Bildungsziel des Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasiums
Weitreichende und tiefgreifende Veränderungen der Arbeits-, Lebens- und Umweltbedingungen, die komplexen Zusammenhänge gesellschaftlicher Veränderungen und sich verändernde Sozialisationsprozesse prägen die Gesellschaft und den Menschen an sich. Dem interdisziplinären Bereich der Humanwissenschaften kommt vor diesem Hintergrund eine besondere Bedeutung zu. Die Schülerinnen und Schüler der Sozial- und Gesundheitswissenschaftlichen Gymnasien beschäftigen sich in einem fächerübergreifenden, ganzheitlichen Ansatz mit Fragestellungen des menschlichen Daseins, der menschlichen Entwicklung und Interaktion sowie Fragestellungen aus der Biologie, Medizin und Pflege, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts begegnen zu können.
Im Kontext dieser Entwicklungen ermöglichen die Beruflichen Gymnasien der sozial- und gesundheitswissenschaftlichen Richtung den Schülerinnen und Schülern mit entsprechenden Begabungen und Bildungsabsichten den Erwerb eines vertieften erziehungswissenschaftlichen und psychologischen bzw. gesundheitswissenschaftlichen Orientierungswissens, das im Sinne einer Wissenschaftspropädeutik zur Studierfähigkeit führt und gleichzeitig eine berufliche Profilierung für anspruchsvolle Tätigkeiten in sozialen und medizinischen Dienstleistungsberufen eröffnet.
Durch die Wahl eines Profilfachs können die Schülerinnen und Schüler einen spezifischen Schwerpunkt für ihre humanwissenschaftliche Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage setzen, der sie zur aktiven Teilnahme am erziehungs- und gesundheitswissenschaftlichen Diskurs befähigt und ihre Persönlichkeitsentwicklung fördert. Hinzu kommt die Fähigkeit, fächerübergreifend und Fächer verbindend denken zu können.
Humanwissenschaftliche Zusammenhänge zu durchdringen und Problemstellungen aus den Bereichen der Pädagogik, Psychologie, Gesundheit und Biologie erfolgreich und nachhaltig zu lösen und Zukunftsperspektiven entwickeln zu können, erfordert im Sinne der Handlungskompetenz neben Fachkompetenzen auch methodische, soziale und personale Kompetenzen.
Das Sozial- und Gesundheitswissenschaftliche Gymnasium vermittelt den Schülerinnen und Schülern vielfältige Kompetenzen, die sie zum Verstehen von Modellen, wissenschaftlichen Untersuchungen, Texten, Statistiken und Medienprodukten befähigen und zur Entwicklung problemlösender Denkansätze beitragen. Dabei werden unter Beachtung der Heterogenität der Schülerschaft maßgeblich die kognitiven Fähigkeiten gefördert, komplexe Sachverhalte zu durchdringen, wissenschaftliche Erkenntnisse nachzuvollziehen, zu kategorisieren und strukturiert darzustellen bzw. situationsspezifisch anzuwenden.
Fachbezogene Vorbemerkungen
1. Fachspezifischer Bildungsauftrag (Bildungswert des Faches)
Der Unterricht im Profilfach Pädagogik und Psychologie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der gymnasialen Oberstufe. Im Vordergrund stehen die Vermittlung von pädagogischem, psychologischem und soziologischem Orientierungswissen und die Hinführung der Schülerinnen und Schüler zu einem wissenschaftspropädeutischen Arbeiten. Weiterhin sollen die Schülerinnen und Schüler befähigt werden, als Individuen Entwicklungschancen und Herausforderungen in Beruf, Familie und öffentlichem Leben wahrzunehmen, zu durchdenken und kritisch zu beurteilen.
2. Fachliche Aussagen zum Kompetenzerwerb, prozessbezogene Kompetenzen
Die Schülerinnen und Schüler erwerben und vertiefen im Profilfach eine umfassende Handlungskompetenz. Dabei wird das Ziel verfolgt, über Erziehungs- und Bildungsprozesse aufzuklären, um Menschen zu befähigen, sich in gesellschaftlichen, beruflichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Zur Förderung der Handlungskompetenz ist einer vertieften, exemplarischen Auseinandersetzung Vorrang vor einer zu breit gestreuten Wissensvermittlung zu geben. Ein bloßes Repertoire von Kenntnissen über Ziele, Mittel und Bedingungen pädagogischen Handelns und von Urteilskriterien für die Ausbildung pädagogischer Handlungskompetenz reicht nicht aus. Vielmehr sind zusätzlich die Fähigkeit und Bereitschaft erforderlich, von dem vorhandenen Repertoire einen geeigneten Gebrauch zu machen.
