Allgemeine Vorbemerkungen
Der Bildungsplan zeichnet sich durch Inhalts- und Kompetenzorientierung aus. In jeder Bildungsplaneinheit (BPE) werden in kursiver Schrift die übergeordneten Ziele beschrieben, die durch Zielformulierungen sowie Inhalts- und Hinweisspalte konkretisiert werden. In den Zielformulierungen werden die jeweiligen fachspezifischen Operatoren als Verben verwendet. Operatoren sind handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Bearbeiten von Aufgaben erwartet werden. Die für das jeweilige Fach relevanten Operatoren sowie deren fachspezifische Bedeutung sind jedem Bildungsplan im Anhang beigefügt. Durch die kompetenzorientierte Zielformulierung mittels dieser Operatoren wird das Anforderungsniveau bezüglich der Inhalte und der zu erwerbenden Kompetenzen definiert. Die formulierten Ziele und Inhalte sind verbindlich und damit prüfungsrelevant. Sie stellen die Regelanforderungen im jeweiligen Fach dar. Die Inhalte der Hinweisspalte sind unverbindliche Ergänzungen zur Inhaltsspalte und umfassen Beispiele, didaktische Hinweise und Querverweise auf andere Fächer bzw. BPE.
Der VIP-Bereich im Bildungsplan umfasst Vertiefung, individualisiertes Lernen sowie Projektunterricht. Im Rahmen der hier zur Verfügung stehenden Stunden sollen die Schülerinnen und Schüler bestmöglich unterstützt und bei der Weiterentwicklung ihrer personalen und fachlichen Kompetenzen gefördert werden. Die Fachlehrerinnen und Fachlehrer nutzen diese Unterrichtszeit nach eigenen Schwerpunktsetzungen auf Basis der fächerspezifischen Besonderheiten und nach den Lernvoraussetzungen der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
Der Teil „Zeit für Leistungsfeststellung“ des Bildungsplans berücksichtigt die Zeit, die zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Leistungsfeststellungen zur Verfügung steht. Dies kann auch die notwendige Zeit für die gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen (GFS), Nachbesprechung zu Leistungsfeststellungen sowie Feedback-Gespräche umfassen.
Fachbezogene Vorbemerkungen
Das Fach Katholische Religionslehre ist nach Art. 7, Absatz 3 GG und nach Artikel 18 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg „ordentliches Lehrfach“. Als solches leistet es seinen unverzichtbaren Beitrag zur Verwirklichung des in der Landesverfassung verankerten Erziehungs- und Bildungsauftrags der Schule, indem es versucht, „den Glauben im Dialog mit den Erfahrungen und Überzeugungen der Schülerinnen und Schüler, mit dem Wissen und den Erkenntnissen der anderen Fächer, mit den gegenwärtigen Fragen der Lebens- und Weltgestaltung und mit den Positionen anderer Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen zu erschließen“ (Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts, Die deutschen Bischöfe, Nr. 103, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2016 S. 12).
Der Religionsunterricht wird nach Bekenntnissen getrennt in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft von deren Beauftragten erteilt und beaufsichtigt (Schulgesetz §96 Absatz 2).
Allgemeine Zielsetzungen des Faches
Zu dem in der Landesverfassung Artikel 2, Absatz 1 und im Schulgesetz vorgegebenen Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule trägt der katholische Religionsunterricht dadurch bei, dass er den Schülerinnen und Schülern Hilfen zur weltanschaulichen Orientierung, zu einer begründeten Glaubensentscheidung und zur verantwortlichen Lebensgestaltung im persönlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Bereich vermittelt. Maßgebend für den katholischen Religionsunterricht sind der Beschluss der gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland „Der Religionsunterricht in der Schule“ (1974) und die sich daran anschließenden Veröffentlichungen der deutschen Bischofskonferenz.
„Die bildende Kraft des Religionsunterrichts“ (1996) bezeichnet den katholischen Religionsunterricht als konfessionellen Religionsunterricht, „der in ökumenischem Geist erteilt werden muss“. Dem liegt ein Verständnis von Konfessionalität zugrunde, das „eine grundlegende Öffnung zu den anderen christlichen Konfessionen und die hierfür notwendige Dialogbereitschaft“ voraussetzt (Die bildende Kraft des Religionsunterrichts, Die deutschen Bischöfe, Nr. 56, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1996 S. 76).
