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CE 04 Gesundheit fördern und präventiv handeln
1./2. Ausbildungsdrittel Zeitrichtwert: 80 Stunden
-
Anlage 1 PflAPrV
4.1.1 Intentionen und Relevanz
Wenngleich gesundheitsförderliche und präventive Aspekte in jeder CE im Zusammenhang mit konkretem pflegerischen Handeln thematisiert werden, wird in dieser CE der Fokus auf die gesellschaftlich relevanten Handlungsfelder der Gesundheitsförderung und Prävention gelegt. Dabei werden auch spezielle Settings, die für den Pflegeberuf z. T. gerade erst erschlossen werden, aufgegriffen und es wird die berufliche Situation der Auszubildenden selbst bzw. der Pflegefachfrauen/Pflegefachmänner betrachtet.
Drei Ebenen werden dabei angesprochen:
Makroebene:
- gesundheitsbezogene Herausforderungen in der Gesellschaft
Mesoebene:
- gesundheitliche Bedingungen von Institutionen und Belastungssituationen in der intraprofessionellen Zusammenarbeit
Mikroebene:
- persönliches, gesundheitsbezogenes und präventives Handeln – Gesundheitskompetenz der Auszubildenden, der zu pflegenden
Menschen und ihrer Bezugspersonen
- Reflexion der Legitimation gesundheitsförderlicher und präventiver Angebote insbesondere für Pflegende
1./2. Ausbildungsdrittel
- Eigenes Verständnis von Gesundheit und gesundheitsförderlichem Handeln reflektieren
- Auszubildende entwerfen konkrete Möglichkeiten zur eigenen Gesunderhaltung.
4.1.2 Bildungsziele
- Die Auszubildenden reflektieren Widersprüche zwischen der Fürsorge für zu pflegende Menschen vs. gesundheitsbezogener Selbstbestimmung, z. B. Widersprüche zwischen Pflege- und Therapieempfehlungen und biografisch/sozialisatorisch bedingten Gewohnheiten und Bewältigungsstrategien.
- Sie reflektieren (eigene) widerstreitende gesundheitsbezogene Bedürfnisse, z. B. unmittelbare Bedürfnisbefriedigung vs.
langfristige Bedarfe wie Gesundheit und Wohlbefinden oder Lebensqualität vs. Lebensdauer.
- Die Auszubildenden tarieren ihr gesundheitsbezogenes Handeln im Spannungsverhältnis zwischen ihrem Ich-Ideal und ihrem Real-Ich aus und decken gesellschaftliche Paradoxien auf und positionieren sich dazu.
4.1.3 Kompetenzen Anlage 1 PflAPrV
Grundlegend für das 1./2. Ausbildungsdrittel
- die Pflege von Menschen aller Altersstufen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren (I.1 a-h)
- Pflegeprozesse und Pflegediagnostik bei Menschen aller Altersstufen mit gesundheitlichen Problemlagen planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren unter dem besonderen Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention (I.2 a-g)
Die Auszubildenden
- wahren das Selbstbestimmungsrecht des zu pflegenden Menschen, insbesondere, wenn dieser in seiner Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt ist (I.6.a).
- verfügen über grundlegendes Wissen zu familiären Systemen und sozialen Netzwerken und schätzen deren Bedeutung für eine gelingende Zusammenarbeit mit dem professionellen Pflegesystem ein (I.6.d).
- erkennen eigene Emotionen sowie Deutungs- und Handlungsmuster in der Interaktion (II.1.a).
- bauen kurz- und langfristige Beziehungen mit Menschen unterschiedlicher Altersphasen und ihren Bezugspersonen auf und beachten dabei die Grundprinzipien von Empathie, Wertschätzung, Achtsamkeit und Kongruenz (II.1.b).
- wenden Grundsätze der verständigungs- und beteiligungsorientierten Gesprächsführung an (II.1.d).
- informieren Menschen aller Altersstufen zu gesundheits- und pflegebezogenen Fragestellungen und leiten bei der Selbstpflege und insbesondere Bezugspersonen und Ehrenamtliche bei der Fremdpflege an (II.2.a).
- wenden didaktische Prinzipien bei Angeboten der Information und Instruktion an (II.2.b).
- entwickeln ein grundlegendes Verständnis von den Prinzipien und Zielen einer ergebnisoffenen, partizipativen Beratung in Erweiterung zu Information, Instruktion und Schulung (II.2.c).
- fordern kollegiale Beratung ein und nehmen sie an (III.1.b).
- verfügen über grundlegendes Wissen zur Einarbeitung und Anleitung von Auszubildenden, Praktikanten sowie freiwillig Engagierten und fördern diese bezüglich ihres eigenen Professionalisierungsprozesses im Team (III.1.c).
- nehmen interprofessionelle Konflikte und Gewaltphänomene in der Pflegeinrichtung wahr und verfügen über grundlegendes Wissen zu Ursachen, Deutungen und Handhabung (III.3.c).
- verfügen über grundlegendes Wissen zu gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, ökonomischen, technologischen sowie epidemiologischen und demografischen Entwicklungen im Gesundheits- und Sozialsystem (IV.2.b).
- verfügen über grundlegendes Wissen zur Gesetzgebung im Gesundheits- und Sozialbereich) (IV.2.c).
- sind aufmerksam für die Ökologie in den Gesundheitseinrichtungen, verfügen über grundlegendes Wissen zu Konzepten und Leitlinien für eine ökonomische und ökologische Gestaltung der Einrichtung und gehen mit materiellen und personellen Ressourcen ökonomisch und ökologisch nachhaltig um (IV.2.e).
- erschließen sich wissenschaftlich fundiertes Wissen zu ausgewählten Themen und wenden einige Kriterien zur Bewertung und Information an (V.1.b).
- begründen und reflektieren das Pflegehandeln kontinuierlich auf der Basis von ausgewählten zentralen pflege- und bezugswissenschaftlichen Theorien, Konzepten, Modellen und evidenzbasierten Studien (V.1.c).
- bewerten das lebenslange Lernen als ein Element der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung, übernehmen Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene Lernen und nutzen hierfür auch moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (V.2.a).
- nehmen drohende Über- und Unterforderung frühzeitig wahr, erkennen die notwendigen Veränderungen am Arbeitsplatz und/oder des eigenen Kompetenzprofils und leiten daraus entsprechende Handlungsalternativen ab (V.2.b).
- gehen selbstfürsorglich mit sich um und tragen zur eigenen Gesunderhaltung bei, nehmen Unterstützungsangebote wahr oder fordern diese am jeweiligen Lernort ein (V.2.c).
- reflektieren ihre persönliche Entwicklung als professionell Pflegende (V.2.d).
- verfügen über ein Verständnis für die historischen Zusammenhänge des Pflegeberufs und seine Funktion im Kontext der Gesundheitsberufe (V.2.e).
4.1.5 Inhalte/Situationsmerkmale
Handlungsanlässe
1./2. Ausbildungsdrittel:
- eigene Gesundheit erhalten bzw. verbessern wollen/Bereitschaft für eine verbesserte Selbstfürsorge
- mit subjektiven Gesundheitsvorstellungen konfrontiert sein/subjektive Gesundheitsvorstellungen aufdecken
- Bereitschaft zu gesundheitsförderlichen/präventiven Verhaltensweisen, u. a. im Hinblick auf Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, Lebensstil (z. B. Rauchen, Bewegung, Ernährung (astra plus), oder Zahngesundheit, Schlaf, Sexualverhalten, Sinnfindung)
- Sich-gestresst-fühlen, Sich-ausgebrannt-fühlen (Burnout, Coolout)
- Mobbing/Hatespeech
- gesundheitsförderliche Bedingungen am Arbeits- und Lernplatz gestalten wollen
- vorhandene/fehlende Gesundheitsressourcen
- Informations- und Beratungsbedarfe von (zu pflegenden) Menschen aller Altersstufen und ihren Bezugspersonen zu o. g. gesundheitsbezogenen Themen
- Gefahr einer Gesundheitsschädigung/gefahrengeneigtes Gesundheitsverhalten in allen Altersstufen, u. a. Suchtverhalten, bewegungsarmer Lebensstil, (entwicklungsbedingtes) Risikoverhalten (z. B. auch von Klein- und Schulkindern im Straßenverkehr und im Haushalt, von Jugendlichen im Umgang mit Suchtstoffen und - formen oder Gefahr einer beeinträchtigten Risikoeinschätzung; Selbstmedikation oder sozialer Isolierung bei älteren Menschen)
- Resilienz und Unterstützungsbedarf in Kindheit und Alter
- beeinträchtigte individuelle und familiäre Resilienz/Bereitschaft für eine verbesserte Resilienz
- beeinträchtigte Familienprozesse und fehlende individuelle und familiäre Schutz- und Risikofaktoren für das Kindeswohl
- Bereitschaft für eine verbesserte elterliche Fürsorge/Gefahr einer beeinträchtigten elterlichen Fürsorge
- Bindung/Gefahr einer beeinträchtigten Bindung
- Vernachlässigung, fehlende Verlässlichkeit der Bezugspersonen
- Informations‑, Anleitungs- und Beratungsbedarfe von Auszubildenden/Teammitgliedern zu pflegefachlichen Fragestellungen
- institutionelle gesundheitsbezogene Bedingungen, u. a. gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen/physische und psychische Belastungen am Arbeits- und Lernplatz
- Verantwortung für Patientensicherheit, u. a. PflBG, SGB V und XI
RL/REK: Gesundheit (und Krankheit) als kulturelle Definitionen; Religion als Ressource
Kontextbedingungen
1./2. Ausbildungsdrittel
- alle gesundheitsbezogenen Einrichtungen und pflegerischen Handlungsfelder
- weitere Einrichtungen (z. B. Betriebe, Schulen, Kindertagestätten, Familienzentren, Kinderschutzzentren, sozialpädiatrische Zentren, Frühförderung, Jugendämter, Polizei), die gesundheitsbezogene Angebote unterbreiten
- gesundheitsbezogene Werte und Normen in der Gesellschaft und in Institutionen
Ausgewählte Akteure
- Auszubildende/Lerngruppe
- zu pflegende Menschen aller Altersstufen und ihre Bezugspersonen
- Menschen in verschiedenen Sozialisationsinstanzen (Familie, Schule, Freizeitgruppen, Betrieb etc.)
