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1. Leitgedanken zum Kompetenzerwerb

1.1 Bildungswert des Faches Gemeinschaftskunde

Mündigkeit

Das politische System Deutschlands kann nur dann nach demokratischen Prinzipien funktionieren, wenn es von politisch mündigen Bürgern getragen und gestaltet wird. Die Schülerinnen und Schüler zu demokratischem Denken und Handeln zu befähigen und zu ermutigen, ist die wichtigste Aufgabe der politischen Bildung, aber auch der Schule insgesamt. Die Bedeutung, die der politischen Bildung für die Demokratie beigemessen wird, zeigt sich auch darin, dass Gemeinschaftskunde nach der Landesverfassung ordentliches Lehrfach in allen Schulen ist (Art. 21 Abs. 2 Verfassung des Landes Baden-Württemberg).

Wertebildung

Auf der Grundlage solider Fachkenntnisse entwickeln die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen, um sich in der komplexen Welt der Politik orientieren zu können. Sie müssen in der Lage sein, politische Prozesse und Entscheidungen zielgerichtet zu analysieren, über diese kriterienorientiert zu urteilen und darauf aufbauend reflektiert politisch zu handeln. Ferner leistet der Unterricht einen wertvollen Beitrag zur Wertebildung, indem er dabei hilft, dass die Schülerinnen und Schüler eine demokratische Grundeinstellung entwickeln und zu selbstständig denkenden, rational urteilenden und sozial verantwortlich handelnden Staatsbürgern werden.

Es gilt, mit den Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit einzuüben, eigenständig politische Meinungen zu vertreten, aber auch Kritik an den eigenen Urteilen zu tolerieren. Gesellschaftlich-politische Toleranz ist generell eine Haltung, auf die der Unterricht zielen muss. Wesentlich ist die Verinnerlichung demokratischer Grundwerte und Haltungen, die auf den Grund- und Menschenrechten basieren, wie etwa Gewaltfreiheit und Zivilcourage. Grundlegend ist die Einsicht, dass Freiheit und Verantwortung konstitutive Elemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind, die es zu sichern und weiterzuentwickeln gilt.

Beitrag des Faches zu den Leitperspektiven

In welcher Weise das Fach Gemeinschaftskunde einen Beitrag zu den Leitperspektiven leistet, wird im Folgenden dargestellt:

  • Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)
    Nachhaltigkeit ist in vielfältiger Weise mit den Inhalten des Gemeinschaftskundeunterrichts verknüpft. Die Förderung von Frieden und demokratischem Handeln ist ein zentrales Ziele der politischen Bildung. Auch die Bewältigung langfristiger Herausforderungen, etwa in der Umwelt‑, Energie- und Wirtschaftspolitik, ist ohne das Ziel der Nachhaltigkeit nicht denkbar. Außerdem thematisiert der Gemeinschaftskundeunterricht soziale und globale Ungleichheiten, zwei Problemkomplexe, die nachhaltige Lösungen verlangen.
  • Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt (BTV)
    Der Gemeinschaftskundeunterricht setzt sich auf unterschiedliche Weise mit aktuellen gesellschaftlichen Themen auseinander. Aufgrund der zunehmenden Individualisierung und Pluralisierung werden die Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Vielfalt, der Umgang mit Minderheiten und die Förderung des interkulturellen und interreligiösen Dialogs immer bedeutsamer. Die Achtung der Menschenwürde, die Ausbildung von Toleranz und der Abbau von Vorurteilen haben im Fach Gemeinschaftskunde deshalb eine besondere Bedeutung.
  • Prävention und Gesundheitsförderung (PG)
    Gemeinschaftskunde ist ein diskursives Fach. Ziel des Unterrichts ist es, dass die Schülerinnen und Schüler wertschätzend kommunizieren und handeln sowie lösungsorientiert Konflikte bewältigen. Das beinhaltet, dass Konflikte argumentativ und gewaltfrei gelöst werden. Grundlegend ist dabei die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, um andere Menschen und Akteure verstehen zu können.
  • Berufliche Orientierung (BO)
    Die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Sach‑,  Konflikt- und Problemlagen kann erste Anregungen für eine spätere berufliche Orientierung bieten. So werden unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Gestaltung der Arbeitswelt unter Genderaspekten oder das Problem der prekären Beschäftigung im Gemeinschaftskundeunterricht thematisiert.  
  • Medienbildung (MB)
    Die Auseinandersetzung mit Entwicklungen, Chancen und Problemen der Mediengesellschaft ist elementarer Bestandteil des Gemeinschaftskundeunterrichts. Medien ermöglichen umfassende Recherchen, prägen den politischen Diskurs, vermitteln zwischen den Bürgern und der Politik und sind im Leben der Schülerinnen und Schüler ständig präsent. Darüber hinaus stellen digitale Medien die Gesellschaft in den Bereichen der öffentlichen Meinungsbildung und des Datenschutzes aber auch vor neue Herausforderungen.
  • Verbraucherbildung (VB)
    Das Fach Gemeinschaftskunde zielt auf den mündigen Bürger, der auch Verbraucher ist und als solcher selbstbestimmt und verantwortungsvoll handeln soll. Die Stellung des Verbrauchers zu stärken, ist Aufgabe der Politik, die im Mehr-Ebenen-System vor allem auch durch Initiativen der Europäischen Union bearbeitet wird. Der Gemeinschaftskundeunterricht kann bei den Themen Recht, Europäische Union und Problemlösefähigkeit des politischen Systems zur Verbraucherbildung beitragen.