Die Handlungskompetenz entfaltet sich in den Dimensionen von Fach- und Methodenkompetenz sowie Personal- und Sozialkompetenz. Diese zentralen Kompetenzbegriffe sind in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Erziehungswissenschaften an berufsbezogenen Gymnasien (Pädagogik/Psychologie) der KMK i. d. F. vom 16.11.2006 näher beschrieben und erläutert.
Die Schülerinnen und Schüler gewinnen Einblick in ein Wissenschaftsverständnis, das von verschiedenen Wirklichkeitskonstruktionen und -modellen ausgeht. Sie begreifen, dass es im erzieherischen, bildenden und psychosozialen Handeln mit Menschen keine monokausalen Erklärungs- und Lösungsansätze gibt. Vielmehr existiert ein vielfältiges Nebeneinander verschiedener pädagogischer und psychologischer Theorien und Richtungen. Durch die spezielle Struktur der Bildungsplaneinheiten wird weiterführendes und systemzusammenhängendes Denken und Handeln gefördert.
In der Eingangsklasse werden ausgehend von zentralen Aspekten der Pädagogik und Psychologie sozialwissenschaftliche Forschungsansätze mit ihren Methoden, Anwendungs- und Arbeitsfeldern analysiert, ein grundlegendes Verständnis für psychische Funktionen sowie sozialpsychologische Gruppenphänomene geschaffen und damit die Basis für darauf aufbauende Wissensstrukturen gelegt.
Die Jahrgangsstufe 1 setzt den spiralcurricularen Ansatz des Bildungsplanes fort, indem ausgewählte sozialpsychologische Experimente analysiert werden, um anschließend eine vertiefende und vergleichende Auseinandersetzung mit fünf psychologischen Richtungen in strukturierter und systematischer Weise vorzunehmen. Dabei werden durchgängig pädagogische Implikationen berücksichtigt.
In der Jahrgangsstufe 2 wird zunächst das Phänomen der sozialen Einstellungen unter Bezugnahme der bisherigen Bildungsinhalte thematisiert, um danach den Blick für die Entwicklung des Menschen über die Lebensspanne hinweg zu erweitern. In der Bildungsplaneinheit 14 „Bildungs- und Erziehungsprozesse“ werden erarbeitete Erkenntnisse gebündelt und auf erzieherische Prozesse sowie pädagogische Konzepte übertragen.
Die Wahlthemen ermöglichen je nach Interessenschwerpunkt und situativen Bedingungen neue und aktuelle sowie gesellschaftlich relevante Themen und Fragen aus psychologisch-pädagogischer Perspektive aufzugreifen und zu bearbeiten.
3. Ergänzende fachliche Hinweise
Die Verzahnung von Theorie und Praxis ist charakteristisch für den Unterricht im Profilfach. So sind Fragen der pädagogischen und psychologischen Praxis zum einen Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit geeigneten Theorien, zum anderen beziehen sich die vermittelten Theorien auch immer auf deren konkrete Anwendung. Bezüge zur beruflichen Praxis und Orientierung werden z. B. durch praktische Projekteinheiten, Exkursionen und Hospitationen hergestellt.
Da im Profilfach nicht nur die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit beschrieben, ausgewertet und reflektiert werden, sondern zugleich das sozialwissenschaftliche Arbeiten selbst zum Gegenstand des Unterrichts in der Eingangsklasse und den Jahrgangsstufen 1 und 2 wird, ist es erforderlich, die Klasse zeitweilig zu teilen. Laut Stundentafel ist dies für die Eingangsklasse vorgesehen. Darüber hinaus ist dies auch im Sinne der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler und zur Umsetzung der Kompetenzorientierung des Bildungsplans für die Jahrgangsstufen 1 und 2 von Vorteil.
Hinweise zum Umgang mit dem Bildungsplan
Der Bildungsplan zeichnet sich durch eine Inhalts- und eine Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar.
In den Hinweisspalten sind didaktisierende Fragen vorangestellt. Sie nehmen mögliche Fragehaltungen der Schülerinnen und Schüler zur jeweiligen Bildungsplaneinheit in den Blick und sind deshalb offen formuliert. Sie verbinden die Inhalte mit dem Schülerhorizont und dienen daher als Planungsgrundlage für einen kompetenzfördernden Unterricht, z. B. für das Generieren von Anforderungssituationen.
Die Aufzählungen in der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. Bildungsplaneinheiten. Aufbau und inhaltliche Verzahnung der Bereiche über die drei Schuljahre hinweg legen eine Umsetzung der Bildungsplaneinheiten entsprechend der im Bildungsplan ausgewiesenen Reihenfolge nahe. In begründeten Fällen kann von diesem Aufbau abgewichen werden.
Der VIP-Bereich des Bildungsplans umfasst die Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.