- Team
- Akteure des Pflege- und Schulmanagements
Erleben/Deuten/Verarbeiten
Auszubildende
- sich für verletzlich halten/sich für unverletzlich halten
- Angst vor gesundheitlichen Folgen von schädigenden Verhaltensweisen/vor Gewalt
- gesundheitliche (kulturbezogene) Überzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen
- sich-kompetent-fühlen in Bezug auf die eigene Gesundheit
- Wohlbefinden/sich stark erleben
Zu pflegende Menschen und deren Bezugspersonen
- Stigmatisierung erleben
- Diskrepanz zwischen Gesund-leben-wollen und Gesund-leben-können, u. a. soziale, finanzielle Situation
- sich-kompetent-fühlen in Bezug auf die eigene Gesundheit
- kognitive Dissonanzen in Bezug auf das Gesundheitsverhalten
- biografisch/sozialisatorisch bedingte Gewohnheiten
- Ohnmacht in Bezug auf Gewalt/Angst vor Gewalt
- Angst vor Kontrolle durch staatliche Institutionen
- Angst vor Sorgerechtsentzug oder Inobhutnahme
RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Handlungsmuster
1./2. Ausbildungsdrittel
Fokus auf Auszubildende
- Reflexion des eigenen konkreten Gesundheitsverhaltens anhand von Gesundheitsverhaltensmodellen und Ableitung konkreter Konsequenzen für das eigene gesundheitsbezogene Verhalten und für das pflegerische Handeln
- Reflexion und Mitgestaltung der Arbeitsplatz- und Lernbedingungen, gesundheitsförderliches Verhalten in der Lerngruppe befördern
- Maßnahmen zum Arbeitsschutz
- bewusste Arbeitszeit- und Freizeitgestaltung/Selbstsorge
- individuelles Gesundheitscoaching
- Methoden zum Schutz vor physischen und psychischen Belastungen/Stressbewältigung/‑reduktion und Resilienzentwicklung, z. B. Entspannungsübungen, Supervision, Mediation etc.
Fokus auf andere Akteure
- Erhebung von Resilienz- oder/und Risikofaktoren anhand von Instrumenten/Screening
- gesundheitsförderliche und präventive Handlungsmöglichkeiten im pflegerischen Handeln identifizieren
- Gesundheitskommunikation: Information und Schulung verschiedener Zielgruppen zu gesundheitsbezogenen Fragen unter Einbezug biografischer/sozialisatorischer und entwicklungsbedingter Voraussetzungen, Kompetenzen, Gewohnheiten, Lebensstile und sozialer Unterstützungsmöglichkeiten
- gesundheitsförderliche Angebote für verschiedene Zielgruppen gestalten bzw. in den Pflegeprozess integrieren (z. B. in Kindertagesstätten, Schulen, Einrichtungen des betreuten Wohnens etc.) unter Einbezug entsprechender Konzepte: betriebliches Gesundheitsmanagement, gesunde Schule/gesunde Einrichtung, Schulgesundheitspflege (z. B. zu den Themen Zahngesundheit, gesunde Ernährung, Infektions- und Allergieprävention, Prävention von Kinderunfällen)
- präventive Angebote für verschiedene Zielgruppen gestalten bzw. in den Pflegeprozess integrieren, z. B. Menschen in unterschiedlichen Altersstufen und Lebenssituationen mit gesundheitlichen Risiken (z. B. Lebensstilfragen nach Erleiden eines Herzinfarktes)
- Information, Schulung und Beratung von zu pflegenden Menschen mit Diabetes (Typ II) und ihren Bezugspersonen (Sekundärprävention)
- Maßnahmen der Suchtprävention
- technische/digitale Hilfsmittel für gesundheitsförderliche/präventive Informations- und Beratungsangebote nutzen (z. B. Gesundheits-Apps/Telecare etc.) und kritische fachliche Reflexion der Angebote
- gesundheitsbezogene Angebote in Pflegeschule und Praxiseinrichtung mitgestalten bzw. nutzen
- Maßnahmen zur Patientensicherheit (z. B. Umgebungsgestaltung)
- Information, Anleitung und Beratung von Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten sowie freiwillig Engagierten
4.1.6 Weitere Inhalte/Wissensgrundlagen
1./2. Ausbildungsdrittel
Mikro- und Mesoebene
- berufliches Selbstverständnis entwickeln, das Gesundheitsförderung und Prävention umfasst (hierbei auch historische Betrachtung der Veränderung des Berufsprofils)
- Modelle zu Gesundheit/Salutogenese, Krankheit, Lebensqualität, Gesundheitskompetenz, Empowerment
- Aspekte der Motivations- und Gesundheitspsychologie, z. B. Maslow
- Modelle und Konzepte zu Gesundheitsförderung und Prävention (primäre, sekundäre, tertiäre, Verhaltens- und Verhältnisprävention)
- Systematik/Unterscheidung von Information, Schulung und Beratung, Reflexion von Grenzen/Schulungs- und Beratungskonzepte
- betriebliche Gesundheitsförderung
Makroebene
- Ottawa-Charta der WHO
- Immunisierungsstatus (auch Hepatitisimpfungen für Angehörige der Gesundheitsberufe), Diskussion der Impfdebatte
- Allergieprävention (z. B. Kennzeichnung von Lebensmitteln)
- rechtliche Grundlagen: Präventionsgesetz, Finanzierung und Rechtsgrundlagen für Prävention, Haftung und Unterlassung bei Gewalt, Infektionsschutzgesetz
4.1.7 Anregungen für das Lernen in simulativen Lernumgebungen
1./2. Ausbildungsdrittel, z. B.
- Rollenspiele zur Entwicklung von Fähigkeiten in der Gesundheitskommunikation, z. B. Erhebung von Resilienz- oder/und Risikofaktoren, Informations- und Schulungsangebote zur Anwendung von Gesundheits-Apps
- Übungen zu Methoden der Stressreduktion, z. B. Entspannungsübungen
- Rollenspiele zu Schulungs‑, Informations- und Beratungsangeboten für zu pflegende Menschen mit Diabetes und ihre Bezugspersonen
- Rollenspiele zur Information von Eltern/Bezugspersonen eines Neugeborenen zur gesunden Schlafumgebung und zur Förderung der Schlafregulation
- Übungen zur Information, Anleitung und Beratung von Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten sowie freiwillig Engagierten
4.1.8 Anregungen für Lern- und Arbeitsaufgaben
1./2. Ausbildungsdrittel, z. B.