Darüber hinaus lassen sich bei der Auswahl von Fallbeispielen vielfältige Verbindungen zwischen dem Gemeinschaftskundeunterricht und den Leitperspektiven herstellen. Aufgrund der didaktischen Prinzipien Schülerorientierung und Aktualität können die Fallbeispiele aber nicht im Bildungsplan verankert werden.

1.2 Kompetenzen

Prozessbezogene Kompetenzen

Im vorliegenden Bildungsplan werden die prozessbezogenen Kompetenzen in die vier Kompetenzbereiche Analyse‑, Urteils‑, Handlungs- und Methodenkompetenz gegliedert. In diesen vier Kompetenzbereichen spiegelt sich der Kern des Faches Gemeinschaftskunde wider.

  • Analysekompetenz: Voraussetzung für ein vertieftes Verständnis von Politik ist die Analyse gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Prozesse. Politik wird hierbei als ein kollektiver und konfliktbehafteter Prozess der Problembearbeitung betrachtet. Verbindliche Entscheidungen werden dabei – zumindest in Demokratien – kollektiv und demokratisch getroffen. Da sich politische Konstellationen permanent verändern, kann Politik als Prozess zyklischer Problembewältigung verstanden werden.
  • Urteilskompetenz: Analyse- und Urteilskompetenz sind eng miteinander verbunden. Auf der Grundlage einer fundierten Analyse sollen die Schülerinnen und Schüler zu politischen Fragen und Problemen eigene Positionen entwickeln. Sich mit Politik beschäftigen, heißt immer auch kriterienorientiert urteilen, denn durch das Urteil definiert das Individuum sein Verhältnis zur Welt. Dabei berücksichtigen die Schülerinnen und Schüler die Besonderheiten des Gegenstands Politik und werden sich der Interessengebundenheit ihres eigenen Standpunkts bewusst.
  • Handlungskompetenz: Oberstes Ziel der politischen Bildung ist die Förderung des mündigen Bürgers, der politisch interveniert und sich so „in seine eigenen Angelegenheiten einmischt“ (Max Frisch). Politische Bildung erstreckt sich nicht nur auf die Bereiche der Analyse und des politischen Urteils, sondern beinhaltet auch die Ebene des simulativen und des praktischen politischen Handelns.
  • Methodenkompetenz: Um politische Fragen und Probleme bearbeiten zu können, benötigen die Schülerinnen und Schüler ein breites Instrumentarium allgemeiner und fachspezifischer Methoden. Dabei ist der kritische Umgang mit verschiedenen Medien von zentraler Bedeutung. Neben der Beschaffung und Bewertung von Informationen gehört auch das Präsentieren von Ergebnissen zur Methodenkompetenz. Die Verfeinerung der Methodenkompetenz dient dazu, die Ausbildung der Analyse‑, Urteils- und Handlungskompetenz zu fördern.