Konkret unterstreichen die Bischöfe dies in ihrer jüngsten Schrift „Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts“ (2016): „Der konfessionelle Religionsunterricht zielt über die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten im Umgang mit dem christlichen Glauben und anderen Religionen auf die Entwicklung religiöser Orientierungsfähigkeit im persönlichen und gesellschaftlichen Leben. Er verbindet die Frage, was Menschen glauben, mit der Frage, was der oder die Einzelne begründet glauben kann und soll. In der Auseinandersetzung mit dem Wahrheitsanspruch und der existenziellen, die Lebensgestaltung herausfordernden Bedeutung des christlichen Glaubens können die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen religiösen moralischen Überzeugungen prüfen, gegebenenfalls revidieren und weiterentwickeln. Sie lernen, einen eigenen begründeten Standpunkt einzunehmen und anderen gegenüber zu vertreten. Der Erwerb einer solchen konfessorischen Kompetenz auf der hermeneutischen Grundlage einer bestimmten religiösen Tradition ist ein Qualitätsmerkmal des konfessionellen Religionsunterrichts, das ihn von einem religionskundlichen Unterricht unterscheidet“ (Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts, Die deutschen Bischöfe, Nr. 103, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 2016 S. 11).
Bildungswert des Faches
Religiöse Bildung in der pluralen Gesellschaft
Schülerinnen und Schüler stehen heute und in Zukunft vor den Herausforderungen einer immer komplexer werdenden Welt. Sie sind konfrontiert mit den ökologischen Grenzen unseres Planeten, mit ungerechter Ressourcenverteilung und zunehmender Ökonomisierung aller Lebensbereiche, mit den Möglichkeiten und Gefahren einer globalisierten und digitalisierten Welt, mit Problemen des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft sowie mit wachsender Pluralisierung und Individualisierung. Um diese Herausforderungen bestehen zu können, sind Schülerinnen und Schüler auf Orientierung angewiesen. Schulische Bildung und Erziehung, an der auch der Religionsunterricht Anteil hat, will ihnen Orientierung anbieten, sie in ihrer Individualität stärken und sie befähigen, in der Gesellschaft Verantwortung zu übernehmen.
Religion als ein eigener Zugang zur Wirklichkeit
Im Kontext der PISA-Studie verweist der Erziehungswissenschaftler Jürgen Baumert auf vier unterschiedliche Modi der Weltbegegnung, das heißt vier unterschiedliche Zugänge, um Wirklichkeit zu verstehen. Neben dem mathematisch-naturwissenschaftlichen, sprachlich-ästhetischen und gesellschaftlich-politischen Zugang bieten Religion und Philosophie eine eigene Art der Welterschließung. Sie stellen Grundfragen des Menschseins, vor allem die nach dem Sinn des Lebens, nach dem Woher, Wozu und Wohin. Keiner dieser vier Modi der Weltbegegnung beziehungsweise Weltaneignung ist verzichtbar, sondern sie ergänzen sich wechselseitig zu einem ganzheitlichen Verständnis von Wirklichkeit. Unter Bezugnahme auf diesen bildungstheoretischen Ansatz formulieren die deutschen Bischöfe: „Religion eröffnet einen eigenen Zugang zur Wirklichkeit, der durch keinen anderen Modus der Welterfahrung ersetzt werden kann“ (Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Die deutschen Bischöfe, Nr. 80, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn, 16. Februar 2005, S. 7.). Religiöse Bildung von Schülerinnen und Schülern ist vor diesem Hintergrund ein unerlässlicher Teil der Allgemeinbildung in einer modernen pluralen Gesellschaft.