- Einschätzung der Arbeits- und Lernbedingungen vor dem Hintergrund der Idee gesundheitsförderlicher Einrichtungen (Schule und Betrieb)
- Entwicklung kreativer Ideen, wie das Arbeiten und Lernen gesundheitsförderlicher gestaltet werden kann
- nach gesundheitsbezogenen Angeboten in der Einrichtung recherchieren und Kolleginnen und Kollegen zur Inanspruchnahme befragen
- gesundheitsförderliche und präventive Aspekte im pflegerischen Handeln identifizieren
- gesundheitsförderliche und präventive Aspekte in das pflegerische Handeln integrieren
4.1.9 Didaktischer Kommentar
Folgende Situationen können hier exemplarisch bearbeitet werden (Information, Schulung und Beratung sowie digitale Möglichkeiten sollten jeweils integriert sein):
1./2. Ausbildungsdrittel
- Lernsituation, in der eine Pflegefachfrau/ein Pflegefachmann physische und psychische Belastungen erlebt und sich damit aktiv auseinandersetzt
- Lernsituation, in der eine Frau/ein Mann erfährt, dass sie/er Diabetes (Typ II) hat
- Lernsituation einer Mutter mit Fragen zum Stillen und zur gesunden Kinderernährung
- Lernsituation, in denen Eltern eines Neugeborenen in der Entwicklung von Feinfühligkeit und Bindung unterstützt werden (vgl. CE10)
- Lernsituation, in der Eltern eines Neugeborenen in der Anwendung von gesundheitsund entwicklungsfördernden Bewegungskonzepten angeleitet werden (vgl. CE10)
- Lernsituation, in der über gesetzliche Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen und das Angebot der frühen Hilfen informiert werden
- Lernsituation, in der Menschen ein konkretes gesundheitsförderliches/präventives Anliegen haben, z. B. Kinder/Jugendliche mit Übergewicht, älterer Mensch mit Bewegungsarmut, Kind mit Schulstress, zu pflegender Mensch nach einem Herzinfarkt
- Lernsituation, in der subjektive (auch kulturell bedingte) Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit die Gestaltung des Pflegeprozesses maßgeblich bestimmen
Bei der Bearbeitung sollten jeweils die förderlichen bzw. hinderlichen institutionellen und gesellschaftlichen Bedingungen mitreflektiert werden. Außerdem wird zu dieser Einheit ein Projekt zum Thema empfohlen, z. B. Projekt „Gesunde Pflegeschule“: gemeinsam eine „gesunde Schule“ entwerfen und umsetzen, z. B. Zugreif-Buffet einrichten, (Pausen)Bewegungsangebote ermöglichen, individuelles Gesundheits-Coaching anbieten, Mobiliar nach gesundheitsförderlichen Prinzipien auswählen etc.
- gesundheitsbezogene Herausforderungen in der Gesellschaft
3. Ausbildungsdrittel Pflegefachfrau/-mann Zeitrichtwert: 80 Stunden
-
Anlage 2 PflAPrV
4.1.1 Intentionen und Relevanz
Wenn gleich gesundheitsförderliche und präventive Aspekte in jeder CE im Zusammenhang mit konkretem pflegerischen Handeln thematisiert werden, wird in dieser CE der Fokus auf die gesellschaftlich relevanten Handlungsfelder der Gesundheitsförderung und Prävention gelegt. Dabei werden auch spezielle Settings, die für den Pflegeberuf z. T. gerade erst erschlossen werden, aufgegriffen und es wird die berufliche Situation der Auszubildenden selbst bzw. der Pflegefachfrauen/Pflegefachmänner betrachtet.
Drei Ebenen werden dabei angesprochen:
Makroebene:
- gesundheitsbezogene Herausforderungen in der Gesellschaft
Mesoebene:
- gesundheitliche Bedingungen von Institutionen und Belastungssituationen in der intraprofessionellen Zusammenarbeit
Mikroebene:
- persönliches, gesundheitsbezogenes und präventives Handeln – Gesundheitskompetenz der Auszubildenden, der zu pflegenden Menschen und ihrer Bezugspersonen
- Reflexion der Legitimation gesundheitsförderlicher und präventiver Angebote insbesondere für Pflegende
3. Ausbildungsdrittel
- komplexe Beratungssituationen
- institutionelle und gesellschaftliche Ebenen von Gesundheitsförderung und Prävention reflektieren
4.1.2 Bildungsziele
- Die Auszubildenden reflektieren Widersprüche zwischen der Fürsorge für zu pflegende Menschen vs. gesundheitsbezogener Selbstbestimmung, z. B. Widersprüche zwischen Pflege- und Therapieempfehlungen und biografisch/sozialisatorisch bedingten Gewohnheiten und Bewältigungsstrategien.
- Sie reflektieren (eigene) widerstreitende gesundheitsbezogene Bedürfnisse, z. B. unmittelbare Bedürfnisbefriedigung vs. langfristige Bedarfe wie Gesundheit und Wohlbefinden oder Lebensqualität vs. Lebensdauer.
- Die Auszubildenden tarieren ihr gesundheitsbezogenes Handeln im Spannungsverhältnis zwischen ihrem Ich-Ideal und ihrem Real-Ich aus und decken gesellschaftliche Paradoxien auf und positionieren sich dazu.
4.1.4 Kompetenzen – Anlage 2 PflAPrV
Grundlegend für das 3. Ausbildungsdrittel
- die Pflege von Menschen aller Altersstufen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren (I.1 a-h)
- Pflegeprozesse und Pflegediagnostik bei Menschen aller Altersstufen mit gesundheitlichen Problemlagen unter dem besonderen Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren (I.2 a-f)
Die Auszubildenden
- wahren das Selbstbestimmungsrecht der zu pflegenden Menschen aller Altersstufen, insbesondere, wenn sie in ihrer Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt sind (I.6.a).
- fördern und gestalten die Koordination und Zusammenarbeit zwischen familialen Systemen sowie den sozialen Netzwerken und den professionellen Pflegesystemen in der pflegerischen Versorgung von Menschen aller Altersstufen (I.6.d).
- machen sich eigene Deutungs- und Handlungsmuster in der pflegerischen Interaktion mit Menschen aller Altersstufen und ihren Bezugspersonen und mit ihren unterschiedlichen, insbesondere kulturellen und sozialen Hintergründen bewusst und reflektieren sie (II.1.a).
- gestalten kurz- und langfristige professionelle Beziehungen mit Menschen aller Altersstufen und ihren Bezugspersonen, die auch bei
divergierenden Sichtweisen oder Zielsetzungen und schwer nachvollziehbaren Verhaltensweisen von Empathie, Wertschätzung, Achtsamkeit
und Kongruenz gekennzeichnet sind (II.1.b).
- gestalten pflegeberufliche Kommunikationssituationen mit zu pflegenden Menschen aller Altersstufen und deren Bezugspersonen auch bei divergierenden Zielsetzungen oder Sichtweisen verständigungsorientiert und fördern eine beteiligungsorientierte Entscheidungsfindung (II.1.d).
- informieren Menschen aller Altersstufen zu komplexen gesundheits- und pflegebezogenen Fragestellungen und weitergehenden Fragen der pflegerischen Versorgung (II.2.a).
- setzen Schulungen mit Einzelpersonen und kleineren Gruppen zu pflegender Menschen aller Altersstufen um (II.2.b).
- beraten zu pflegende Menschen aller Altersstufen und ihre Bezugspersonen im Umgang mit krankheits- sowie therapie- und pflegebedingten Anforderungen und befähigen sie, ihre Gesundheitsziele in größtmöglicher Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen (II.2.c).
- reflektieren ihre Möglichkeiten und Begrenzungen zur Gestaltung von professionellen Informations‑, Instruktions‑, Schulungs- und Beratungsangeboten bei Menschen aller Altersstufen (II.2.d).
- beraten Teammitglieder kollegial bei pflegefachlichen Fragestellungen und unterstützen sie bei der Übernahme und Ausgestaltung ihres jeweiligen Verantwortungs- und Aufgabenbereiches (III.1.c).
- sind aufmerksam für Spannungen und Konflikte im Team, reflektieren diesbezüglich die eigene Rolle und Persönlichkeit und bringen sich zur Bewältigung von Spannungen und Konflikten konstruktiv im Pflegeteam ein (III.1.f).
- bearbeiten interprofessionelle Konflikte in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess auf Augenhöhe und beteiligen sich an der
Entwicklung und Umsetzung einrichtungsbezogener Konzepte zum Schutz vor Gewalt (III.3.c).
- erfassen den Einfluss gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, ökonomischer Anforderungen, technologischer sowie epidemiologischer und demografischer Entwicklungen auf die Versorgungsverträge und Versorgungsstrukturen im Gesundheits- und Sozialsystem (IV.2.b).
- erkennen die Funktion der Gesetzgebung im Gesundheits- und Sozialbereich zur Sicherstellung des gesellschaftlichen Versorgungsauftrags in stationären, teilstationären und ambulanten Handlungsfeldern (IV.2.c)
- wirken an der Umsetzung von Konzepten und Leitlinien zur ökonomischen und ökologischen Gestaltung der Einrichtung mit (IV.2.e).