Erweiterung der Perspektiven

Entwicklungsmodelle veranschaulichen die Veränderung individueller Sichtweisen auf einen Gegenstand. Dabei zeigen sie lernprozessbezogene Entwicklungsstufen auf, zum Beispiel bei Jean Piaget oder Lawrence Kohlberg. Ziel dieses Entwicklungs- und Lernprozesses ist es, dass das Individuum den Bezugsrahmen des eigenen Urteils vergrößert, die Perspektive erweitert und seine Analyse beziehungsweise sein Urteil vielschichtiger macht.
Die Schülerinnen und Schüler sollen befähigt werden, ihre Perspektive über ihre eigene Weltsicht hinaus zu erweitern. Dazu werden im Bildungsplan individuelle, öffentliche und systemische Perspektive unterschieden. Die Perspektiven werden als entwicklungslogische Niveaus verstanden und spiegeln die Progression im Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler wider.

  • Individuelle Perspektive: Die Schülerinnen und Schüler berücksichtigen bei der Analyse und Bewertung von Sach‑, Konflikt- und Problemlagen ihre eigenen Interessen und die Interessen ihres sozialen Umfelds.
  • Öffentliche Perspektive: Sie nehmen darüber hinaus die Interessen und Werte anderer Akteure wahr und berücksichtigen diese bei der Analyse und Bewertung von Sach‑, Konflikt- und Problemlagen (Perspektivübernahme und Problembewusstsein).
  • Systemische Perspektive: Mit der systemischen Perspektive rücken sozialwissenschaftliche Theorien und Modelle in den Mittelpunkt der Analyse und der Bewertung von Sach‑, Konflikt- und Problemlagen. Die Schülerinnen und Schüler ziehen generalisierende Schlüsse, fragen nach Auswirkungen für das gesamte System und untersuchen auf der Metaebene politische Problemstellungen.
Kompetenzmodell und didaktischer Ansatz (© Landesinstitut für Schulentwicklung)
Abbildung 1: Kompetenzerwerb

Inhaltsbezogene Kompetenzen

Die Vermittlung von Wissen ist kein Selbstzweck, sondern auf die Entwicklung und Verfeinerung von Kompetenzen gerichtet. Bei der Vermittlung von Wissen geht es nicht um ein rein quantitatives Anhäufen von Wissensbeständen, sondern um die Förderung der Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler. Wissen hat demnach gegenüber dem Kompetenzerwerb immer eine dienende Funktion. Ziel des Unterrichts muss es sein, die Wissensbestände der Schülerinnen und Schüler qualitativ zu erhöhen, quantitativ weiterzuentwickeln und ihnen den Aufbau einer geordneten Fachsprache zu ermöglichen. Der Aufbau von Fachwissen dient dem Erwerb von konzeptuellem Wissen und nicht dem reinen Faktenwissen. Konzeptuelles Wissen unterscheidet sich sowohl von Faktenwissen als auch vom fachlichen Einzelwissen dadurch, dass es von konkreten Erfahrungen absieht und stattdessen deren Merkmale und Kennzeichen kategorisiert. Konzepte erlauben das Abrufen von bedeutungs- und wahrnehmungsbezogenen Wissensinhalten. Wird konzeptuelles Wissen in einer Anforderungssituation abgerufen, werden die vorhandenen und zur Situation passenden Konzepte netzartig verknüpft.