Glaubenswissen als lebensbedeutsames Orientierungswissen
Schülerinnen und Schüler werden im Religionsunterricht befähigt, Wirklichkeit in ihrem Bezug auf Transzendenz zu reflektieren. Sie lernen vor dem Hintergrund ihrer je eigenen Erfahrungen nach Gott zu fragen, sich in Bezug auf religiöse Fragestellungen zu positionieren und ethische Entscheidungen auch unter Berücksichtigung des christlichen Menschenbildes zu treffen. Hierzu ist es notwendig, strukturiertes und lebensbedeutsames Grundwissen über den Glauben der Kirche zu erwerben (Die deutschen Bischöfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, Bonn 2005, S. 18–23) und um die kulturprägende Wirkung von Religion zu wissen. Schülerinnen und Schüler lernen deshalb im katholischen Religionsunterricht zentrale Inhalte sowie Formen gelebten christlichen Glaubens zu reflektieren und zu verstehen. Sie setzen sich mit Aspekten des Christentums in seinen geschichtlichen und konfessionellen Ausprägungen auseinander. Sie begegnen ebenso anderen Religionen und Weltanschauungen, entdecken deren Geschichte und Traditionen und erkennen, wie Religionen Kulturen und Gesellschaften geprägt haben und prägen.
Dieser Bildungsprozess zielt auf die Identität und Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler und auf gelingendes Zusammenleben in solidarischer Verantwortung. Er ist immer ein Prozess der Selbstbildung, in dem sich personale Freiheit verwirklicht, die in christlicher Deutung ihren unverfügbaren Grund in Gott hat. Deshalb ist der Erwerb von Glaubenswissen nicht Selbstzweck, sondern dient der Orientierung und Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler. Im Mittelpunkt des Religionsunterrichts steht der Mensch, dessen Leben gelingen soll.
Religiöse Bildung als Beitrag zu einer humanen Gesellschaft
Religiöse Bildung leistet einen wichtigen Beitrag zu einer Humanisierung von Bildung und Gesellschaft. Dieser basiert auf der Tradition des prophetischen Einspruchs, auf den Visionen der Reich-Gottes-Botschaft vom wahren und erfüllten Leben und auf der Zusage der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen. Angesichts der im christlichen Menschenbild verankerten unverfügbaren Würde jedes Menschen hinterfragt der katholische Religionsunterricht Denk- und Handlungsansätze, die diese Würde in Frage stellen, indem sie zum Beispiel den Menschen allein über seine Leistung definieren. Daher weiß sich der katholische Religionsunterricht auch der Inklusion verpflichtet.
Kritisch befragt werden auch Erscheinungsformen missverstandener und missbrauchter Religion. Hier übernimmt der katholische Religionsunterricht wichtige Aufklärungsarbeit. Er trägt dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler einen eigenen Standpunkt gegenüber anderen Menschen und Institutionen begründet vertreten können und bereit werden, Verantwortung für sich und in der Gesellschaft zu übernehmen.
Der katholische Religionsunterricht ermöglicht Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Vergangenheit und die gegenwärtige kulturelle Situation zu verstehen und gewonnene Erkenntnisse in die Zukunftsgestaltung mit einzubringen. Dies gilt insbesondere für den Dialog der Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen, der gerade in dieser von Heterogenität und Pluralität besonders gekennzeichneten Schulart eine große Herausforderung darstellt. Damit verpflichtet sich das Fach Katholische Religionslehre, die Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler umfassend und ganzheitlich zu fördern.
Religiöse Bildung im Kontext der Berufsbildung
Der katholische Religionsunterricht in der Mittelstufe des Beruflichen Gymnasiums fördert die religiöse Bildung der Schülerinnen und Schüler. Er leistet einen integralen und unverzichtbaren Beitrag zum allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und eröffnet einen qualifizierten Zugang zur Oberstufe des Beruflichen Gymnasiums. Durch den thematischen Bezug zu den inhaltlichen Kompetenzen des allgemein bildenden Gymnasiums ist dieser Bildungsplan anschlussfähig an die Pläne der allgemein bildenden Schulen. Zugleich fördert er Schülerinnen und Schüler durch eine profilbezogene Berufsorientierung darin, religiöse und weltanschauliche Grundhaltungen in der Arbeitswelt zur Sprache zu bringen und den Herausforderungen einer globalen Wirtschafts- und Arbeitswelt kompetent zu begegnen.