- erschließen sich pflege- und bezugswissenschaftliche Forschungsergebnisse bezogen auf die Pflege von Menschen aller Altersstufen und bewerten sie hinsichtlich der Reichweite, des Nutzens, der Relevanz und des Umsetzungspotenzials (V.1.b).
- begründen und reflektieren das Pflegehandeln kontinuierlich auf der Basis von vielfältigen oder spezifischen pflegewissenschaftlichen und bezugswissenschaftlichen evidenzbasierten Studienergebnissen, Theorien, Konzepten und Modellen (V.1.c).
- bewerten das lebenslange Lernen als ein Element der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung und übernehmen
Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene Lernen und nutzen hierfür auch moderne Informations- und
Kommunikationstechnologien (V.2.a). - nehmen drohende Über- und Unterforderungen frühzeitig wahr, erkennen die notwendigen Veränderungen am Arbeitsplatz und/oder des eigenen Kompetenzprofils und leiten daraus entsprechende Handlungsalternativen ab (V.2.b).
- setzen Strategien zur Kompensation und Bewältigung unvermeidbarer beruflicher Belastungen gezielt ein und nehmen Unterstützungsangebote frühzeitig wahr oder fordern diese aktiv ein (V.2.c).
- verfügen über ein Verständnis für die historischen Zusammenhänge des Pflegeberufs und positionieren sich mit ihrer beruflichen Pflegeausbildung im Kontext der Gesundheitsberufe unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Vorbehaltsaufgaben (V.2.e).
- verstehen die Zusammenhänge zwischen den gesellschaftlichen, soziodemografischen und ökonomischen Veränderungen und der Berufsentwicklung (V.2.f).
4.1.5 Inhalte/Situationsmerkmale
Handlungsanlässe
3. Ausbildungsdrittel
- Informations- und Beratungsbedarfe von Menschen aller Altersstufen und in allen Einrichtungsarten zu gesundheitsbezogenen Fragen, u. a. Ernährungsberatung gesundheitsbezogene (ethische) Entscheidungskonflikte
- Familiengesundheit
- Gefahr von Missbrauch und Gewalt (auch sexuell)
- Gefahr des beeinträchtigten Kindeswohls, u. a. pränatale Phase (z. B. FAS (fetales Alkoholsyndrom)),
Impfverweigerung
RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Kontextbedingungen
3. Ausbildungsdrittel – erweiternd
- rechtliche Rahmenbedingungen zu Gesundheitsförderung und Prävention
- Schnittstellen zwischen Gesundheitsberufen, anderen beratenden Berufen und in der Prävention tätigen
Organisationen und Netzwerken
Ausgewählte Akteure
- Auszubildende/Lerngruppe
- zu pflegende Menschen aller Altersstufen und ihre Bezugspersonen
- Menschen in verschiedenen Sozialisationsinstanzen (Familie, Schule, Freizeitgruppen, Betrieb etc.)
- Team
- Akteure des Pflege- und Schulmanagements
Erleben/Deuten/Verarbeiten
Auszubildende
- sich für verletzlich halten/sich für unverletzlich halten
- Angst vor gesundheitlichen Folgen von schädigenden Verhaltensweisen/vor Gewalt
- gesundheitliche (kulturbezogene) Überzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen
- sich-kompetent-fühlen in Bezug auf die eigene Gesundheit
- Wohlbefinden/sich stark erleben
Zu pflegende Menschen und deren Bezugspersonen
- Stigmatisierung erleben
- Diskrepanz zwischen Gesund-leben-wollen und Gesund-leben-können, u. a. soziale, finanzielle Situation
- sich-kompetent-fühlen in Bezug auf die eigene Gesundheit
- kognitive Dissonanzen in Bezug auf das Gesundheitsverhalten
- biografisch/sozialisatorisch bedingte Gewohnheiten
- Ohnmacht in Bezug auf Gewalt/Angst vor Gewalt
- Angst vor Kontrolle durch staatliche Institutionen
- Angst vor Sorgerechtsentzug oder Inobhutnahme
RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Handlungsmuster
3. Ausbildungsdrittel
- spezielle Gesundheitskommunikation: Beratung verschiedener Zielgruppen zu gesundheitsbezogenen Fragen
- Gestaltung von Pflegesituationen, in denen aktuelle Bedürfnisse zu pflegender Menschen langfristigen Bedarfen wie
- Wohlbefinden oder Lebensqualität oder Lebensdauer entgegenstehen
- gesundheitsbezogene Entscheidungsfindung/informierte Entscheidung, ethische Aspekte
- Konzepte der Familiengesundheit umsetzen, frühe Hilfen einbeziehen
- Identifikation drohender Konflikte/Belastungen im Team und Methoden zur Konfliktprävention
- Maßnahmen zur Gewaltprävention (auch sexuelle Gewalt)
- Maßnahmen zur Stressreduktion
- Zusammenarbeiten mit Institutionen und Netzwerken im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention
- Einschätzung der eigenen Kompetenzen und adäquate Abgrenzung bzw. Weitervermittlung an andere Netzwerkakteure
- Information, Anleitung und Beratung von Teammitgliedern
4.1.6 Weitere Inhalte/Wissensgrundlagen
3. Ausbildungsdrittel
- strukturelle und politische Initiativen, z. B. Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz, Nationales Zentrum früher Hilfen
- Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik (auch Klimapolitik), Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten, Settingansatz
- gesundheitspolitische Einflussnahme
- Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik; Vergleich von Gesundheitssystemen im europäischen Kontext
- Grundbegriffe der Epidemiologie, Sozialepidemiologie: soziale Ungleichheiten/Armut und Gesundheit, Migration/Kultur und Gesundheit, Geschlecht und Gesundheit
- Gesundheitsberichterstattung (darin: gesundheitliche Risikofaktoren und Risikoverhalten, Gesundheitskosten, Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, Screening), Ergebnisberichte Gesundheitskompetenz in Deutschland, KIGGS (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen)
- Reflexion der Schwellenproblematik, der Nutzung von Angeboten der Gesundheitsförderung und Prävention Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention, Weiterbildungsordnungen
4.1.7 Anregungen für das Lernen in simulativen Lernumgebungen
3. Ausbildungsdrittel, z. B.
- Rollenspiele zur Entwicklung von Fähigkeiten in der Gesundheitskommunikation, z. B. Informations- und Schulungsangebote, in denen aktuelle Bedürfnisse zu pflegender Menschen langfristigen Bedarfen wie Wohlbefinden oder Lebensqualität oder Lebensdauer entgegenstehen, Gespräche zur gesundheitsbezogenen Entscheidungsfindung
- Rollenspiele zur gesundheitsbezogenen Information und Beratung von Verantwortlichen in Einrichtungen
- Übungen zur Information, Anleitung und Beratung von Teammitgliedern
4.1.8 Anregungen für Lern- und Arbeitsaufgaben
3. Ausbildungsdrittel, z. B.
- Information, Schulung und Beratung zu pflegender Menschen und ihrer Bezugspersonen zu gesundheitsbezogenen Aspekten, Reflexion der Legitimation und der Anknüpfung an die Lebenswelt der Angesprochenen
- Anleitung von Auszubildenden, Praktikanten sowie freiwillig Engagierten und Teammitgliedern planen, durchführen, reflektieren
4.1.9 Didaktischer Kommentar
Folgende Situationen können hier exemplarisch bearbeitet werden (Information, Schulung und Beratung sowie digitale Möglichkeiten sollten jeweils integriert sein):
3. Ausbildungsdrittel
- Lernsituation, in denen Pflegeerfordernisse im Hinblick auf gesundheitsförderliches/präventives Verhalten bestehen, die
Betroffenen jedoch selbst dieses Anliegen nicht konsequent verfolgen, z. B. zu pflegende Menschen, die mit einer
Lungenerkrankung rauchen; Jugendliche (auch Mitauszubildende), die mehrere Energy-Drinks täglich zu sich nehmen/suchtgefährdet sind, –hier sollte auch die Legitimation des pflegerischen Handelns diskutiert werden - Lernsituation mit zu drohenden Konfliktsituationen im Team
- Lernsituation zum Thema der drohenden Gewalt (auch sexuelle Gewalt)
Bei der Bearbeitung von Gewaltphänomenen ist es sinnvoll, erfahrungsbezogenes und leibliches Wissen mit disziplinärem Wissen zu verschränken. So kann die Ohnmacht in der Situation ernst genommen und zugleich mittels abstrakter Wissensbestände eine gewisse analytische Distanz zur Situation gewonnen werden. Von Bedeutung sind hier aktuelle Studien und interprofessionelle Diskursarenen, die sich mit dem Phänomen Gewalt in der Pflege befassen.