Die Aneignung von konzeptuellem Wissen ist demnach eng mit dem Kompetenzerwerb verknüpft. Der vorliegende Bildungsplan strukturiert die inhaltsbezogenen Kompetenzen nach den Bereichen Gesellschaft, Recht, Politisches System und Internationale Beziehungen. Die inhaltsbezogenen Kompetenzen verdeutlichen, mit welcher thematischen Ausrichtung die prozessbezogenen Kompetenzen erworben werden sollen. Auch die vorliegenden Inhalte sind spiralcurricular angeordnet. Die Schülerinnen und Schüler werden im Laufe der Jahre mit immer komplexeren Fragestellungen konfrontiert. Bei der Urteilsbildung müssen sie sich zunehmend mit anspruchsvolleren Fragestellungen auseinandersetzen, dabei zunehmend unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen und vielfältige Kriterien anwenden, um immer differenziertere Urteile fällen zu können.
Generell ist der Bildungsplan nach dem Prinzip „vom Nahen zum Fernen“ aufgebaut. Dahinter steht die Vorstellung, dass sich Demokratie auf drei unterschiedlichen Ebenen konstituiert (Gerhard Himmelmann).
Die erste Dimension eines demokratischen Systems, mit der junge Menschen in Kontakt treten, ist Demokratie als Lebensform. Hierbei geht es um Fragen des demokratischen sozialen Zusammenlebens der Menschen, beispielsweise die Interaktionen im Klassenzimmer, in der Schule und in der Familie. Bereits in der Schule müssen demokratische Verhaltens- und Konfliktlösungsmuster gelernt werden, die später von den Schülerinnen und Schülern auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme übertragen werden sollen.
Die zweite Dimension der Demokratie ist Demokratie als Gesellschaftsform. Demokratie braucht angesichts der vielen unterschiedlichen Interessen in einer pluralistischen Gesellschaft friedliche politische und rechtliche Konfliktlösungsmuster und das breite Engagement der Bürger (Zivilgesellschaft). Ohne bürgerschaftliches Engagement (zum Beispiel im Ehrenamt) ist eine lebendige demokratische Gesellschaft nicht vorstellbar.
Die dritte Dimension der Demokratie ist Demokratie als Herrschaftsform. Darunter werden politische Prinzipien (Volkssouveränität, Rechtstaat, Schutz der Grundrechte etc.) ebenso gefasst wie Institutionen (Gemeinderat, Bundestag, Gerichte etc.). Oftmals wird Demokratie auf die letzte Ebene, das heißt auf die institutionelle Ebene der Herrschaftsform, verkürzt. Politische Bildung in der Schule muss alle Dimensionen der Demokratie umfassen. Sie sollte aber dort beginnen, wo die Schülerinnen und Schüler unmittelbar mit Demokratie in Berührung kommen und sie erleben, nämlich in der Schule, im Klassenzimmer und bei den dort auftretenden Konflikten.

1.3 Didaktische Hinweise

Die Schülerinnen und Schüler haben außerhalb der Schule längst eine Vorstellung davon entwickelt, was Politik eigentlich ist. Der Gemeinschaftskundeunterricht knüpft an diese bereits vorhandenen Wissenskonzepte der Schülerinnen und Schüler an, mit denen sie sich die Welt erklären und politische Phänomene interpretieren. Dieses Vorwissen und Vorverständnis der Lernenden wird im Unterricht durch neues Fachwissen strukturiert, qualitativ verbessert oder erweitert. Konstruktion und Instruktion bedingen und ergänzen einander.
Als Basiskonzepte werden grundlegende Vorstellungen bezeichnet, die für politisches Wissen prägend und strukturbildend sind. Mit diesen Basiskonzepten strukturieren und interpretieren Menschen ihre Erfahrungen mit Politik. Die Konzepte sind nicht mit dem zu vermittelnden Unterrichtsstoff gleichzusetzen, sondern sollen den Lehrerinnen und Lehrern auch dabei helfen, Unterrichtsthemen auszuwählen. Basiskonzepte sind inhaltliche Vermittler zwischen der Sachlogik des Fachs und der Lernlogik der Schülerinnen und Schüler. Demnach beschreiben Basiskonzepte die Vorstellungsbereiche, zu denen Lernende ihr Weltverstehen durch die Lernangebote des Faches weiterentwickeln.
Dabei erfüllen die Basiskonzepte unterschiedliche Aufgaben für die alltägliche Arbeit im Unterricht. Basiskonzepte stellen eine wesentliche Strukturierungshilfe für die Gliederung und den Aufbau des Bildungsplans dar. Sie helfen, den komplexen Gegenstand des Politikunterrichts zu ordnen und ihm eine Struktur zu verleihen. Basiskonzepte bieten einen Ansatz, den Bildungsplan spiralcurricular zu strukturieren. Gleiche oder ähnliche Problemstellungen tauchen immer wieder im Unterricht auf und werden dabei zunehmend komplexer und differenzierter. Die den Teilkompetenzen des jeweiligen Themenfeldes vorangestellten, an den Basiskonzepten orientierten Leitfragen, stellen demnach ein zentrales Element des Wiederholens und Vertiefens dar. Neue Probleme, Aufgaben und Fragestellungen lassen sich auf ähnliche Fragen beziehen, zum Beispiel auf die Frage, wie politische Herrschaft auf unterschiedlichen Ebenen legitimiert wird oder wie verbindliche Entscheidungen getroffen werden.
Die Kenntnisse und Kompetenzen, die der vorliegende Bildungsplan vermitteln will, sind an sechs Basiskonzepten orientiert, die durch unterschiedliche Leitfragen für den Unterricht zu erschließen sind:

  • Macht und Entscheidung: Politik bezieht sich auf Macht und deren Verfestigung in Herrschaftsstrukturen. Herrschaft bedeutet, eine verbindliche Entscheidung treffen zu können. Macht bedeutet, auf die Entscheidung Einfluss nehmen zu können.
  • Ordnung und Struktur: Gesellschaften bilden Ordnungen, Strukturen und komplexe politische Regelungssysteme, die sowohl Ergebnis als auch Bedingung von Politik sind (zum Beispiel politische Ordnungen, Rechtsordnungen, Wirtschaftsordnungen, Sozialstrukturen). Moderne Gesellschaften sind zudem nach Teilsystemen mit unterschiedlichen Handlungslogiken differenziert.
  • Regeln und Recht: Regeln setzen die Rahmenbedingungen für menschliches, wirtschaftliches und politisches Handeln. Über die Verrechtlichung von Regeln versuchen politische Entscheidungsträger gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Prozesse zu steuern. Es gibt rechtliche Bestimmungen, die in einem Rechtssystem verankert und durch Institutionen durchgesetzt werden, aber auch Regeln, die als Konventionen das menschliche Leben bestimmen.
  • Interessen und Gemeinwohl: Politik bezieht sich auf Vorstellungen, worin „gute“ Politik besteht. Es geht hierbei um Wertvorstellungen und den normativen Kern von Politik, zum Beispiel die Suche nach Gerechtigkeit. Gemeinwohl bezeichnet eine Vorstellung davon, was am besten für eine Gesellschaft ist. Das Gemeinwohl kann im Spannungsverhältnis zu Einzelinteressen stehen, sodass beide Ziele nicht gleichzeitig erreicht werden können. Gleichwohl bleibt die Frage, ob es überhaupt ein Gemeinwohl gibt oder ob das Gemeinwohl erst im Rückblick als Ergebnis eines politischen Prozesses erkennbar wird.
  • Privatheit und Öffentlichkeit: Politik bezieht sich auf die öffentliche Sphäre des menschlichen Lebens. Der private Bereich ist davon abgegrenzt. Diesen vor dem Zugriff staatlicher Gewalt zu schützen, ist eine zentrale Errungenschaft der Demokratie. Die Frage, wo die Privatsphäre des Einzelnen beginnt, ist Gegenstand immerwährender politischer Auseinandersetzungen.
  • Knappheit und Verteilung: In allen Gesellschaften stehen den unbegrenzten Bedürfnissen der Menschen begrenzte Ressourcen gegenüber. Diese Spannung ist die Ausgangsbedingung für wirtschaftliches Handeln. Jede Gesellschaft muss für sich entscheiden, wie das Problem der Knappheit und die Frage der Verteilung gelöst werden.


Im Mittelpunkt der didaktischen Überlegungen steht das Politische. Für die Unterrichtsplanung und ‑durchführung sind demnach zentrale fachdidaktische Prinzipien von grundlegender Bedeutung. Sie begründen die Inhalts- und Methodenauswahl und strukturieren die Planung und Durchführung des Unterrichts.

  • Schülerorientierung: Die Lerngegenstände orientieren sich an den Erfahrungen und Interessen der Schülerinnen und Schüler. Als Subjekt des Lernprozesses werden sie an der Auswahl politischer Themenschwerpunkte und Fragestellungen beteiligt. Die Planung von Unterricht geht vom Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aus. Sie werden dadurch als Wissende und nicht als Unwissende angesprochen. Die Diagnose ihrer Präkonzepte bildet die Grundlage und den Ausgangspunkt zur Konzipierung angemessener Lernangebote im Unterricht.
  • Problemorientierung: Politik beschäftigt sich mit der Lösung von Problemen, welche die Allgemeinheit betreffen und Handlungsdruck erzeugen. Die Schülerinnen und Schüler befassen sich mit politischen Problemen, analysieren diese und prüfen politische Entscheidungen und Möglichkeiten der politischen Problemlösung.
  • Kontroversität: Was in Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, muss auch im Unterricht kontrovers abgebildet werden. Politische Fragestellungen und Probleme müssen im Unterricht aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Die Probleme und die Perspektiven zu bewerten, ist Aufgabe der Schülerinnen und Schüler.
  • Exemplarisches Lernen: Die Schülerinnen und Schüler sind in modernen Gesellschaften mit einer sehr komplexen politischen Realität konfrontiert. Nicht nur die Vielzahl politischer Probleme und Fragestellungen, sondern auch deren Dynamik und Komplexität erzwingen eine sorgfältige Auswahl von Beispielen. Die gewählten Fälle stehen exemplarisch für das Politische. Bei den Fallanalysen setzen sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit einzelnen Problemlagen oder Konflikten auseinander, um Kompetenzen auszubilden und Strukturmerkmale zu verstehen, die sie dann auf andere Sachverhalte übertragen können.
  • Aktualität: Die Auswahl von Lerngegenständen orientiert sich an aktuellen Problemen und Lösungsvorschlägen. Auswahlkriterien wie Betroffenheit (Relevanz für die gegenwärtige Lebenssituation und Interessen) und Bedeutsamkeit (Relevanz für die Allgemeinheit oder die Zukunft) fördern die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit den Problemen.
  • Handlungsorientierung: Die Schülerinnen und Schüler setzen sich in schulischen Kontexten durch planvolles simulatives, produktiv-gestaltendes oder reales politisches Handeln (zum Beispiel an außerschulischen Lernorten) mit politischen Fragen und Problemen aktiv auseinander. Dabei sind inhaltlich relevante, schüleraktivierende, handlungs- und problemorientierte Lernangebote im Gemeinschaftskundeunterricht unentbehrlich.