Leitziele und Kompetenzverständnis
Grundlage des im Bildungsplan verwendeten Kompetenzbegriffs ist die Definition von Eckhard Klieme und Franz Weinert, wie sie die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz verwenden. Dieser Bildungsbegriff definiert Kompetenzen „(…) als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27 f.). Auch die Kompetenzformulierungen des Bildungsplans spiegeln dies wieder. Bezogen auf die jeweilige Klassenstufe beschreiben sie, was Schülerinnen und Schüler wissen und können sollen. Der Religionsunterricht ist aber auch auf langfristige und nachhaltige Ziele und Fähigkeiten angelegt. Diese beziehen sich u. a. auf die Bildung der Persönlichkeit und den Umgang mit anderen, auf Verfahren der Gewinnung, Vernetzung und Sicherung von Wissen, auf Strategien zur eigenen Planung, Gestaltung und Reflexion von Lernprozessen, auf gestalterische Fähigkeiten sowie die Anwendung erworbenen Wissens und Könnens in Kommunikations- und Handlungssituationen. In diesem Kontext werden die von der KMK verbindlich vorgegebenen prozessbezogenen Kompetenzen zum Erwerb religiöser Bildung relevant. Diese gliedern sich in fünf Kompetenzbereiche:
- Wahrnehmen und darstellen (religiös bedeutsame Phänomene wahrnehmen und beschreiben)
- Deuten (religiös bedeutsame Sprache und Zeugnisse verstehen und deuten)
- Urteilen (in religiösen und ethischen Fragen begründet urteilen)
- Kommunizieren (am religiösen und interreligiösen Dialog argumentierend teilnehmen) und
- Gestalten (religiös bedeutsame Ausdrucks- und Gestaltungsformen reflektiert verwenden)
Diese auf lebenslanges Lernen ausgerichteten Kompetenzen sind nicht an bestimmte Inhalte gebunden, werden aber aufbauend über alle Schuljahre hinweg in Anbindung an inhaltsbezogene Kompetenzen erworben.
Neben den in den Bildungsplänen ausgewiesenen Kompetenzen weist der Bildungsplan für das Berufliche Gymnasium folgende übergeordnete Leitziele aus:
- Sicherstellung der allgemeinen Studierfähigkeit
- Erwerb von Kompetenzen an aktuellen Inhalten
- Vorbereitung auf das Leben in einer sich dynamisch wandelnden pluralistischen und demokratisch verfassten Gesellschaft
- Förderung des Umgangs mit Heterogenität
- Stärkung der gesellschaftlichen und beruflichen Integrationsleistung
- Nachhaltige Nutzung digitaler Medien
- Bezug zur beruflichen Wirklichkeit als Markenkern des Beruflichen Gymnasiums
Didaktische Hinweise
Der Bildungsplan für die Katholische Religionslehre ist wie die Bildungspläne der anderen Fächer aufgebaut. Insgesamt weist er folgende sieben Dimensionen aus:
- Mensch
- Welt und Verantwortung
- Bibel
- Gott
- Jesus Christus
- Kirche
- Religionen und Weltanschauungen
Diese entsprechen den sieben Bereichen aus dem Bildungsplan der allgemein bildenden Schulen für das Fach Katholische Religionslehre. Für die Klassen acht, neun und zehn sind die Bildungsplaneinheiten so aufgeteilt, dass in besonderer Weise Alter, Entwicklungsstand und Interessen der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden. In der Hinweisspalte sind didaktisierende Fragen platziert, die darauf abzielen, die Lehrperson mit einer offenen Frage an die inhaltliche Auseinandersetzung zu führen und den Kompetenzerwerb im Blick zu behalten. Aufgrund der Stringenz des Aufbaus und der inhaltlichen Vernetzung über die drei Schuljahre empfiehlt sich eine Umsetzung der Bildungsplaneinheiten so wie sie im Bildungsplan ausgewiesen sind. In begründeten Fällen kann von diesem Aufbau abgewichen werden.
Der katholische Religionsunterricht beteiligt sich an Fächer verbindenden Projekten und nutzt insbesondere die vielfältigen Möglichkeiten konfessionell-kooperativer Zusammenarbeit. Außerunterrichtliche Angebote, wie Tage der Orientierung, können den Unterricht sinnvoll ergänzen und vernetzen ihn mit der Schulpastoral.