Außerdem wird zu dieser Einheit ein Projekt zum Thema empfohlen, z. B. Projekt: „Gesunde Kindertagesstätte/gesunde Altenpflegeeinrichtung“ oder ein Planspiel zum Thema „Gesundheitsförderliche Community“. Hierbei können die Auszubildenden die Rollen von Politikerinnen und Politikern, Klimaforscherinnen und Klimaforschern, Bewohnerinnen und Bewohnern verschiedener Altersstufen, Angehörigen verschiedener Gesundheitsberufe, anderen gesundheitsbezogenen Akteuren, Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern etc. einnehmen und gemeinsam eine Vision für eine „Gesundheitsförderliche Community“ entwerfen.
- gesundheitsbezogene Herausforderungen in der Gesellschaft
3. Ausbildungsdrittel Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Zeitrichtwert: 80 Stunden
-
Anlage 3 PflAPrV
4.2.1 Intentionen und Relevanz
Diese curriculare Einheit nimmt die bereits angebahnten Kompetenzen aus den beiden ersten Ausbildungsdritteln auf und vertieft diese mit dem besonderen Fokus auf komplexe Pflegesituationen im Zusammenhang mit der Gesundheitsförderung und Prävention in der Kindheit und Jugend. Das Kindes- und Jugendalter und die damit verbundenen Entwicklungsaufgaben und Übergänge, sind von besonderer Bedeutung für die Gesundheitsförderung und Prävention, da hier entscheidende Grundlagen für das Gesundheitsverhalten im Erwachsenenalter angebahnt werden.
- In allen Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen können risikoerhöhende und - reduzierende Einflussfaktoren und Bedingungen auftreten.
- analytisch-reflexive Erhebung und Einschätzung von individuellen und familiären Ressourcen, Resilienz- und Risikofaktoren
- gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen zur Stärkung, Förderung und Unterstützung der Kinder‑, Jugend- und Familiengesundheit gestalten
- Gestaltung präventiver Informations‑, Schulungs- und Beratungssituationen in der Zusammenarbeit mit anderen in der Prävention und dem Kinderschutz tätigen Berufsgruppen
- Schnittstellen des Hilfe‑/Unterstützungssystems in den Blick nehmen
- Auszubildende sollen vor dem Hintergrund ethischer und rechtlicher Prinzipien und ihres beruflichen
Selbstverständnisses eine eigene Position zu Fragen der Kindergesundheit und des Kinderschutzes und einer gerechten Verteilung
von
Ressourcen und Möglichkeiten auf unterschiedlichen systemischen Ebenen entwickeln. - Einbettung von sich neu entwickelnden Handlungsfeldern für Pflegende in der Gesundheitsförderung und
Prävention (z. B. in den frühen Hilfen, in der Schulgesundheitspflege) bei Kindern und Jugendlichen und ihrer Familien in
den
historischen Kontext der Entstehung des Berufs der (Gesundheits- und) Kinderkrankenpflege - Reflektion der institutionellen und gesellschaftlichen Ebenen von Gesundheitsförderung und Prävention
4.2.2 Bildungsziele
- Die Auszubildenden reflektieren Widersprüche zwischen der (elterlichen) Fürsorge für Kinder und Jugendliche, der Autonomie und Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen sowie dem eigenen beruflichen Selbstverständnis und dem gesetzlich verankerten Schutzauftrag für Kinder und Jugendliche.
- Sie decken zentrale gesellschaftliche Paradoxien im Spannungsfeld zwischen Kindergesundheit und limitierten Ressourcen und Möglichkeiten auf und entwickeln dazu eine ethisch begründete Position.
4.2.3 Kompetenzen − Anlage 3 PflAPrV
Grundlegend für das 3. Ausbildungsdrittel
- die Pflege von Kindern und Jugendlichen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren (I.1 a-h)
- Pflegeprozesse und Pflegediagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit gesundheitlichen Problemlagen planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren unter dem besonderen Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention (I.2 a-f)
Die Auszubildenden
- wahren das Selbstbestimmungsrecht der zu pflegenden Kinder und Jugendlichen, insbesondere, wenn diese in ihrer Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt sind (I.6.a).
- fördern und gestalten die Koordination und Zusammenarbeit zwischen familialen Systemen sowie den sozialen Netzwerken und den professionellen Pflegesystemen in der pflegerischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen (I.6.d).
- machen sich eigene Deutungs- und Handlungsmuster in der pflegerischen Interaktion mit Kindern, Jugendlichen und ihren Bezugspersonen und mit ihren unterschiedlichen, insbesondere kulturellen und sozialen, Hintergründen bewusst und reflektieren sie (II.1.a).
- gestalten kurz- und langfristige professionelle Beziehungen mit Kindern, Jugendlichen und ihren Bezugspersonen auch bei divergierenden Sichtweisen oder Zielsetzungen und schwer nachvollziehbaren Verhaltensweisen von Empathie, Wertschätzung, Achtsamkeit und Kongruenz gekennzeichnet sind (II.1.b).
- gestalten pflegeberufliche Kommunikationssituationen mit Kindern und Jugendlichen und deren Bezugspersonen auch bei divergierenden Zielsetzungen oder Sichtweisen verständigungsorientiert und fördern eine beteiligungsorientierte Entscheidungsfindung (II.1.d).
- reflektieren Phänomene von Macht und Machtmissbrauch in pflegerischen Handlungsfeldern der Versorgung von Kindern und Jugendlichen (II.1.g).
- informieren Kinder und Jugendliche sowie ihre Bezugspersonen zu komplexen gesundheits- und pflegebezogenen
Fragestellungen und weitergehenden Fragen der pflegerischen Versorgung in einer dem Entwicklungsstand und der Situation
angemessenen Sprache (II.2.a). - setzen Schulungen mit Kindern, Jugendlichen und/oder ihren Bezugspersonen in Einzelarbeit oder kleineren Gruppen um (II.2.b).
- beraten Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen im Umgang mit krankheits- sowie therapie- und pflegebedingten Anforderungen und befähigen sie, ihre Gesundheitsziele in größtmöglicher Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen (II.2.c).
- reflektieren ihre Möglichkeiten und Begrenzungen zur Gestaltung von professionellen Informations‑, Instruktions‑, Schulungs- und Beratungsangeboten bei Kindern und Jugendlichen (II.2.d).
- setzen sich für die Verwirklichung von Menschrechten, Ethikkodizes und die Förderung der spezifischen Bedürfnisse und Gewohnheiten von zu pflegenden Kindern und Jugendlichen und ihrer Bezugspersonen ein (II.3.a).
- tragen in ethischen Dilemmasituationen mit Kindern, Jugendlichen oder ihren Bezugspersonen zur gemeinsamen Entscheidungsfindung bei (II.3. c).
- beraten Teammitglieder kollegial bei pflegefachlichen Fragestellungen und unterstützen sie bei der Übernahme und Ausgestaltung ihres jeweiligen Verantwortungs- und Aufgabenbereiches (III.1.c).
- sind aufmerksam für Spannungen und Konflikte im Team, reflektieren diesbezüglich die eigene Rolle und Persönlichkeit und bringen sich zur Bewältigung von Spannungen und Konflikten konstruktiv im Pflegeteam ein (III.1.f).
- bearbeiten interprofessionelle Konflikte in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess auf Augenhöhe und beteiligen sich an der Entwicklung und Umsetzung einrichtungsbezogener Konzepte zum Schutz vor Gewalt (III.3.c).
- erfassen den Einfluss gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, ökonomischer Anforderungen, technologischer sowie epidemiologischer und demografischer Entwicklungen auf die Versorgungsverträge und Versorgungsstrukturen im Gesundheits- und Sozialsystem (IV.2.b).
- erkennen die Funktion der Gesetzgebung im Gesundheits- und Sozialbereich zur Sicherstellung des gesellschaftlichen Versorgungsauftrags in stationären, teilstationären und ambulanten Handlungsfeldern (IV.2.c).
- wirken an der Umsetzung von Konzepten und Leitlinien zur ökonomischen und ökologischen Gestaltung der Einrichtung mit (IV.2.e).
- vertreten die Notwendigkeit, die Wissensgrundlagen des eigenen Handelns kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern (V.1.a).
- erschließen sich pflege- und bezugswissenschaftliche Forschungsergebnisse bezogen auf die Pflege von Kindern und Jugendlichen und bewerten sie hinsichtlich der Reichweite, des Nutzens, der Relevanz und des Umsetzungspotenzials (V.1.b).
- begründen und reflektieren das Pflegehandeln kontinuierlich auf der Basis von vielfältigen oder spezifischen pflegewissenschaftlichen und bezugswissenschaftlichen evidenzbasierten Studienergebnissen, Theorien, Konzepten und Modellen (V.1.c).