Verweisstruktur

Den einzelnen inhaltsbezogenen Kompetenzen sind Verweise zugeordnet. Diese beziehen sich sowohl auf Verknüpfungen verschiedener inhaltsbezogener Kompetenzen miteinander (I) als auch auf Verknüpfungen von inhaltsbezogenen Kompetenzen mit prozessbezogenen Kompetenzen (P), den Leitperspektiven (L) und weiteren Unterrichtsfächern (F). Die Verweise zeigen auf, an welchen Stellen eine sinnvolle Verknüpfung möglich ist.
Die Verknüpfungen verschiedener inhaltsbezogener Kompetenzen miteinander akzentuieren den spiralcurricularen Aufbau des Bildungsplans. Die I-Verweise zeigen dabei inhaltliche Verbindungen zwischen den Themenfeldern auf und skizzieren die Vorkenntnisse der Schülerinnen und Schüler. So baut beispielsweise die Kompetenzformulierung 3.2.1.4 (2) („die UNO als Akteur in den internationalen Beziehungen bewerten“) aus der Kursstufe auf der Teilkompetenz 3.1.4.1 (7) („an einem vorgegebenen Konflikt Maßnahmen der UNO zur Bewahrung, Schaffung und Sicherung des Friedens bewerten“) aus dem Standardraum 8/9/10 auf.
Mit den Verweisen von inhalts- auf prozessbezogene Kompetenzen wird deren Vernetzung miteinander verdeutlicht. Prozessbezogene Kompetenzen werden über Jahre an unterschiedlichen Inhalten spiralcurricular eingeübt, verfeinert und gefestigt. Auf den Verweis auf solche prozessbezogenen Kompetenzen, die nahezu allen inhaltsbezogenen Kompetenzen zugeordnet werden können, wird verzichtet (zum Beispiel 2.1 Analysekompetenz 1: „Sach‑, Konflikt- und Problemlagen unter Verwendung der gängigen Fachsprache strukturiert wiedergeben“). Auf manche Teilkompetenzen aus den prozessbezogenen Kompetenzen kann im Bildungsplan nur schwer verwiesen werden, da sie durch unterrichtliche Arrangements (zum Beispiel Diskussionen oder Rollenspiele) eingeübt werden und dieser unterrichtliche Bereich nicht im Bildungsplan abgebildet werden kann. Dies betrifft vor allem den Bereich der Handlungskompetenz.
Verweise auf Leitperspektiven verdeutlichen, welchen besonderen Beitrag das Fach Gemeinschaftskunde leisten kann, um an der Verwirklichung der in den Leitperspektiven genannten Ziele mitzuwirken.
In der Auflistung unter den Teilkompetenzen wird auch auf andere Unterrichtsfächer verwiesen, in denen ähnliche Inhalte Unterrichtsgegenstand sind. Die Verweise auf weitere Fächer sollen dazu anregen, Lernprozesse mit bereits in einem anderen Fach Gelerntem zu verknüpfen. Die Verweise beziehen sich dabei immer auf den gleichen Standardraum, um konkreten fächerverbindenden Unterricht zu unterstützen.


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