der Anwendung biologischer und biotechnologischer Forschungsergebnisse sowie ihrer eigenen Lebensführung aus verschiedenen Perspektiven anhand geeigneter Beispiele unter den Aspekten der nachhaltigen Entwicklung, der Würde des Menschen, der Verantwortung für die Natur und für Ökosysteme sowie ihrer eigenen Gesundheit. (vgl. Einheitliche Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Biologie der KMK i. d. F. vom 05.02.2004)
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.