- nehmen drohende Über- oder Unterforderungen frühzeitig wahr, erkennen die notwendigen Veränderungen am Arbeitsplatz und/oder des eigenen Kompetenzprofils und leiten daraus entsprechende Handlungsinitiativen ab (V.2.b).
- setzen Strategien zur Kompensation und Bewältigung unvermeidbarer beruflicher Belastungen gezielt ein und nehmen Unterstützungsangebote frühzeitig wahr oder fordern diese aktiv ein (V.2.c).
4.2.4 Inhalte/Situationsmerkmale
Handlungsanlässe
- Informations- und Beratungsbedarfe von Kindern, Jugendlichen und ihren Bezugspersonen und Einrichtungen zu gesundheitsbezogenen Fragen; u. a. Gesundheitsrisiken und Entwicklungsrisiken in Kindheit und Jugend: frühkindliche Regulationsprobleme, beeinträchtigte Bindung, z. B. auch mangelnde körperliche Aktivität, beeinträchtigtes Ernährungs- und Essverhalten, mangelnde Bewältigung von psychischen und sozialen Herausforderungen, depressive und aggressive Stimmungsschwankungen, Individualität versus soziale Integration, fehlende außerfamiliäre Betreuung von Kindern, Leistungsprobleme in der Schule oder während der Transition, Risikoverhalten etwa unkontrollierbares Kick-Erlebnis
- Gesundheitsrisiken durch Beeinträchtigungen der elterlichen Fürsorge und Beziehung: z. B. Risiken durch Vernachlässigung und Misshandlung, durch mangelnde Förderung, durch mangelnde Erziehungskompetenz, beeinträchtigte Familienprozesse
- gesundheitsbezogene (ethische) Entscheidungskonflikte
- gesellschaftliche und berufsethische Fragestellungen im Zusammenhang mit Kinderschutz und ethischen Dilemmasituationen
- Unterstützungsbedarfe in Familien/Familiengesundheit
- drohende (auch sexuelle) Gewalt
- Gefahr von Kindesmissbrauch/Gefahr des beeinträchtigten Kindeswohls
- RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Kontextbedingungen
- Einrichtungen der ambulanten und stationären Versorgung von Kindern und Jugendlichen
- Schulen, Kindertagesstätten
- rechtliche Rahmenbedingungen zu Gesundheitsförderung und Prävention (Kinderschutzgesetz und Schutzauftrag nach § 8a SGB VIII)
- Schnittstellen zwischen Gesundheitsberufen, anderen beratenden Berufen und in der Prävention tätigen
Organisationen und Netzwerken
Ausgewählte Akteure
- Auszubildende/Lerngruppe
- Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen
- Team
- Akteure des Pflege- und Schulmanagements
- Akteure in pädagogischen und sozialen Bereichen
- Akteure in der Jugendhilfe und in Ordnungsbehörden
Erleben/Deuten/Verarbeiten
Auszubildende
- sich für verletzlich halten/sich für unverletzlich halten
- Angst vor Gewalt
- sich mit den gesellschaftlichen Risiken konfrontiert sehen
- Erleben von Widersprüchen und Grenzen im Rahmen des Kinderschutzes
- Ohnmacht
- gesundheitliche (kulturbezogene) Überzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen
Zu pflegende Kinder/Jugendliche und deren Bezugspersonen
- Stigmatisierung erleben
- Diskrepanz zwischen Gesund-leben-wollen und Gesund-leben-können
- kognitive Dissonanzen in Bezug auf das Gesundheitsverhalten
- biografisch bedingte Gewohnheiten
- Ohnmacht in Bezug auf Gewalt/Angst vor Gewalt
- Abwehrhaltungen gegenüber den Gesundheitsrisiken von Kindheit und Jugend
- Scham
- RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Handlungsmuster
- Risikoeinschätzung/frühzeitiges Erkennen von Gesundheits- und Entwicklungsrisiken bei Kindern und Jugendlichen, u. a. Beobachten von gesundheitsförderlichen und präventiven Aspekten im pflegerischen Handeln in unterschiedlichen Settings
- Erkennen von Schutzfaktoren
- Einschätzung von Elternkompetenzen und Familiengesundheit
- Gestaltung von gesundheitsförderlichen und präventiven Angeboten für Kinder und Jugendliche und Bezugspersonen bzw. Integration in den Pflegeprozess
- Gesundheitskommunikation: Förderung und Stärkung des Gesundheitsverhaltens bei Kindern und Jugendlichen durch Information, Schulung, Beratung (z. B. in den Bereichen Bewegung, Ernährung, Sicherheit, Medienkonsum, psychoaktive Substanzen, Entwicklungsaufgaben bzw. auch physiologische, hormonelle und emotionale Veränderungen in der Pubertät, Stärkung der Selbstwirksamkeit)
- Förderung und Stärkung von Elternkompetenzen (z. B. in der Feinfühligkeit, im Bindungsverhalten, der Ernährung, der pflegerischen Zuwendung und Fürsorge, in der Ermöglichung von Entwicklung, in der sicheren und gesundheitsfördernden Umgebungsgestaltung, in der Erziehung)
- Prävention von Entwicklungsrisiken
- Unterstützung bei der gesundheitsbezogenen Entscheidungsfindung/informierte Entscheidung unter Berücksichtigung ethischer Aspekte
- Umsetzen von Konzepten der Familiengesundheit, Einbezug früher Hilfen
- Identifikation drohender Konflikte/Belastungen im Team und Einsatz von Methoden zur Konfliktprävention
- Maßnahmen zur Gewaltprävention (auch sexuelle Gewalt)
- Maßnahmen zur Stressreduktion
- Prävention von Kindeswohlgefährdung
- Stärkung von Kinderrechten und Kindergesundheit
- Zusammenarbeit mit Institutionen und Netzwerken im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention
- Einschätzung der eigenen Kompetenzen und adäquate Abgrenzung bzw. Weitervermittlung an andere Netzwerkakteure
- Information, Anleitung und Beratung von Teammitgliedern
- Auseinandersetzung mit Handlungsfeldern der Pflege im Rahmen von Prävention und Gesundheitsförderung in historischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen
4.2.5 Weitere Inhalte/Wissensgrundlagen
- strukturelle und politische Initiativen, u. a. Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz, Nationales Zentrum früher Hilfen
- Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik (auch Klimapolitik), Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten, Settingansatz
- gesundheitspolitische Einflussnahme
- Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik – Vergleich von Gesundheitssystemen im europäischen Kontext
- Grundbegriffe der Epidemiologie, Sozialepidemiologie: soziale Ungleichheiten/Armut und Gesundheit, Migration/Kultur und Gesundheit, Geschlecht und Gesundheit
- Fragen nach einer gerechten Verteilung von Ressourcen vs. Kindergesundheit, Risiken durch Milieubedingungen
- Gesundheitsberichterstattung (darin: gesundheitliche Risikofaktoren und Risikoverhalten, Gesundheitskosten, Inanspruchnahme des Gesundheitssystems, Screening), Ergebnisberichte Gesundheitskompetenz in Deutschland, KIGGS (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen)
- gesetzliche Grundlagen zum Kinderschutz und zur Jugendhilfe
- vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit und Krankheit, Kohärenz und Resilienz auf individueller und familiärer Ebene
- Reflexion der Schwellenproblematik, der Nutzung von Angeboten der Gesundheitsförderung und Prävention
- Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention, Weiterbildungsordnungen
4.2.6 Anregungen für das Lernen in simulativen Lernumgebungen
Zum Beispiel:
- Rollenspiele zu Schulungs‑, Informations- und Beratungsangeboten für Bezugspersonen, Kinder und Jugendliche
- Simulation einer Fallbesprechung im Präventionsteam, z. B. bei Kindeswohlgefährdung · Simulation einer Schulungssequenz
- Rollenspiele zur gesundheitsbezogenen Information und Beratung von Verantwortlichen in Einrichtungen
- Übungen zur Information, Anleitung und Beratung von Teammitgliedern
4.2.7 Anregungen für Lern- und Arbeitsaufgaben
Zum Beispiel:
- Beobachten von gesundheitsförderlichen und präventiven Aspekten im pflegerischen Handeln in unterschiedlichen Settings u.a.
- Erkundung von regionalen, überregionalen und nationalen Netzwerken und Einrichtungen zur Gesundheitsförderung und Prävention von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien
- eine adressaten- und bedarfsgerechte Schulungssequenz zu Themen der Gesundheitsförderung und Prävention gestalten und evaluieren (z. B. gesunde Schlafumgebung, gesunde Ernährung, Allergieprävention)
- Anleitung von Auszubildenden, Praktikanten sowie freiwillig Engagierten und Teammitgliedern planen, durchführen, reflektieren
4.2.8 Didaktischer Kommentar
Folgende Lernsituationen können hier exemplarisch bearbeitet werden (Information, Schulung und Beratung sollten jeweils integriert sein):
- Lernsituation, in der eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht und unterschiedliche Akteure/Berufsgruppen involviert sind,
- Lernsituation, in der ein ethisches Dilemma unter Abwägung konkurrierender ethischer Prinzipien diskutiert wird (Verdacht einer Kindeswohlgefährdung, Inobhutnahme, elterliche Fürsorge und Sorgerecht),
- Lernsituation, in der ein hohes Konfliktpotenzial oder drohende Gewalt thematisiert wird,
- Lernsituationen, in denen mehrere Risikofaktoren für eine gesunde Entwicklung eines Kindes auf unterschiedlichen
systemischen Ebenen vorhanden sind (z. B. Wissensdefizite, herausforderndes Verhalten des Kindes, fehlende soziale Integration,
Migrationshintergrund, belastete Familiensituation, biografisch bedingte Belastungsfaktoren der Eltern/Bezugspersonen), jedoch auch
Widerstandsfaktoren, wie Motivation für gesundheitsförderndes Verhalten, Liebe und Zuwendung, Fürsorge, Offenheit,
Aktivität und Flexibilität.
Bei der Bearbeitung von Gewaltphänomenen ist es sinnvoll, erfahrungsbezogenes und leibliches Wissen mit disziplinärem Wissen zu verschränken. So kann die Ohnmacht in der Situation ernst genommen und zugleich mittels abstrakter Wissensbestände eine gewisse analytische Distanz zur Situation gewonnen werden.
Außerdem wird zu dieser Einheit ein Projekt empfohlen, z. B. „Gesundheit und Sicherheit im Säuglings- und Kleinkindalter“, „Mädchengesundheit“, „Stressprävention im Jugendalter“ oder ein Planspiel zum Thema „Gesundheitsförderliche Community“. Hierbei können die Auszubildenden die Rollen von Politikerinnen und Politikern, Klimaforscherinnen und Klimaforschern, Bewohnerinnen und Bewohnern verschiedener Altersstufen, Angehörigen verschiedener Gesundheitsberufe, anderen gesundheitsbezogenen Akteuren, Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern etc. einnehmen und gemeinsam eine Vision für eine „Gesundheitsförderliche Community“ entwerfen.
Insgesamt muss in dieser Einheit darauf geachtet werden, dass die Tiefe der Auseinandersetzung einer Erstausbildung entspricht. Spezifische Beratungskompetenzen in Bezug auf die Familiengesundheit können in Weiterbildungen oder Studiengängen erworben werden.
3. Ausbildungsdrittel Altenpflegerin Zeitrichtwert: 80 Stunden
-
Anlage 4 PflAPrV
-
4.3.1 Intentionen und Relevanz
Diese curriculare Einheit schließt an die korrespondierende Einheit aus der generalistischen Ausbildungsphase der ersten beiden Ausbildungsdrittel an. Die Lernsituationen des dritten Ausbildungsdrittels sind im Vergleich zu denen der ersten beiden Ausbildungsdrittel durch eine höhere Komplexität gekennzeichnet.
- komplexe Beratungs- und Schulungssituationen mit älteren zu pflegenden Menschen und ihren Bezugspersonen
- Prävention von Konflikt‑, Sucht- und Gewaltphänomenen in verschiedenen Settings
- Erhebung von Resilienz- und Risikofaktoren
- Gestaltung von gesundheitsförderlichen und präventiven Interventionen für ältere Menschen in verschiedenen Settings
- Reflexion von institutionellen und gesellschaftlichen Ebenen der Gesundheitsförderung und Prävention
Bezüge zur curricularen Einheit 07 „Rehabilitatives Pflegehandeln im interprofessionellen Team“ können hergestellt werden.
4.3.2 Bildungsziele
- Auszubildenden reflektieren Widersprüche zwischen der Fürsorge für alte zu pflegende Menschen vs. gesundheitsbezogener Selbstbestimmung
- Reflexion widerstreitender gesundheitsbezogener Bedürfnisse
- Auszubildende decken gesellschaftliche Paradoxien und Konflikte auf der Handlungsebene im Kontext von Gewaltphänomenen auf und positionieren sich dazu.
4.3.3 Kompetenzen − Anlage 4 PflAPrV
Grundlegend für das 3. Ausbildungsdrittel
- die Pflege von alten Menschen verantwortlich planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und bewerten (I.1 a-h)
- Pflege bei alten Menschen mit gesundheitlichen Problemlagen planen, organisieren, gestalten, durchführen, steuern und bewerten unter dem besonderen Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention (I.2 a-d)
Die Auszubildenden
- reflektieren Phänomene von Macht und Machtmissbrauch in pflegerischen Handlungsfeldern der Versorgung von alten Menschen (I.3.f).
- wahren das Selbstbestimmungsrecht alter Menschen mit Pflegebedarf, insbesondere, wenn sie in ihrer Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt sind (I.6.a).
- fördern und gestalten die Zusammenarbeit zwischen familialen Systemen sowie den sozialen Netzwerken und den professionellen Pflegesystemen in der pflegerischen Versorgung von alten Menschen (I.6.d).
- machen sich eigene Deutungs- und Handlungsmuster in der pflegerischen Interaktion mit alten Menschen und ihren Bezugspersonen und mit ihren unterschiedlichen, insbesondere kulturellen und sozialen Hintergründen bewusst und reflektieren sie (II.1.a).
- reflektieren ihre Möglichkeiten und Grenzen in der Kommunikation und Beratung (II.1.b).
- nutzen Empathie, Wertschätzung, Akzeptanz und Kongruenz für eine professionelle Beziehungsgestaltung und Kommunikation mit alten Menschen (II.1.c).
- setzen Methoden der Gesprächsführung angemessen ein (II.1.d).
- informieren alte Menschen zu komplexen gesundheits- und pflegebezogenen Fragestellungen und weitergehenden Fragen der pflegerischen Versorgung (II.2.a).
- setzen Schulungen mit Einzelpersonen und kleineren Gruppen zu pflegender alter Menschen um (II.2.b).
- beraten alte Menschen und ihre Bezugspersonen im Umgang mit krankheits- sowie therapie- und pflegebedingten Anforderungen und befähigen sie, ihre Gesundheitsziele in größtmöglicher Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zu erreichen (II.2.c).
- reflektieren ihre Möglichkeiten und Begrenzungen zur Gestaltung von professionellen Informations‑, Instruktions‑, Schulungs- und Beratungsangeboten bei alten Menschen (II.2.d).
- beraten Teammitglieder kollegial bei pflegefachlichen Fragestellungen und unterstützen sie bei der Übernahme und Ausgestaltung ihres jeweiligen Verantwortungs- und Aufgabenbereiches (III.1.c).
- reflektieren ihre eigene Rolle in der Zusammenarbeit und wenden das Wissen über erfolgreiche Teamarbeit an (III.1.f).
- bearbeiten interprofessionelle Konflikte in einem gemeinsamen Aushandlungsprozess auf Augenhöhe (III.3.c).
- kennen den Einfluss gesamtgesellschaftlicher Veränderungen, ökonomischer Anforderungen sowie epidemiologischer und demografischer Entwicklungen auf die Versorgungsstrukturen (IV.2.b).
- erkennen die Funktion der Gesetzgebung im Gesundheits- und Sozialbereich zur Sicherstellung des gesellschaftlichen Versorgungsauftrags in stationären, teilstationären und ambulanten Handlungsfeldern (IV.2.c).
- wirken an der Umsetzung von Konzepten und Leitlinien zur ökonomischen und ökologischen Gestaltung der Einrichtung mit (IV.2.e).
- vertreten die Notwendigkeit, die Wissensgrundlagen des eigenen Handelns kontinuierlich zu überprüfen und gegebenenfalls zu verändern, und übernehmen Eigeninitiative und Verantwortung für das eigene Lernen (V.1.a).
- handeln auf der Grundlage pflege- und bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse bezogen auf die Pflege von alten Menschen und reflektieren und bewerten ihr Pflegehandeln hinsichtlich möglicher Verbesserungen (V.1.c).
- nehmen drohende Über- oder Unterforderungen frühzeitig wahr, erkennen die notwendigen Veränderungen am Arbeitsplatz und/oder des eigenen Kompetenzprofils und leiten daraus entsprechende Handlungsinitiativen ab (V.2.b).
- setzen Strategien zur Kompensation und Bewältigung unvermeidbarer beruflicher Belastungen gezielt ein und nehmen Unterstützungsangebote frühzeitig wahr oder fordern diese aktiv ein (V.2.c).
- reflektieren ihre persönliche Entwicklung als professionell Pflegende und entwickeln ein eigenes Pflegeverständnis sowie ein berufliches Selbstverständnis unter Berücksichtigung berufsethischer und eigener ethischer Überzeugungen (V.2.d).
- verfügen über ein Verständnis für die historischen Zusammenhänge des Pflegeberufs und positionieren sich mit ihrer beruflichen Pflegeausbildung im Kontext der Gesundheitsberufe unter Berücksichtigung der ausgewiesenen Vorbehaltsaufgaben (V.2.e).
- verstehen die Zusammenhänge zwischen den gesellschaftlichen, soziodemografischen und ökonomischen Veränderungen und der Berufsentwicklung (V.2.f).
4.3.4 Inhalte/Situationsmerkmale
Handlungsanlässe
- Informations- und Beratungsbedarfe von alten Menschen und ihren Bezugspersonen und Einrichtungen zu gesundheitsbezogenen Fragen
- Gefahr einer Gesundheitsschädigung alter Menschen, u. a. mangelnde körperliche Aktivität, beeinträchtigtes Ernährungsverhalten, depressive Stimmungsschwankungen
- gesundheitsbezogene (ethische) Entscheidungskonflikte
- Belastungssituationen in der intraprofessionellen Zusammenarbeit/Konflikte;
- Unterstützungsbedarfe in Familien bzw. der Familiengesundheit
- drohende (auch sexuelle) Gewalt
- RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Kontextbedingungen
- rechtliche Rahmenbedingungen zu Gesundheitsförderung und Prävention
- Einrichtungen der ambulanten und stationären Langzeitpflege
- Pflegestützpunkte
- Schnittstellen zwischen Gesundheitsberufen, anderen beratenden Berufen und in der Prävention tätigen Organisationen und
Netzwerken
Ausgewählte Akteure
- Auszubildende/Lerngruppe
- alte zu pflegende Menschen und ihre Bezugspersonen
- Team
- Akteure des Pflege- und Pflegeschulmanagements
- Akteure im sozialen Raum (z. B. freiwillig Engagierte)
Erleben/Deuten/Verarbeiten
Auszubildende
- sich für verletzlich halten/sich für unverletzlich halten
- Angst vor gesundheitlichen Folgen von schädigenden Verhaltensweisen/vor Gewalt
- gesundheitliche (kulturbezogene) Überzeugungen und Selbstwirksamkeitserwartungen
- sich-kompetent-fühlen in Bezug auf die eigene Gesundheit
- Wohlbefinden/sich-stark-erleben
Zu pflegende Menschen und deren Bezugspersonen
- Stigmatisierung erleben
- Diskrepanz zwischen Gesund-leben-wollen und Gesund-leben-können
- kognitive Dissonanzen in Bezug auf das Gesundheitsverhalten
- biografisch bedingte Gewohnheiten
- Ohnmacht in Bezug auf Gewalt/Angst vor Gewalt
- Angst vor Kontrolle durch staatliche Institutionen
- RL/REK: religiöse Deutungen von Leid; Umgang mit Schuldfragen
Handlungsmuster
- spezielle Gesundheitskommunikation: Beratung alter Menschen und Einrichtungen zu gesundheitsbezogenen Fragen, u. a. Health Literacy, Umgang mit und Zugang zu gesundheitsrelevanten Informationen und Programmen [D]
- Gestaltung von Pflegesituationen, in denen aktuelle Bedürfnisse alter zu pflegender Menschen längerfristigen Bedarfen wie Wohlbefinden oder Lebensqualität oder Lebensdauer entgegenstehen
- Unterstützung bei der gesundheitsbezogenen Entscheidungsfindung/informierten Entscheidung unter Berücksichtigung ethischer Aspekte
- Maßnahmen zur Gewaltprävention (auch sexuelle Gewalt)
- Maßnahmen zur Stressreduktion
- Zusammenarbeit mit Institutionen und Netzwerken im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention
- Einschätzung der eigenen Kompetenzen und adäquate Abgrenzung bzw. Weitervermittlung an andere Netzwerkakteure
- Information, Anleitung und Beratung von Teammitgliedern
4.3.5 Weitere Inhalte/Wissensgrundlagen
- strukturelle und politische Initiativen, u. a. Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz
- Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik (auch Klimapolitik), Schaffung gesundheitsförderlicher Lebenswelten,
Settingansatz
- gesundheitspolitische Einflussnahme
- Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik; Vergleich von Gesundheitssystemen im europäischen Kontext
- Grundbegriffe der Epidemiologie, Sozialepidemiologie: soziale Ungleichheiten/Armut und Gesundheit, Migration/Kultur und Gesundheit,
Geschlecht und Gesundheit
- Gesundheitsberichterstattung (darin: gesundheitliche Risikofaktoren und Risikoverhalten, Gesundheitskosten, Inanspruchnahme des
Gesundheitssystems, Screening), Ergebnisberichte Gesundheitskompetenz in Deutschland
- Reflexion der Schwellenproblematik, der Nutzung von Angeboten Gesundheitsförderung und Prävention
- Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention, Weiterbildungsordnungen
4.3.6 Anregungen für das Lernen in simulativen Lernumgebungen
Zum Beispiel:
- Rollenspiele zur Entwicklung von Fähigkeiten in der Gesundheitskommunikation, z. B. Informations- und Schulungsangebote, in denen aktuelle Bedürfnisse alter zu pflegender Menschen längerfristigen Bedarfen wie Wohlbefinden oder Lebensqualität oder Lebensdauer entgegenstehen, Gespräche zur gesundheitsbezogenen Entscheidungsfindung
- Rollenspiele zur gesundheitsbezogenen Information und Beratung von Verantwortlichen in Einrichtungen
- Übungen zur Information, Anleitung und Beratung von Teammitgliedern
4.3.7 Anregungen für Lern- und Arbeitsaufgaben
Zum Beispiel:
- gesundheitsförderliche und präventive Aspekte im altenpflegerischen Handeln identifizieren
- gesundheitsförderliche und präventive Aspekte in das altenpflegerische Handeln integrieren
- Information, Schulung und Beratung alter zu pflegender Menschen und ihrer Bezugspersonen zu gesundheitsbezogenen Aspekten, Reflexion der Legitimation und der Anknüpfung an die Lebenswelt der Angesprochenen
- Anleitung von Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten sowie freiwillig Engagierten und Teammitgliedern planen, durchführen, reflektieren
4.3.8 Didaktischer Kommentar
Folgende Lernsituationen können hier exemplarisch bearbeitet werden (Information, Schulung und Beratung sollten jeweils integriert sein):
- Lernsituationen, in denen Pflegeerfordernisse im Hinblick auf gesundheitsförderliches/präventives Verhalten
bestehen, die Betroffenen jedoch selbst dieses Anliegen nicht konsequent verfolgen, z. B. zu pflegende Menschen, die mit einer
Lungenerkrankung rauchen, hier sollte auch die Legitimation des pflegerischen Handelns diskutiert werden,
Lernsituationen, in denen alten Menschen Präventionsangebote unterbreitet werden und das Angebot sehr stark an die Gesundheitsressourcen angepasst werden muss, - Lernsituationen, in denen drohende Konfliktsituationen im Team thematisiert werden,
- Lernsituationen, in denen drohende Gewalt (auch sexuelle Gewalt) thematisiert wird.
Bei der Bearbeitung von Gewaltphänomenen ist es sinnvoll, erfahrungsbezogenes und leibliches Wissen mit disziplinärem Wissen zu verschränken. So kann die Ohnmacht in der Situation ernst genommen und zugleich mittels abstrakter Wissensbestände eine gewisse analytische Distanz zur Situation gewonnen werden. Von Bedeutung sind hier aktuelle Studien und interprofessionelle Diskursarenen, die sich mit dem Phänomen Gewalt in der Pflege befassen.
Außerdem wird zu dieser Einheit ein Projekt zum Thema empfohlen, z. B. Projekt: „Gesunder Seniorentreff“ oder ein Planspiel zum Thema „Gesundheitsförderliche Community“. Hierbei können die Auszubildenden die Rollen von Politikerinnen und Politikern, Klimaforscherinnen und Klimaforschern, Bewohnerinnen und Bewohnern verschiedener Altersstufen, Angehörigen verschiedener Gesundheitsberufe, anderen gesundheitsbezogenen Akteuren, Einzelhändlerinnen und Einzelhändlern etc. einnehmen und gemeinsam eine Vision für eine „Gesundheitsförderliche Community“ entwerfen.